Natürlichkeit kommt am besten an

Matte, fast unsichtbare Oberflächen liegen im Trend, wie auch der Innenausbau im Hotel Allegra Lodge in Kloten ZH zeigt. Bild: Votteler AG

Unverfälschte Wirkung.  Die Oberfläche einer Schreinerarbeit beeinflusst deren Erscheinungsbild massgeblich. Der aktuelle Trend geht weiter in Richtung Natürlichkeit. Der Charakter des Holzes soll nicht versteckt, sondern – im Gegenteil – bewusst hervorgehoben werden.

Holz als natürliches und hochwertiges Material für Innenausbauarbeiten hat in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen. Verlangten Kunden, Planer und Bauherren früher eher nach deckend lackierten Oberflächen in verschiedenen Farben, kommt heute für Sichtflächen wieder vermehrt echtes Holz in Form von Massivholz oder Furnier zum Einsatz.

Dies steht auch in Zusammenhang mit der sehr populären Verwendung von Altholz. Das Zeigen der natürlichen Maserung und Struktur, der Äste und sogar Risse, gehört heute zum oft genannten Kundenwunsch. Architekten und Gestalter runden ihre modernen Entwürfe mit klaren, reduzierten Formen gerne mit dem behaglichen Charakter und der Eleganz des Holzes ab. Kombiniert mit Gedanken zu Ökologie und Nachhaltigkeit, punktet Holz als nachwachsender Rohstoff besonders. Kurz gesagt: Holz liegt wieder vermehrt im Trend, und davon profitieren Schreinereien.

Oberfläche muss zu Charakter passen

Um die Kundschaft abzuholen und dem Trend zu folgen, gilt es besonders bei den Oberflächen einiges zu beachten. Ein Material wie Holz verlangt nach einer entsprechenden Oberflächenwirkung. Es soll ganz natürlich aussehen und sich auch so anfühlen. Kamen früher mehrheitlich deckende Lacke zum Einsatz, werden heute vermehrt offenporige Oberflächen verlangt. «Generell geht der Trend in Richtung natürliche Oberflächen, die fast unbehandelt aussehen», stellt Andreas Fuchs, Inhaber der Manufaktur für Nachhaltiges Holzhandwerk (MNH) mit Sitz in Rupperswil AG fest. Er hat sich auf die Verarbeitung von Massivholz spezialisiert und beschäftigt sich intensiv mit den verschiedenen Systemen und Produkten, die für die Oberfläche zur Verfügung stehen. Als Fachdozent für das Thema Oberflächenbehandlung ist er zusätzlich in der Weiterbildung für Schreiner aktiv. «Ich spüre deutlich die Tendenz zur Nachhaltigkeit und Natürlichkeit, auch beim Thema Oberflächen. Meine Kunden verlangen nach Produkten, die zu ihren Vorstellungen passen.»

Grosse Vielfalt an Systemen

Für den Verarbeiter und den Endkunden ist wichtig zu wissen, dass eine natürliche Wirkung am fertigen Möbel nicht gleichzusetzen ist mit natürlichen Inhaltsstoffen der Oberflächenbehandlung. Natürliche Effekte lassen sich mit praktisch allen Systemen erreichen. Eine lackierte Oberfläche kann heute ebenso «natürlich» aussehen wie eine geölte. Damit der Kunde auf seine Ansprüche abgestimmt beraten werden kann, muss der Schreiner die Systeme kennen und korrekt unterscheiden.

Die Hersteller von Oberflächensystemen haben den Trend in Richtung Natürlichkeit längst aufgegriffen und bieten eine Vielzahl an Lösungen an. «Grundsätzlich kommen bei der Behandlung von Holz drei Varianten infrage: Ölen und Wachsen, was als sogenannt natürlich gilt, die Behandlung mit Lacken oder der Einsatz einer Beizlasur. Dies ist die Kombination der beiden ersten Systeme», sagt Gebi Ochsner, Verkaufsleiter der Votteler AG in Schwarzenbach SG.

Öle und Wachse lassen die Poren offen

Bei der natürlichen Oberflächenbehandlung mit Wachsen und Ölen dringen die Stoffe in das Holz ein, lassen aber die Poren offen, sodass die Möbeloberfläche dampfdurchlässig bleibt. Öle aktivieren die eigenen Farbpigmente des Holzes und können ein angenehmes Aroma in der Raumluft entfalten. Das Ölen einer Holzoberfläche hat den entscheidenden Vorteil, dass man je nach Produkt auf ein reines Naturerzeugnis zurückgreifen kann. Das Öl ist umweltfreundlich, lässt sich leicht verarbeiten und bei örtlichen Schäden ansatzlos neu auftragen. Es bringt die Holzmaserung durch Intensivierung der Holzfarbe ideal zur Geltung.

Eine geölte Oberfläche setzt jedoch je nach Einsatzort und Beanspruchung der Oberfläche zwingend die Bereitschaft zur regelmässigen Pflege voraus.

Lack als resistente Schutzschicht

Beim Einsatz von Lacken werden die Oberflächen überzogen, um die Poren des Holzes zu verschliessen und es somit gegen äussere Einflüsse vollständig zu versiegeln. Zwar leidet darunter die Atmungsfähigkeit des Massivholzes, und je nach Schichtdicke und Lacksystem wirkt die Oberfläche wenig natürlich, jedoch kann weitgehend auf eine Nachbehandlung verzichtet werden. Der Unterhalt solcher Oberflächen ist denkbar einfach. Auch bei fehlender Pflege erreicht eine lackierte Oberfläche eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren. Je nach Anforderung und Einsatzzweck sind Lacke für stark beanspruchte Flächen die sichere Wahl. Grundsätzlich lassen sich heute lösemittelbasierte Lacke und wasserbasierte Lacke unterscheiden.

Die Lasur als Mischform

Die Beizlasur füllt die Lücke zwischen Lack und Öl und kombiniert die Eigenschaften der beiden Systeme bis zu einem gewissen Grad. Beizlasuren basieren auf der Technologie von Wasserlacken. Hingegen sind sie dank ihrer festkörperarmen Eigenschaft nicht stark auftragend, das Holz wird nicht komplett versiegelt und geschlossen. Die Oberfläche fühlt sich geölt an, ist aber nicht an eine Pflege gebunden. Aufgrund der wasserbasierten Eigenschaft sind diese Produkte als eher ökologisch einzuordnen. Zudem lassen sie sich konventionell spritzen oder wie Öle von Hand mit Pinsel und Roller auftragen. Bei Bedarf lassen sie sich auch einfärben, womit sich der Verarbeiter den Beizvorgang sparen kann. Bei Flächen mit starker Beanspruchung kann das Material mit einem Lack überzogen werden. Dieser sorgt für zusätzlichen Schutz.

Mit der Entwicklung Schritt halten

Aufgrund der Vielfalt an Produkten, die auf dem Markt erhältlich sind, muss der Schreiner als Verarbeiter gut informiert sein. Es empfiehlt sich, das Wissen regelmässig aufzufrischen und zu ergänzen. «Wenn ein neues Oberflächenprodukt zum Einsatz kommen soll, lohnt sich vor der Erstanwendung eine umfassende Beratung durch den Systemlieferanten», sagt Fuchs.

Die Infrastruktur und die Prozesse einer Schreinerei im Oberflächenbereich müssen auf das System abgestimmt sein. So sollte beispielsweise bei der Verarbeitung von wasserbasierten Systemen der Feuchtegehalt der Raumluft gesteuert werden können, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Dies kann einen separaten Trocknungsraum oder -bereich nötig machen.

Zentral ist auch das Thema Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet. «Aus meiner Sicht müssen Mitarbeiter, welche im Oberflächenbereich tätig sind, regelmässig geschult werden. Nur so kann ein Betrieb mit der Entwicklung Schritt halten und sein Wissen aktuell halten», sagt Fuchs. Die Systemlieferanten bieten entsprechende Kurse und Weiterbildungen an. Die Adler Lack AG hat beispielsweise unter dem Titel «Alles matt: Natürliche Optik und Haptik» ein spezielles Seminar am Standort in Tuggen SZ im Programm, welches das Thema spezifisch abdeckt.

Anwendung muss zu System passen

Nebst der Kenntnis der aktuellen Produkte und deren Verarbeitung ist die korrekte Beratung der Kundschaft eine zentrale Aufgabe des Schreiners. «Aus meiner Sicht ist es wichtig, die Kundschaft gut abzuholen und herauszufinden, was der Wunsch und das Einsatzgebiet ist. Dafür muss ich als Fachperson eine optimale Lösung finden», sagt Fuchs. Er mache oft die Erfahrung, dass einerseits der Anspruch an besondere Natürlichkeit sowie die entsprechende Optik und Haptik im Raum stehe, andererseits aber auch eine besonders hohe Dauerhaftigkeit der Oberfläche erwartet werde. «Beides zusammen ist oft nicht möglich», sagt der Experte. Er weise klar auf die Eigenschaften der verschiedenen Systeme hin und biete im Verkauf eine begrenzte Auswahl an Lösungen an, um die Kundschaft nicht zu überfordern. Eine geölte Oberfläche bei einem Esstisch beispielsweise müsse je nach Intensität der Benutzung monatlich nachgeölt werden. «Hier rate ich generell zu lackierten Oberflächen. Wenn sich der Kunde des Pflegeaufwandes bewusst ist, setze ich aber gerne Öle oder Wachse ein. Mein Ziel ist es, meine Kundschaft langfristig zufriedenzustellen und korrekt zu informieren.»

Chance für Zusatzaufträge

Der Pflegebedarf, den Oberflächen mit natürlicher Behandlung in der Regel haben, kann für Schreinereien interessant werden. Mit einer angemessenen, vorgängigen Beratung lassen sich im Nachhinein statt Garantiearbeiten Zusatzaufträge realisieren. «Wer seine Kundschaft im Voraus gut und ehrlich berät, kann im Idealfall von regelmässigen Aufträgen profitieren. Das Auffrischen der Oberflächen von Tischen und Möbeln kann ein lukratives Zusatzgeschäft sein», sagt Fuchs.

Anforderungen im Aussenbereich

Im Aussenbereich gelten andere Anforderungen. Gewisse Holzarten eignen sich nur bedingt für eine Oberflächenbehandlung. «Bei Lärche kann es zu Harzausblutungen kommen. Eine Oberflächenbehandlung ist daher problematisch und eher nicht zu empfehlen. Ich setzte wenn möglich auf den konstruktiven Holzschutz und verzichte komplett auf eine Behandlung des Holzes», sagt Fuchs. Leider ergibt sich oft ein Zielkonflikt. Denn eine unbehandelte Holzoberfläche neigt dazu, ungleich zu verwittern und rasch Farbunterschiede zu zeigen. Dies trifft bei der Kundschaft oft auf Unverständnis (siehe Beitrag ab Seite 12). «Es gilt auch hier, die Kunden korrekt zu beraten und auf alle wichtigen Faktoren aufmerksam zu machen, um Probleme zu vermeiden. Genau gleich wie im Möbelbereich.»

Es zeigt sich im Innen- wie Aussenbereich: Mit dem Einsatz des richtigen Produktes am richtigen Ort lässt sich beinahe jeder gewünschte Effekt erzielen.

www.mnh-möbel.chwww.votteler.comwww.adler-lacke.chwww.biofa-de.com

Produkte mit natürlichem Charakter

Das Biofa Möbelöl 2049 aus natürlichen Rohstoffen eignet sich für alle Holz-oberflächen im Möbel- und Innenausbau ausser für Küchenarbeitsplatten. Das farblose Öl dringt gut in das Holz ein, belebt und vertieft die natürliche Struktur und Tönung der behandelten Hölzer und schafft diffusionsfähige, widerstandsfähige und antistatische Oberflächen.

Der lösemittelbasierte Holzeffektlack 33079 von Votteler steht für einen natürlichen Holzcharakter und ein samtiges Oberflächengefühl bei einem gleichzeitig optimalen Schutz. Darüber hinaus verzögert ein UV-Filter die Holzvergilbung.

Das neue Legno Dura-Öl von Adler vereint das Beste aus den beiden Technologien Lack und Öl. Die Oberfläche sieht aus wie geölt und fühlt sich auch so an: samtig weich, tiefmatt, mit Porenzeichnung und Anfeuerung. Doch im Gegensatz zu anderen geölten Oberflächen können alltägliche Gebrauchsspuren wie Kratzer, Wasser-, Kaffee- oder Rotweinflecken der Oberfläche nichts anhaben. Dies dank der hohen chemischen und mechanischen Beständigkeit des Produkts.

Das Rubio Monocoat-System für den Aussenbereich wird in der Schweiz exklusiv von Kuratle & Jaecker vertrieben. Es umfasst zwei Technologien:

1. Die RMC-Hybrid-Technologie auf Ölbasis: Es handelt sich um einen wirk- lichen «Monocoat», mit dem sich fast alle Holzarten im Aussenbereich mit einer Schicht gegen Verfärbung und Verwitterung schützen lassen.

2. Die Rubio Wood Cream auf Wachsbasis: Mit diesem hydrophoben, atmungsaktiven Produkt lassen sich Holzoberflächen färben und wasserabweisend machen. Die feuchtigkeitsregulierende Creme bewirkt zusätzlich einen selbstreinigenden Holzschutz. Die hydrophobe Technologie sorgt für eine lange Kontaktzeit zwischen Produkt und Holz. So kann die Creme gut in die Holzporen einziehen, ohne diese zu verstopfen. Der natürliche Feuchtigkeitshaushalt und die Struktur des Holzes werden nicht gestört.

Roland Wildi, RW

Veröffentlichung: 12. August 2021 / Ausgabe 33/2021

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