Reaktionen garantiert

Holz, das sonst nicht mehr zu verwenden wäre, findet ein neues Dasein durch das Eingiessen in Epoxidharz. Bild: Erich Weiss

Kunstharzgiessen.  Sie sind ein Hingucker. Arbeiten mit Epoxidharz und besonderen Hölzern begeistern. Besonders häufig werden Tischplatten so ausgeführt. Das ist allerdings längst nicht so einfach, wie man meinen könnte.

Wann immer Schreiner Erich Weiss aus Zug einen Tisch an einer Ausstellung zeigt, ist das Staunen nicht weit. Ob das denn echtes Holz sei, was da aus seiner Werkstatt komme, werde er gefragt. «Die Leute sind fasziniert vom Anblick der speziellen Hölzer, haben vorher noch nie die Markstrahlen vom Querschnitt eines Kirschbaumholzes gesehen», erzählt Weiss. Eingebettet ist das Holz in Epoxidharz, was den Verdacht der Konsumenten wohl nährt, es handle sich dabei gar nicht um echtes Holz.

Vor dem Feuer gerettet

Angefangen hatte alles mit einer Schneeschuhwanderung am Zugerberg. Da lag er dann, ein Kirschbaumstamm mit fast 80 Zentimetern Durchmesser. Der Greis mit stattlichem Alter war im Inneren durch Fäulnis längst hohl und wartete nur noch darauf, kleingehackt im Brennholzstapel des Eigentümers zu landen. Erich Weiss kaufte dem Bauern das besondere Stück ab. Dann kam der in Stücke gesägte Stamm auf die Blockbandsäge und die Scheiben, besser gesagt die Ringe, trockneten sauber gestapelt sodann in seiner Werkstatt.

Das war vor etwa sechs Jahren. Inzwischen sind aus dem Holz mit weissem Harz gegossene Tischplatten entstanden, die gefallen. Die erste der Platten hatte bereits funktioniert. Das ist längst nicht immer so, wie manch Schreiner aus eigener, leidvoller Erfahrung weiss. «Ich hatte vorher mit kleinen Stücken einiges probiert, und aus meiner Erfahrung vom Bootsbau kannte ich die Epoxidharze zuvor schon», sagt Weiss. Wer keine Erfahrung hat, für den kann der Weg zur perfekten Tischplatte mit Holz und Harz ziemlich lang sein. Kleine Giessarbeiten auszuführen, ist einfach. Sogar an der Migros- Klubschule können Laien in Kursen lernen, wie das geht. Spannend wird es, wenn die Stücke gross sind, die Menge an Harz beachtlich und das Ergebnis nicht dem Zufall überlassen sein soll.

So einfach reingiessen geht nicht

«Wer meint, er könne einfach mal einen Rivertable giessen, sollte es besser sein lassen», rät Schreiner Johannes Fehr. Auch er hat inzwischen viele Jahre Erfahrung mit dem Giessen in seiner Werkstatt in Rafz ZH gesammelt. So mancher der erwähnten Rivertable ist inzwischen unter Fehrs Label Blackwoodsteel entstanden, bei dem das oft blaue Harz von wenigstens zwei Holzfriesen mit Baumkante eingebettet wird. Das Harz wirkt dann, als ob es ein Fluss im Holz sei. Das Ganze fasziniert Schreiner und deren Kundschaft gleichermassen. So mancher Kollege ist jedoch durchaus überrascht, wenn ein Tisch völlig daneben geht. Auf dem Videokanal Youtube gibt es viele Beispiele und Anleitungen, wie Kunstharzgiessen gehen soll. In den filmischen Dokumentationen, meist aus den USA, wo solche Arbeiten hoch im Kurs stehen, sieht alles meist ganz einfach aus. «Die Filme zeigen einfach nicht alles. Wichtige Tipps und Tricks fehlen dann meist», weiss Fehr.

Das Zauberwort heisst Exothermie. Die Moleküle der beiden Komponenten Härter und Harz verbinden sich und setzen dabei Energie frei. Bei kleinen Stücken kein Problem, bei einem Tisch mit 60 Litern Harz durchaus. «Ein grosses Stück kann schnell aufkochen. Es dampft dann wirklich, wird schnell hart und am Ende zerreisst es das Ganze», sagt Fehr. Auch ihm ist es bei der ersten Tischplatte so ergangen.

Besser im Winter als im Sommer

Bevor man 60 Liter Harz in die Schablone giessen kann, müssen alle Parameter stimmen. Die verschiedenen Produkte an Harzen haben durchaus unterschiedliche Eigenschaften. Mit manchen Harzen können elf Zentimeter Schichthöhe in einem Guss ausgeführt werden. Doch Vorsicht: «Solche Angaben sind auf einen gewissen Durchmesser gerechnet, den man bei einem Tisch immer überschreitet», sagt Fehr.

Auch Luftfeuchtigkeit und Temperatur sollten im idealen Rahmen liegen. Schliesslich sollte auch die Temperatur des Epoxidharzes selbst stimmen. Eine vorhergehende Akklimatisierung ist sinnvoll. Die Angaben der technischen Merkblätter und die Verarbeitungshinweise genau zu studieren und einzuhalten, ist dringend geraten.

«Im Winter sind die Gegebenheiten im Raum grundsätzlich geeigneter als im Sommer», sagt Fehr. Und er verrät auch: Müssen einzelne, dünne Schichten gegossen werden, sei dies an der Kante stets sichtbar, egal wie gut man diese am Ende poliere. Eine Tischplatte giessen Fehr und Weiss deshalb in einem Zug. Harze, mit denen man ein fünf oder sechs Zentimeter dickes Tischblatt giessen könne, gebe es am Markt. Bis so ein Stück wirklich durchgetrocknet sei, vergingen allerdings durchaus vier Wochen, so Fehr.

Reaktives Eigenleben

Überhaupt sei der Faktor Zeit wichtig für ein Stück mit Farbpigmenten wie ein Rivertable. Es ist ein wenig wie beim Kochen. Besser man schaut häufiger danach oder bleibt dabei. Die offene Zeit des Harzes ist entscheidend. Wenn diese länger ist, spricht man von niedrig reaktiven Harzen. Vorteil ist, dass die Reaktionen gemächlich ablaufen und die Gefahr geringer ist, dass etwas gänzlich schief geht. Das Harz, das Fehr üblicherweise einsetzt, hat eine offene Zeit von 16 Stunden. «Unter Umständen, muss ich mir dann schon auch mal den Wecker stellen, um eine gewünschte Textur nachzuziehen», erzählt Fehr. Ein Problem dabei sind die eigenen Strömungen, die das Harz durch die chemische Reaktionen bildet. Kommen Farbpigmente mit ins Spiel mit einer Marmorierung im Harz, ist dieses Bild nach einer Stunde verändert oder gar verschwunden. Ein eher zähflüssiges Harz hilft dabei, diesen Effekt des selbsttätigen Vermischens zu reduzieren. Es gibt auch solche Epoxidharze, die flüssig sind wie Wasser. «Wenn man allerdings über die offene Zeit hinaus im Harz herumrührt, kommen Luftblasen rein, die man dann nicht mehr beseitigen kann», sagt Fehr. Ein Profi könne nahe an das gewünschte Ergebnis kommen, ganz treffe man es jedoch nicht. Die Arbeit mit Farbpigmenten und Marmorierung ist immer wieder ein neues Spiel und das Ergebnis am Ende ein Unikat.

Glanz und Gloria

In Epoxidharz eingegossen wird inzwischen ziemlich alles, was mehr oder weniger geeignet ist. So manches Stück landet dabei auch jenseits der ästhetischen Schmerzgrenze. Holz zu verwenden, das sonst nicht zu verwenden wäre, stand für Weiss im Zentrum der Überlegung mit der Entdeckung des Kirschbaumes. Wildes, fehlerhaftes und sogar dahingehendes Holz lässt sich so einsetzen und auch bewahren. Eigenheit und Schönheit des nicht perfekten Holzes werden durch das Harz hervorgehoben. «Es darf einfach nicht das Harz im Vordergrund stehen, sondern das Holz. Dann ist es eine Verbesserung, auch wenn man viel Kunststoff dazu gibt», erklärt Weiss. Kommen dabei weiche Hölzer zum Einsatz, ist es ratsam, auch die Oberfläche mit einer Schicht Epoxidharz auszuführen. Das Harz ist hart und schützt das Holz so vor Beschädigungen.

In die Tiefe des Harzes

Generell gibt es für die Oberflächenbehandlung viele Möglichkeiten. Auch eine Behandlung mit Öl ist möglich. Es kommt ganz darauf an, welche Wirkung erzielt werden soll. Weiss verwendet für weisses und schwarzes Harz einen matten Lack, damit dieses nicht so glänzt. Wer in die Tiefe des Harzes blicken möchte, kommt um die hochglänzende Oberfläche nicht herum. Steuern kann man den Glanzgrad auch über den letzten Schliff. Wer auf feinste Körnung und das Polieren verzichtet, sieht nur beim Abwischen des Tisches mit dem feuchten Lappen in die Tiefe. Durchgehend matt lasse sich das Harz über die Zugabe eines kleinen Farbtupfers einstellen, sagt Fehr. Zwar enthalten die meisten Produkte heute einen Vergilbungsschutz, doch über längere Zeit verändert sich etwa ein weisses Epoxidharz halt doch, so die Beobachtung von Erich Weiss.

Am Ende geht es ums Geld

Als eigentliches Aha-Erlebnis bezeichnet Weiss aber den Endpreis einer solchen Arbeit. Der Aufwand, bis das Holz parat und die Giessschablone gerichtet ist, sei gross. Vor allem aber sollte der Kostenfaktor Harz nicht unterschätzt werden. «Ich habe viele Anfragen für die Tische, doch am Ende ist es vielen Leuten dann doch zu teuer», sagt Weiss. Wenn man nur das untere Preisniveau eines Liters Harz mit 20 Franken annimmt, landet man bei 60 Litern schon bei 1200 Franken. Und das nur für das Harz einer Tischplatte.

Da möchte man nicht unbedingt wegen eines Fehlversuches am Ende alles entsorgen müssen. Anfragen von Kollegen für Unterstützung bei grösseren Giessarbeiten erhalten Weiss und Fehr deshalb öfter. Wer genauer rechnet, kommt am Ende auf einen Preis ab 6000 Franken für einen Tisch. Zur Vorsicht rät Fehr bei günstigen Angeboten aus dem Internet. «Es kann sich dabei um ein billiges Epoxidharz handeln, das noch lange riechen kann», weiss Fehr. Manchmal stammen solche Tische auch aus einer schnellen Produktion. Das Harz kann sich dann noch bewegen, ist nicht richtig ausgehärtet und sorgt dann nicht nur bei der Kundschaft für Verdruss.

www.weiss-schreiner.chwww.weiss-design.chwww.blackwoodsteel.ch

Hochwertig, aber Kostspielig

Auch Bio-Harze sind erhältlich

Die Produktpalette an Epoxidharzen (EP-Harze), die sich zum Giessen eignen, ist inzwischen recht umfänglich. Die Formulierungen der EP-Harze können sehr unterschiedlich sein, entsprechend ihrer vielfältigen Einsatzbereiche. Bio-Harze, die zum Teil aus pflanzlichen Grundstoffen hergestellt werden, sind erhältlich. Der Bio-Anteil schwankt, liegt aber stets unter 50 Prozent. EP-Harze sind nicht wiederverwertbar.

Nach der Aushärtung haben EP-Harze gute mechanische Eigenschaften sowie eine hohe Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit. Es sind hochwertige und auch teure Kunststoffe. Die Topfzeiten liegen zwischen wenigen Minuten und vielen Stunden. Wichtig: Die Angabe der Topfzeit gilt, bezogen auf 100 g Harz und Härter, bei 20 °C. Je grösser die Menge, desto höher die Temperaturentwicklung durch die chemische Reaktion und desto kürzer die offene Zeit.

Der deutsche Chemiker Paul Schlack (1897 bis 1987) und sein Genfer Kollege Pierre Castan (1899 bis 1985) sind Pioniere auf dem Gebiet der Epoxidharze. Castan liess in den 1940er-Jahren einen Epoxidklebstoff patentieren, der später als Araldit auf den Markt kam.

Neue Kurstermine

Grundlagen Epoxidharz-Giessen

Wie Epoxidharz verarbeitet wird, können Schreinerinnen und Schreiner in einem zweiteiligen Praxiskurs beim Verband Luzerner Schreiner in Rothenburg lernen. Auch in diesem Jahr gibt es wieder vier Kurse:

  • Mittwoch, 9. Februar (ganztägig), und Mittwoch, 16. Februar (nachmittags)
  • Dienstag, 19. April (ganztägig), und Montag, 25. April (nachmittags)
  • Montag, 20. Juni (ganztägig), und Montag, 27. Juni (nachmittags)
  • Montag, 12. September (ganztägig), und Montag, 19. September (nachmittags).
www.luzerner-schreiner.ch

Christian Härtel, CH

Veröffentlichung: 13. Januar 2022 / Ausgabe 1-2/2022

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