Parkettherstellung im 18. Jahrhundert

Bei der Herstellung von 220 masshaltigen Parketttafeln erforder-ten die unterschied-lichen Materialstärken viel Handarbeit und Geschick. Bilder: Peter Egloff

Restaurierung.  Planung, Herstellung und Montage des Versailler-Parketts im ehemaligen Kloster St. Urban im Kanton Luzern waren im 18. Jahrhundert eine grosse Herausforderung. Umso beeindruckender ist, wie exakt und hochwertig die ganze Konstruktion umgesetzt wurde.

Aus heutiger Sicht lässt sich der lange Enstehungsprozess des Festsaales im ehemaligen Kloster St. Urban nur noch schwer nachvollziehen. Der Festsaal wurde 1749 nach 25 Jahren Schattendasein vollendet. Da im 18. Jahrhundert Arbeitsabläufe üblicherweise nicht oder nur unzulänglich dokumentiert wurden, können nur noch anhand von Kostenvoranschlägen, Verträgen und Rechnungen Hinweise auf die ausgeführten Arbeiten abgeleitet werden.

Leider sind solche quellenkundigen Angaben über dieses Tafelparkett nicht vorhanden. Einige Einzelheiten lassen sich teilweise dennoch an den gesichteten Details und Befunden ablesen. Sie erzählen die spannende Geschichte über die Entstehung dieses hochwertigen Fussbodens.

Entwurf und Planung

Im 18. Jahrhundert war die Arbeitsweise oft gemeinschaftlich organisiert. Ein Architekt und verschiedene Handwerker – diese galten damals auch als Künstler – waren in enger Zusammenarbeit an der Entstehung solcher raumgebundener Ausstattungen beteiligt. Deshalb lässt sich die Frage, wer für den Entwurf dieses Tafelparketts verantwortlich war, nur schwer beantworten.

Da die Wandflächen und die Stuckdecke im Festsaal bereits im Voraus fertiggestellt wurden, ist anzunehmen, dass der leitende Architekt die Fussbodengestaltung prägte. In jedem Fall musste der Entwerfer Kenntnis über diese Bauart des französischen Tafelparketts besitzen.

Da dieses Tafelparkett aus dem Jahr 1749 mit einem Rapportmuster nach Versailler Art ein sehr früher Zeitzeuge der klassizistischen Fussbodengestaltung darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass der Entwurf von der Bauherrschaft und dem Architekten massgeblich geprägt wurde. Die Rapporteinteilung wurde individuell auf diesen Raum abgestimmt. Das heisst, die Abmessungen der Parketttafel von 118 × 118 cm stimmte man exakt auf die Masse der Bodenfläche ab.

Für die Herstellung bedeutet dies, dass eine Parketttafel gezeichnet wurde, nach der sich dann die Gesellen und Lehrlinge zu richten hatten. Im Festsaal wurden 220 solcher gleicher, masshaltigen Parketttafeln angefertigt. Die Wandanschlussdetails und Kaminumrahmungen erforderten eine noch intensivere Planungsarbeit. Diese Anschlussbauteile weisen die gleichen Rapportmuster auf, welche bei den einzelnen Tafeln verwendet wurden.

Die Handwerker

Um diese Arbeit auszuführen, brauchte es gut ausgebildete und fähige Handwerker, die in der Herstellung von Tafelparkett nach französischer Art bewandert waren. In Deutschland gibt es im Meisterbuch der Potsdamer Tischler Hinweise, welche Tischler bezeichnen, die mit der Anfertigung von Fussböden für die Stadtschlösser betraut wurden. Anhand dieser Aufzeichnungen ist anzunehmen, dass die Kunstschreiner, wie es sie in dieser Zeit in Luzern, Beromünster und Bern gab, befähigt waren, solche Tafelparkette herzustellen. Um den Auftrag erfolgreich auszuführen, muss der zeitliche Druck enorm gewesen sein. Die Grösse dieses Herstellungsbetriebes, die Anzahl Meister, Gesellen, Lehrlinge und Handlanger lässt sich allerdings nicht mehr rekonstruieren.

Verwendete Materialien

Das Rohmaterial – Bretter und Nutzhöl- zer – wurde vermutlich durch das klösterliche Baumagazin zur Verfügung gestellt. Da man viel Zeit für die Vorbereitung hatte, konnte wohl der ganze Holzbedarf aus heimischen Wäldern gedeckt werden. Das Bauholz, vorwiegend Balken und Bretter, wurde für die Unterkonstruktion – den sogenannten Blindboden – verwendet. Das Eichen- und Tannenholz, welches eine höhere Qualität aufweist, musste in ausreichender Menge vorhanden sein.

In der wahrscheinlich klostereigenen Sägemühle wurden die Bretter auf die notwendige Stärke gesägt und anschliessend auf dem Holzplatz gelagert und getrocknet. Die Schreiner fertigten dann aus der angelieferten Brettware die erforderlichen Parketttafeln an. Um eine solche Parkettfläche von 350 m2 herzustellen, war also eine riesige Menge an Rohmaterial nötig.

Neben den unterschiedlichen Hölzern benötigte man noch eine Vielzahl weiterer Materialien, um diese Schreinerarbeit fertigen zu können. Abgesehen von Leim kamen noch verschiedene Nägel zum Einsatz. Die sogenannten Brett- oder Bodenspicker wurden von den Nagelschmieden angefertigt.

Blindboden und Aufkeilung

Um die Parketttafel nachhaltig zu verlegen, benötigt es eine ebene und tragfähige Unterkonstruktion. Diese Unterkonstruktion, der sogenannte Blind- oder Bretterboden, besteht aus 30 mm starken Fichtenbrettern. Die Fichtenbretter wurden auf der Sichtseite gehobelt und dienten rund 25 Jahre als sichtbare und begehbare Nutzschicht. Diese belaufenen Bretter wurden vor dem Verlegen der Parketttafeln nochmals demontiert und die in der Zwischenzeit abgesenkte Balkenlage mit einer Aufkeilung korrigiert. Ein weiterer Beweis für die Hochwertigkeit dieses Bodens und die damalige Baukunst.

Parketttafeln im Detail

Beim Fussboden im Festsaal handelt es sich um ein diagonal verlegtes Versailler-Parkett, bestehend aus Eichenfriesen und Füllungen aus Fichte. Die quadratischen Tafelelemente weisen eine Grösse von 118 × 118 cm auf. Die Materialstärke ist sehr unterschiedlich und reicht von 15 bis 36 mm. Die Eichenfriese sind längsseitig genutet. Stirnseitig sind bei allen Eichenfriesen Zapfenverbindungen angearbeitet, welche mit durchgehenden Holznägeln zusammengehalten werden.

Diese Zapfenverbindungen sind zusätzlich mit einem Gemisch von Haut-/Knochenleim verklebt. An den diagonal eingelegten Fichtentafeln ist allseitig ein Kamm angearbeitet. Die Tafeln werden durch diese Nut-/Kamm-Verbindung zwischen den Friesen gehalten. Die einzelnen Tafelelemente sind untereinander mit einer Nut- und Fremdfederverbindung zusammengefügt.

Bei der Restaurierung stellten die erwähnten unterschiedlichen Materialstärken eine herausfordernde Aufgabe dar. Es zeigt, dass das ursprünglich angelieferte Material unterschiedliche gesägte Brettstärken aufwies, welche die Schreiner zu bearbeiten hatten. Durch aufwendige Säge- und Hobelarbeiten mit Handwerkzeug wurden die masshaltigen Bauteile angefertigt, welche dann zu den einzelnen Parketttafeln zusammengefügt wurden. Die Herstellung der Zapfen- und Nutverbindungen erfolgte mit Holzbohrer, Stemmeisen und Sägen. Die fertige Parketttafel musste an der Bauteiloberfläche kaum noch nachbearbeitet werden und war verlegebereit.

Verlegung und Montage

Seit dem späten 17. Jahrhundert, als man dazu übergegangen war, repräsentative Innenräume mit Tafelparkett zu versehen, entwickelten sich gewisse Regeln und Systeme, die der Verlegung des Parketts zugrunde lagen. Von grosser Bedeutung erwies sich dabei die Anordnung und Ausrichtung der diagonal zur Wand verlegten Tafel, die als optische Linie und Wegführung zur Inszenierung und Raumwirkung beitrug. Das Zentrum einer Tafelreihe musste mit der Mittellinie der Türabfolge und dem Kamin als Bezugspunkt exakt übereinstimmen.

Der Verlegestart erfolgte mit der raummittigen, diagonalen Tafelachse – dieses Verfahren wurde übrigens von den heutigen Restauratoren ebenfalls wieder angewendet. Die ausgerichteten Tafeln wurden mit den handgeschmiedeten Eisennägeln sichtbar auf dem Blindboden befestigt. Nachdem die gesamte Fläche beschlagen und durch einen umlaufenden Rahmenfries mit Füllungseinlagen abgeschlossen war, erfolgte das Schlichten und Glätten der Holzoberfläche.

Oberfläche

Das Glätten mit dem Putzhobel und Abziehen mit der Ziehklinge war wohl eine der anstrengendsten Arbeiten innerhalb des Fertigungsprozesses. Die grosse Fläche erforderte mehrere Gesellen, welche einige Tage damit beschäftigt gewesen sein dürften. Nach diesem Ausebnen im Feinbereich konnte mit dem Oberflächenaufbau gestartet werden. Mit dem abschliessenden Veredelungsverfahren erreichte man ein besseres Aussehen und eine höhere Widerstandskraft der Bauteilfläche.

Bei Weichholzböden war es üblich, die Bauteiloberfläche mit einer Leimlösche zu grundieren. Diese Leimlösche erhielt oftmals auch eine gezielte Einfärbung mit lichtechten Pigmenten. Somit wurden die hellen und teilweise unregelmässigen Stellen des Nadelholzes ausgeglichen und vereinheitlichten somit das Erscheinungsbild. Anschliessend erfolgte ein kalter Anstrich mit einem Leinölfirnis, der ebenfalls mit Pigmenten eingefärbt war. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Eichen- und Tannenholz mit unterschiedlichen Lasuren eingefärbt wurde. Zum Schluss erfolgte das Einreiben und Polieren der Tafelparkettoberfläche mit geschmolzenem oder gelöstem Bienenwachs unter Zusätzen von Harzen. Die Handwerker polierten die Oberfläche von Hand mit Flanelllappen oder mit Bürstenschuhen.

Auswertung

Der Blick in die vergangenen Zeitschichten zeigt, wie vielschichtig sich die Fertigung eines Tafelparketts zur damaligen Zeit darstellte. Von der Planung über die Bereitstellung des Rohmaterials und der Herstellung der Parketttafeln durch Kunsthandwerker bis zur glänzenden Oberfläche – die Herstellung des bis heute grössten Versailler-Parketts der Schweiz lag mit Sicherheit nicht nur in einer Hand, sondern war das Produkt einer gemeinschaftlichen Zusammenarbeit.

www.p-egloff.chwww.bboog.chwww.st-urban.chwww.da.lu.ch

Verschiedene Informationen stammen aus dem Buch «Königliches Parkett in preussischen Schlössern», Michael Imhof Verlag 2010.

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Veröffentlichung: 14. Mai 2015 / Ausgabe 20/2015

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