Nahe am Wasser gebaut

Das Boot mit Baujahr 1987 wurde komplett überholt und ist nun bereit zum Einwassern für die erste Probe- fahrt. Bilder: Pedrazzini

Bootbau.  Der Beruf des Holzbootbauers ist nahe mit dem Schreinerberuf verwandt und mindestens so vielfältig. Markus Nigg aus Gersau SZ am Vierwaldstättersee macht seine Lehre bei Pedrazzini Bootbau in Bäch SZ am Zürichsee.

Markus Nigg, Lernender im dritten Lehrjahr bei Pedrazzini Bootbau, wirkt engagiert, auskunftsfreudig und arbeitet spürbar gerne in seinem Beruf. Die Boote der Pedrazzini-Werft in Bäch am Zürichsee sind alle in Handarbeit hergestellt. «Strictly handcrafted in Switzerland since 1914», lautet der Slogan. In vielen Arbeitsschritten wachsen die einzelnen Elemente eines Bootes zusammen.

Lebendiger Werkstoff

Markus Nigg hatte seine Lehre bei einem anderen Bootbauer begonnen. Ja, in der Schweiz heisst der Ausbildungsberuf Bootbauer, nicht Bootsbauer. Weil der erste Lehrbetrieb aber Konkurs ging, musste er sich einen neuen suchen. Er landete schliesslich bei Pedrazzini Bootbau und ist glücklich darüber. Bei seinem ersten Lehrbetrieb wurden Boote aus Aluminium gebaut; bei Pedrazzini baut man Boote aus Holz und in akribischer Handarbeit. «Holz lebt und schwindet, ist warm und angenehm zum Bearbeiten. Beim Aluminium kann man sich Zeit lassen, da passiert nicht viel. Das kann man auch ein paar Monate stehen lassen. Holz muss man sofort verleimen, sonst passen die Teile nicht mehr», erklärt Markus Nigg den Unterschied.

Das Schreinern im Blut

Das Schreinern habe er im Blut, sagt Markus. Sein Vater war Schreinermeister, hatte einen eigenen Betrieb. Der Bootbau ist relativ nahe am Schreinerberuf. Leim, Verbindungen und Materialien sind ähnlich bis gleich. Markus’ Vater ist denn auch sehr interessiert an den Techniken und Arbeitsschritten, die Markus in der Lehre lernt. «Kommt etwas Neues aus dem Bootbau hinzu, was er nicht vom Schreinerberuf her kennt, schlägt er es gerne im Internet nach», erzählt Markus. In ihrer privaten Werkstatt zu Hause haben Markus und sein Vater gerade angefangen zu drechseln. Regelmässig bauen und schreinern sie auch privat Dinge, die sie zu Hause gebrauchen können.

Ein Boot entsteht

Die Pedrazzini-Werft stellt drei Grundmodelle her, die alle individuell gebaut und ausgebaut werden. Wählen kann man zwischen sieben, achteinhalb und zehn Metern Bootslänge. Alle Boote nehmen ihren Anfang in der Schreinerei der Werft. Dort wird in der sogenannten Helling die Beplankung des Rumpfs gemacht. Bei Pedrazzini kommen dort gleich drei Schichten drauf, wo andere Hersteller zum Teil nur eine Schicht verarbeiten. Dann folgt der Innenausbau. Ausstattung und Einteilung werden nach Kundenwunsch gemacht. Anschliessend kommt das Boot ein Stockwerk höher, wo der externe Sattler und der Elektriker ihre Arbeit erledigen. Am Ende wird das Boot zu Wasser gelassen und ausführlich geprüft und getestet, bevor der Kunde es sich ansehen kann. Markus hat in seiner Lehre von der Beplankung bis zur Schlussprüfung schon alle Arbeitsschritte ausführen dürfen. «Die Arbeit ist unglaublich vielseitig und abwechslungsreich», sagt Markus. In seinem Beruf bearbeitet er neben Holz auch Metalle, baut Motoren und Elektronik ein und lackiert.

Viel Handarbeit

Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern wird bei Pedrazzini seit hundert Jahren alles in Handarbeit und auch heute noch nicht mit der CNC-Fräse hergestellt. Daher braucht es etwas mehr Zeit als in mancher Möbelschreinerei. Ein Schiff benötigt deshalb gut fünf bis sieben Monate, bis es fertig ist. Es gibt amerikanische Firmen, die können ein Segelboot innerhalb von zwei Wochen liefern. «Dann ist es aber nicht mehr Bootbau, sondern Serienbau!», findet Markus Nigg. Es kam sogar schon vor, dass die Firma auf drei Jahre hinaus ausgebucht war. Die meisten Aufträge für neue Boote kommen im Frühling und im Sommer rein, wenn die Kundschaft auf Sonne und Wasser eingestellt ist. Im Winter stehen hingegen hauptsächlich Restaurationen an.

Wenig Lehrstellen

Eine Lehrstelle als Bootbauer zu finden, sei gar nicht so einfach. Er selber wohne am Vierwaldstättersee, musste aber an den Zürichsee, um eine passende Lehrstelle zu finden. In der Berufsschule in Zofingen sind sie denn auch nur acht Bootbau-Lernende aus der ganzen Deutschschweiz. «Das Problem ist, dass viele Bootbauer nur eine Fachwart-Lehre anbieten. Wenn es aber darum geht, jemanden anzustellen, werden dann wieder ausgebildete Bootbauer bevorzugt», erklärt Markus das Problem.

Bootsführerschein inklusive

Vom Bootbauerverband wurde Markus Nigg nicht vorgeschrieben, die Bootsführerprüfung zu machen. Neu müssten die Bootbauer gemäss einer Anpassung jedoch sogar die Segel- und die Motorbootsprüfung ablegen. Interesse hätte Markus schon am Führerschein, aber kaum Zeit, ihn zu machen. Im Militär müsse er dann wahrscheinlich sowieso zu den Pontonieren, da käme er dann zu seinem Bootsführerschein.

Keine Reue

Markus hat die Wahl seiner Lehre nie bereut. Im Gegenteil, er würde heute wieder dieselbe Wahl treffen. Spass macht ihm jede Arbeit, am meisten jedoch der Schalenbau des Schiffsrumpfes. Und wie es sich für Pedrazzini-Boote gehört: drei Schichten statt nur eine.

AJ

Veröffentlichung: 06. Juli 2017 / Ausgabe 27-28/2017

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