Neue Frische unter der Dusche

Bild: Burgbad AG Als neue Raumordnung wird das Badkonzept «rc40» des Büros Nexus bezeichnet. Sanitärkeramik wie auch frei kombinierbare Schränke, Konsolen, Tablare gehören dazu.

Formen im Bad.  Lange Zeit war die Gestaltung des Badezimmers für Designer wenig attraktiv, denn die Normen im Sanitärbereich setzen hohe Standards und lassen wenig Spielraum für Kreativität. Doch inzwischen haben Hersteller und Designer das Badezimmer neu entdeckt.

Weiss, gut zu reinigen und einfach bedienbar: Das sind die zentralen Anforderungen an die Sanitärkeramik. Ein dichtes Paket an Produkt- und Einbaunormen gehört auch dazu. Die Gestaltungsfreiheit schränkt sich so automatisch ein. Kein Wunder, blieb im deutschsprachigen Raum die Designerszene mit Namen wie Dieter Sieger, Adolf Babel oder Rainer Moll einst sehr überschaubar. Die Sparte war die längste Zeit ein Stiefkind. Der Nassraum hat sich inzwischen aber im wahrsten Sinne des Wortes zur Experimentierfläche verwandelt. Das verlangt auch dem Schreiner, vor allem in Sachen Montage, Flexibilität ab.

Der Wandel zur Wohlfühloase

«Mit der Wandlung des funktionalen Badezimmers hin zur privaten Wohlfühloase haben sich auch die Ansprüche an das Produktdesign gewandelt», sagt Corinne Rüetschi von der Keramik Laufen AG im Baselbiet. Seit den Neunzigerjahren erfolgte eine Konzentration auf das Design zur Entwicklung einer neuen Produktlinie, freilich immer vor dem Hintergrund der europäischen Normen. Diese betreffen Hygiene, Konsumentenschutz, Anschlusssicherheit und Trinkwasserqualität.

Die Produkte von Keramik Laufen sind zudem Q-Plus-zertifiziert. Sie erfüllen die höheren Schweizer Standards, die durch den Gebäudetechnikverband Suissetec und den Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) festgelegt werden. Trotz dieser strengen Qualitätsnormen entstehen hierzulande wie auch im europäischen Ausland neuartige Badkollektionen. Diese sind nicht immer günstig zu haben, die Hersteller verfolgen jedoch unterschiedliche Konzepte. «Dank unserer unterschiedlich positionierten Designserien decken wir ein breites Spektrum an Kundenwünschen in Bezug auf Stilrichtungen, Formen und auch Budgets ab», sagt Rüetschi. Funktion wie auch höchste Qualität stünden dabei im Vordergrund. Zudem will man – auch zusammen mit nationalen und internationalen Designern – Trends setzen.

Der gesamte Raum als Designobjekt

Der Designer Dominik Tesseraux entwarf bisher für die deutsche Bette GmbH & Co. und deren Schweizer Partnerin Wilhelm Schmidlin AG in Oberarth SZ. «Wir begreifen die Neuentwicklung eines Produkts als Evolution des Bestehenden», sagt er. In der Sanitärindustrie wie auch in anderen Produktbereichen gehe es um ein ständiges Ausloten zwischen Chancen und Grenzen. Die jeweiligen Normen und Gepflogenheiten der Branche versteht er dabei als Herausforderung. Das ist mit ein Grund, warum er in Stahl-Email entwirft. Das eingeschränkte Fertigungsverfahren zwinge ihn förmlich dazu, Konzepte hinsichtlich Fertigung, Planung und Montage zu optimieren, denn die rein formale Differenzierung reiche heutzutage längst nicht mehr aus.

Immer mehr Badkonzepte verstehen den gesamten Raum als Designobjekt. «Das Interessante am Entwurf von Sanitärprodukten ist der ganzheitliche Aspekt», sagt der deutsche Designer Michael Schmidt von Code2design. Mit einer Badezimmerserie aus Möbel- und Sanitärelementen gestaltet er den kompletten Raum. Wichtiger als der Anforderungskatalog erscheint ihm die Ergonomie. Deshalb wird im Entwurfsprozess ein grosser Aufwand mit Vormodellen betrieben – immer im Massstab 1:1.

Die Unterkonstruktion ist entscheidend

Die Montage gerät dabei in den Hintergrund. Sie müsse zwar gut funktionieren, aber nicht unbedingt einfach ausfallen, weil sie eben nicht an erster Stelle stehe, sagt Schmidt. Neben den Einbaumassnahmen für die Sanitäranschlüsse ist vor allem die Wand oder konkret die Unterkonstruktion für das Möbel, den Waschtisch usw. entscheidend. Diese muss stabil und tragfähig sein. Viele praktische Hilfsmittel sind bei den Herstellern im Angebot: Badtools in 2D und 3D zur Planung sowie Zeichnungen mit den Massangaben. Montageanleitungen und mancherorts auch Seminare ergänzen das servicefreundliche Angebot.

Balance der Kulturen

Nutzerfreundliche, vertikale Griffe und Möbel, welche die gerade Formensprache der Sanitärkeramik unterstreichen: Für die ergänzende Möbelkollektion zur Keramikserie «Vero» von der deutschen Duravit AG gab es 2014 den «Red Dot: Best of the Best». Wiederkehrende Materialdicken und Abmessungen zeichnen das kubische Erscheinungsbild aus. Praktisch und dennoch in entspannter Atmosphäre sollte sich das Bad präsentieren, so die Vorgaben des Designers Kurt Merki junior. Als Sohn einer ghanaischen Modedesignerin und eines Schweizer Schreinermeisters sucht er im Design die Balance beider Kulturen. Der Entwurf folgt der Idee einer intelligenten Raumnutzung. In Zeiten knapper Wohnräume müsse das Bad mit anderen Räumen kombinierbar sein, sagt der ausgebildete Schreiner, der seit 2010 in Zürich ein Design-Studio für Innenarchitektur und Produktdesign führt.

www.duravit.ch

Enge Radien, dünne Wände

Die Keramik Laufen AG hat den neuartigen Werkstoff Saphir-Keramik entwickelt, der bisher ungeahnte Entwurfsmöglichkeiten zulässt. Die Keramik verfügt über eine aussergewöhnliche Härte und eine höhere Biegefestigkeit als das herkömmliche Material. Dadurch sind eng definierte Radien und Kanten genauso wie dünne Wandungen möglich. Unter anderem entstand in Zusammenarbeit mit dem italienischen Unternehmen Kartell und dem Designerpaar Ludovica und Roberto Palomba die Badkollektion «Kartell by Laufen» mit filigranen Waschtischen aus Saphir-Keramik. Das Badkonzept umfasst zudem Sanitäranlagen, Armaturen, Möbel, Dusch- und Badewannen, Beleuchtung und Accessoires. Mit dem Polykarbonat der jüngsten Generation kam auch für die Möbel ein aussergewöhnliches Material zum Einsatz. «Innovativ, reich an Emotionen, Transparenz und Farben», so beschreiben die Palombas ihre Arbeit. Ihre Philosophie liegt in der Verschmelzung männlicher und weiblicher Formen.

www.laufen.ch

Weg von der Wand

Ein Schrankprogramm für Badezimmer und mehr: Das verspricht das Raumkonzept «rc40» der deutschen Badmöbelherstellerin Burgbad AG. Das System ermöglicht eine Entkopplung von herkömmli- chen Zu- und Abwasserläufen. So sind Dusche, Toilette und Wanne frei im Raum platzierbar, und je nach Bedarf kann Stauraum geschaffen werden. Das wandhohe Paneelsystem bietet eine breite Palette an integrierbaren Modulen vom Waschtisch bis hin zum Spiegel, vom Fachboden bis zur Konsole. Das Konzept stammt aus der Feder des Büros Nexus product design von Kai Uetrecht und Ulli Finkeldey. Ihnen geht es darum, «den Raum körperlich erfahrbar zu machen». Sie suchten nach praktikablen Lösungen und schufen ein individuell konfigurierbares Modulsystem, mit dem auch der Planer ein kreatives Tool in die Hand bekomme. Ein vielfältiges Angebot an Oberflächen von Holz bis Farblack ergänzt das System.

www.burgbad.com

Wie Drehbuchschreiben

Beim Entwurf müsse er nicht nur die späteren Nutzer, sondern auch die architektonischen Räume mitdenken, sagt Michael Schmidt des deutschen Studios Code2design. So umfassend sind nur wenige Gestaltungsaufgaben. «Mein Leitmotiv bei ‹Handmade› von Falper war es, Produkte zu gestalten, die wie handgemacht aussehen und aus einer kleinen, aber feinen Manufaktur kommen.» Entwerfen sei wie Drehbuchschreiben. Dabei stellt sich Schmidt die Menschen vor, für die seine Produkte bestimmt sind, malt sich ihre Gewohnheiten aus und überlegt, welche Geschichte er dazu erzählen möchte. Für den italienischen Badmöbelhersteller Falper entwarf er mehrere Serien wie auch für die Keramag Keramische Werke GmbH in Deutschland.

www.falper.it

Optimierung in Stahl und Email

In Stahl und Email sind die Fertigungsverfahren eingeschränkt. Doch genau darin besteht für Designer Dominik Tesseraux der gestalterische Reiz, sein Produkt zu verbessern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Duschwanne «Floor» der Firma Wilhelm Schmidlin, die bodenebenes Duschen ermöglicht. «Die ‹lästige› Dichtungsfuge ist nahezu eliminiert, und das Produkt passt sich deutlich besser in den Bodenbelag ein», sagt Tesseraux. Am Anfang einer Gestaltungsaufgabe stehe immer die Frage nach dem Warum. Ziel des in Potsdam wohnhaften Designers ist es, neue Produkte mit echtem Sinn, technischer Raffinesse und einem hohen Mass an ästhetischem Mehrwert zu schaffen. Wegbereitend war nach eigenen Angaben seine Schreinerlehre nach dem Schulabschluss. «Der Umgang mit Werkstoffen und deren Bearbeitung hat mich geprägt. Das Wechselspiel aus Grenzen und Chancen war und ist eine interessante Erfahrung.» Schmidlin, der Schweizer Hersteller für Badprodukte in Stahl-Email, ist Partner der deutschen Firma Bette im Bereich Produktentwicklung. Schmidlin empfiehlt Badewannen und Duschwannen mit hauseigenen Zargen, um die schmutzanfällige Dichtungsfuge zu vermeiden. Bei der Planung und Montage im Holzbau sind die Dichtigkeit und der Schallschutz besonders wichtig. Bezüglich Schallschutz stellt der Hersteller Montagesysteme bereit, die den erhöhten Anforderungen an die Schallschutznorm im Hochbau Rechnung tragen. Neben der bündigen Verbauung der Wannen ist auch die frei stehende Variante möglich.

www.schmidlin.ch

MZ

Veröffentlichung: 05. März 2015 / Ausgabe 10/2015

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