Ohne Rechnungswesen keine Chance

Es geht wieder aufwärts: Nicht zuletzt dank einem zeitge-mässen Maschinenpark konnte die Gastro Line’s endlich Gewinne einfahren. Doch der Investitionsbedarf war hoch. Bild: Gastro Line’s AG

Konkurs.  Nicht immer bedeutet das Ende auch ein Anfang. Doch im Fall der Schreinerei Gastro Line’s AG in Kriens war es so. Das Unternehmen wagte 2002 den Neustart aus dem Konkurs. Dank einer leistungsstarken Software, unzähligen Gesprächen und viel Risikofreude gelang die Wende.

Herr Giger, Sie waren Betriebsleiter bei der Vorgängerschreinerei, die 2002 Konkurs anmelden musste. Wie kam es zur Idee eines Neustarts?
Der Impuls kam von einem unserer damaligen Lernenden. Er bedauerte das bevorstehende Ende, weil er das Team und den Betrieb super fand. Sein Vater war Hauptinvestor und bereit, mit einem entsprechenden Konzept nochmals zu investieren. Das fuhr wie ein Ruck durch die Belegschaft. Wir alle hatten erstmal einen Riesenrespekt angesichts der damit verbundenen Aufgaben und Risiken. Doch ein Funke war entfacht.
Wie war die Ausgangslage?
Mir oblag seinerzeit die technische Führung und ich hatte keine Einsicht in die Bücher. Ich kannte aber den Betrieb bereits seit Ende der Achtzigerjahre, als ich dort als Werkstattchef tätig war. Im Jahr 2001 stieg ich dann als Betriebsleiter wieder ein, mit meiner inzwischen bei der Schreinerei Küng AG erworbenen Berufserfahrung.
Bald wurden die Zahlungsforderungen vieler Gläubiger unüberhörbar, und es stellte sich heraus, dass Rechnungen nicht bezahlt oder erst gar nicht gestellt wurden. Hinzu kam ein 20 Jahre alter Maschinenpark und qualitativ mangelhafte Produkte. Es fehlte also sowohl an funktionierenden betriebswirtschaftlichen Organisationsstrukturen wie auch an der maschinellen Infrastruktur.
Wer war die treibende Kraft, trotz der Misere, das Wagnis einzugehen?
Es wirkten viele Kräfte zusammen. Wir hatten eine gute Auslastung und unsere Kunden ermunterten uns, weiterzumachen. Zudem überzeugte unser tolles Team. Es arbei-tete sogar während der Übergangsphase von zwei Wochen mit dem Wissen, dass der Neustart missglücken könnte und keine Ge-hälter gezahlt werden könnten. Das Wichtigste war aber, dass die Kadermitarbeiter und unser Investor bereit waren, das Risiko eines Neustarts auf sich zu nehmen.
Welche Schritte waren notwendig?

Es brauchte ein Massnahmenpaket. Vorgängig mussten wir die Geschäftssituation mithilfe eines externen Beraters analysieren. Dafür stand uns der Berater Josef Föhn zur Seite. Das Konkursamt beauftragte uns, die vorhandenen Werte zu inventarisieren. Wei-ter mussten die Mitarbeiter- und die Führungsfrage geklärt werden. Wir konnten alle 20 Mitarbeiter übernehmen. Vor der Führung hatte ich riesigen Respekt, denn die Aufgabe war neu, sehr komplex und die Verantwortung gross. Ich wusste auch vom bisherigen Geschäftsinhaber, dass er seine Tätigkeit ernst genommen hatte – und dennoch Konkurs ging. Schliesslich überzeugten mich die Aktionäre und die volle Rückendeckung meiner Frau Renate.

Und wie wurde die Finanzierungsfrage gemeistert?
Die Klärung des kurz- wie auch langfristigen Mittelbedarfs war ein weiterer wichtiger Meilenstein und schwer überschaubar. Hier, wie auch in anderen Punkten, kam uns die Software «Master Easy» des VSSM Luzern zuhilfe, die Josef Föhn uns vorstellte. Wir konnten damit berechnen, welche Wertschöpfung wir generieren mussten. Dieses System ermöglichte uns ausserdem die Budgetierung, die Liquiditäts- und Umsatzplanung, den Einsatz der Mitarbeiter und nicht zuletzt das monatliche Finanz-Controlling. Dieses Tool verwende ich zusammen mit Urs Scherer von der Tre Innova AG für die jährliche Budgetierung, denn mir ist klar geworden: Es ist zu spät, erst am Jahresende aufs Konto zu schauen.
Sie halten Controlling also für den Dreh- und Angelpunkt des Wirtschaftens?
Ja. Ein korrektes Rechnungswesen ist das A und O der Betriebsführung. Und es braucht sinnvolle Organisationsstrukturen. So werden Schieflagen frühzeitig erkannt und man kann eher gegensteuern. Ausserdem überzeugte unsere durchdachte Finanzplanung auch das Konkursamt. Sie war ein Grundstein des Übernahmekonzeptes. Und es ist leichter, nach aussen zu argumentieren, wenn man den Mittelfluss in seinem Betrieb kennt.
Gab es auch Überlegungen hinsichtlich der Produktionsstrategie?
Dies war der letzte Punkt unseres Massnahmenpakets. Allerdings entschieden wir uns, bei den Gastro-Einrichtungen als einzigem Standbein zu bleiben. So ergab sich auch unser neuer Firmenname. Später stellte sich die Konzentration auf ein Produkt als Fehler heraus. Leider passieren sie trotz weitreichender Überlegungen immer mal wieder. Entscheidend ist, sie rechtzeitig zu erkennen und Alternativen zu finden. Inzwischen haben wir mit dem Innenausbau ein zusätzliches Standbein geschaffen und die Bereiche Privatkundschaft und Ladenbau erweitert.
Welche Probleme entstanden, obwohl die Sachlage vorher durchdacht war?
Wir übernahmen einen Aussendienstmitarbeiter, der als reiner Verkäufer keine Wertschöpfung erbrachte. Das hatten wir bei der Betriebsanalyse unterschätzt. Erst nach einigen Jahren wurde deutlich, dass er für unsere Betriebsgrösse untragbar war. Seine Entlassung war eine harte, aber wegweisende Entscheidung.
Welche Hürden stellten sich ausserdem in den Weg?
Planung ist nicht alles. Es folgten viele persönliche Gespräche. Die grössten Hürden waren uneinsichtige Lieferanten, welche nicht an unser Konzept glaubten oder mit der Vorgängerfirma grosse offene Rechnungen hatten. Es gab auch einzelne Mitbewerber, welche bei Kunden negativ über unseren Neustart sprachen. Doch ich musste die Gläubiger informieren. Viele reagierten abweisend. Das ist nachvollziehbar, aber die Verantwortung für unsere Mitarbeiter blieb dennoch bestehen.
Wie konnten Sie die Gläubiger doch überzeugen?
Ich musste die Dinge beim Namen nennen. ‹Jeden unserer Mitarbeiter trifft eine Entlassung stärker als Ihr Unternehmen die ausstehenden Forderungen›, redete ich einem grossen Gläubiger ins Gewissen. Er hat sich tatsächlich nach Bedenkzeit zurückgemeldet. Inzwischen arbeiten wir partnerschaftlich zusammen. Er übernimmt für uns Aufträge im Bereich Chromstahl, wir fertigen Aufträge in Holz für ihn. Diese Erfahrung bestätigt sich immer mal wieder. Wenn es eng wird, also Lieferungen nicht termingerecht erfolgen können oder Rechnungen nicht bezahlt werden, dann braucht es einmal ein unangenehmes Telefonat. Das ist oft nervenaufreibend, aber meist lohnend.
Welche Geldgeber konnten Sie gewinnen?
Der eingangs erwähnte Hauptinvestor gab uns ein Startdarlehen. Und unsere sechs weiteren Aktionäre unterstützten uns stark. Die Banken waren nicht bereit, uns Geld zu geben. Dadurch sind wir grösstenteils bankenunabhängig, worüber ich rückblickend sehr froh bin. In den ersten fünf, sechs Jahren dagegen war es finanziell sehr schwierig und wir waren mehrmals hart an der Grenze. Der Grund lag im hohen Investi- tionsbedarf für Maschinen.
Wie finanzierten Sie die Maschinen?
Die Anschaffungen der CNC-Maschine, Kantenanleimmaschine und der Zuschnittfräse erfolgte noch im Vorgängerbetrieb über ein Leasing. Tischkreissägen, Hobelmaschinen und weitere Maschinen konnten wir allmählich aus Eigenmitteln finanzieren. Doch ohne die Maschinen, insbesondere die CNC, wäre es meines Erachtens nicht aufwärts gegangen.

Neustart aus Konkurs

Mit vereinten Kräften

Bruno Giger ist seit 2002 Geschäftsführer der Gastro Line’s AG in Kriens. Der Betrieb ging aus dem Konkurs der Vorgängerschreinerei hervor. Die Betriebsanalyse ergab Mängel in der Organisation, vor allem punkto Rechnungswesen und Controlling sowie einen hohen Investitionsbedarf in Sachen Maschinen. Giger und sein Team schnürten ein Bündel an Massnahmen für den Neustart. Unterstützt wurden sie dabei durch den Berater Josef Föhn von der Borm Gruppe AG. Dank dem risikofreudigen Einsatz der Mitarbeiter wie auch der Aktionäre konnten die nötige Arbeitskraft sowie die Finanzen für den Neustart aufgetrieben werden. Heute beschäftigt der Betrieb 18 Mitarbeiter im Bereich Gastro-, Laden- und Innenausbau.

www.gastrolines.ch

MZ

Veröffentlichung: 12. September 2013 / Ausgabe 37/2013

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