Rückbesinnung

Wie ein grosses Sideboard mit Spülbecken und Glaskeramikherd wirkt der Küchenkorpus beim Modell «Dinesen» der dänischen Firma Garde Hvalsøe A/S. Bild: By Nordic Hands GmbH

Abdeckungen.  Massivholz für Arbeitsflächen in der Küche weckt auf den ersten Blick nicht gerade viel Vertrauen. Bei näherer Betrachtung macht es aber durchaus Sinn und wird auch vermehrt verlangt. Für die Ausführung braucht es jedoch ein paar zusätzliche Gedanken.

«Möbelschreiner kommen aus einer alten Tradition, für die Holz ein Eckpfeiler ist, aus dem alles hergestellt werden kann», weiss Kasper Kammersgaard. Er vertreibt mit seiner Firma By Nordic Hands GmbH in Emmen LU Küchen der dänischen Holzmanufaktur Garde Hvalsøe A/S, in der er viele Jahre tätig war. «Fast alle unsere Küchen sind aus Holz und kaum eine davon wurde lackiert», führt er weiter aus. Aber ist das in der heutigen Zeit noch sinnvoll?

Raum der Begegnung

Moderne Küchen sind ein Arbeitsort, an dem mit immer raffinierteren technischen Mitteln Speisen gelagert und zubereitet werden. Die Arbeitsflächen erfüllen dabei wichtige Funktionen. Alles muss schnell, einfach und optimiert vonstatten gehen, denn neben dem Berufsalltag wird die Freizeit als ein kostbares Gut betrachtet.

Küchen können aber auch Treffpunkt und Wohnraum der Familie sein. Dazu braucht es dann etwas Entschleunigendes, was den Aufenthalt angenehm macht und zu einem guten Klima beiträgt. Kaum an einem anderen Ort werden so intensive Gespräche geführt wie beim Kochen, Essen und anschliessenden Aufräumen. Ein persönliches, stimmiges Ambiente trägt da sicher seinen Teil dazu bei.

Persönlich und mit Charakter

Mittlerweile gibt es ganz viele pflegeleichte Werkstoffe, die als Arbeitsfläche bestens geeignet sind und auch in ihrer optischen Wirkung etwas hermachen. Wer den Pflegeaufwand auf dem Minimum halten möchte und die Erwartung hat, dass die Nutzung keine Spuren hinterlassen darf, sollte unbedingt solche Materialien verwenden. Eine Arbeitsplatte aus Holz wird selbst bei guter Pflege mit der Zeit eine Patina erhalten, die dem Möbel einen ganz besonderen, eigenen Charakter gibt. Eine Fläche, die Geschichten zu erzählen hat und deren Spuren Ereignisse dokumentieren.

Feinheiten der Anwendung

Schon der Arbeitsplatz an sich ist etwas ganz Persönliches. Auch Schreiner benutzen ihre Hobelbank nicht immer gleich. Und so ist eine eigene Küche in der Anordnung und Materialisierung Ausdruck der Arbeitsweise ihrer Nutzer. Dabei gibt es verschiedene Zonen, bei denen sich eine separate Betrachtung lohnt: Philipp Späti von der Späti Innenausbau AG in Bellach SO empfiehlt beispielsweise keine Abwaschbecken in einer Holzplatte. Dort müsste das Becken von oben überlappend eingebaut werden, was zusätzlich zu Absätzen und Rändern führt, die von der Pflege her nicht optimal sind. Alternativ bündig eingelassen, muss die Fuge nicht nur perfekt abdichten, sondern auch die Bewegungen im Holz mitmachen.

«Das Becken wie bei einer Steinplatte von unten einzubauen, führt hingegen dazu, dass die Holzstirnflächen dem Wasser ausgesetzt sind und in einem kleinen Bereich stark Feuchtigkeit aufsaugen können, was unweigerlich zu Rissen führt», gibt Philipp Späti zu bedenken.

Ähnliches gilt natürlich auch für das Einsetzen eines Kochfeldes. Dort muss weiter beachtet werden, dass darum herum die Abnützung durch die zusätzliche Belastung durch Fett und dergleichen grösser ist.

Die Rüstfläche vom Spezialisten

Es kann sicher nicht oft genug gesagt werden: Massivholz unterliegt dem Schwinden und Quellen, was der Fachmann immer und überall mit zu berücksichtigen hat. Die Holzfeuchtigkeit muss der Höhenlage der Ortschaft entsprechen. Konstruktive Lösungen, die das komplette Möbel mit seiner Funktion und dessen Wandanschlüssen berücksichtigen, zeichnen den Schreiner als wahren Spezialisten aus.

Auch die Späti Innenausbau AG führt immer wieder Küchenarbeitsflächen oder Teile davon in Massivholz aus. «Der Kunde muss allerdings zum Material passen. Er muss sich mit dem Material identifizieren und Spuren der Zeit akzeptieren können», meint Späti. «Was immer öfter gewünscht wird, sind grosse Rüstflächen in Holz. Das sind dann beispielsweise Inseln von 1000 mal 1000 mm Grösse mit einer Arbeitsplatte aus Ahorn in einer Dicke von 100 mm. Die Idee ist dabei, dass direkt auf dem Holz gerüstet und geschnitten wird.»

Das immer zu kleine Rüstbrettchen erhält somit eine ganz andere Dimension. Dieser Rüstbock wird wohl kaum einmal zu klein sein und erhält durch die Nutzung eine Patina mit vielen Schnitten, vielleicht Kerben und Verfärbungen – damit kann er aber auch Geschichten erzählen.

Wieder neuentdeckte Qualitäten

Ahorn und Buche wurden auch früher schon in professionellen Küchen, Backstuben und Metzgereien als Arbeitsflächen verwendet. Die geschlossenporige Oberfläche sowie die Härte und Elastizität dieser Hölzer bei grosser Verfügbarkeit machten sie äusserst beliebt. Sie wurden aber mit der Zeit von Kunststoffen verdrängt und kommen vor allem im privaten Bereich noch als Rüstbrettchen zum Einsatz. Solche aus Kunststoff lassen sich sogar in der Geschirrspülmaschine reinigen, haben dafür aber nicht die antibakterielle Wirkung, die Holz von Haus aus mitbringt.

Die richtige Holzwahl

Die Küchen von Garde Hvalsøe werden hauptsächlich aus Eiche, Nussbaum, Ulme und auch Föhre gefertigt. Das gilt für die Korpusse inklusive der Innenausstattung und Deckblätter. Für die eigentlichen Arbeitsflächen kommen allerdings meistens Eiche, Föhre und Ahorn zum Einsatz. Weichere Hölzer wie zum Beispiel Zeder findet Kasper Kammersgaard hingegen gar nicht empfehlenswert.

Philipp Späti unterscheidet die Bereiche Kochen, Abwaschen, Rüsten und Abstellen. Abstellflächen gibt es im rückwärtigen, weniger aktiv zum Kochen genutzten Bereich. Wenn es das Platzangebot erlaubt, kann diese Fläche auch gleich in einen Esstisch übergehen, was dann auch den Wohncharakter unterstreicht. Von der Nutzung gibt es keine so grossen Unterschiede, dass Gebrauchsspuren hässliche Grenzen markieren. Für solche Flächen wird ein Massivholz gewählt, das einem Esstisch würdig ist. Alles in allem können auch auf kleinem Raum verschiedene Materialien zum Einsatz kommen, die dafür dem tatsächlichen Nutzen am besten entsprechen und der Küche ein individuelles Aussehen geben. Für effektive Rüstflächen kommt bei Späti oft Ahorn zum Einsatz. Wenn nicht direkt gerüstet wird, finden auch Eiche und andere Laubhölzer ihre Verwendung.

Grundlagen für die Langlebigkeit

Niveauunterschiede der Arbeitsbereiche waren lange ein Tabu. Heute sieht man das von der praktischen Seite: Verschiedene Tätigkeiten lassen sich auf unterschiedlichen Arbeitshöhen entspannter verrichten. Auch lassen sich so die Bereiche bis in die Materialisierung optimieren. Kompromisse müssen dadurch am wenigsten eingegangen werden, und es sieht in aller Regel erst noch gut aus.

Interessant ist natürlich auch die Behandlung der Arbeitsflächen. Da sind sich die Spezialisten sehr einig: Arbeitsflächen müssen geölt werden. Mit gerade mal ein bis zwei Mal nachölen pro Jahr wird sich zwar die Patina und die Holzfarbe mit der Zeit verändern, aber das Blatt bleibt absolut intakt. Auch lassen sich Oberflächenverletzungen schnell und unkompliziert vom Eigentümer beheben, was bei lackierten Flächen nicht möglich ist.

Steigerung im Anspruch

Kasper Kammersgaard weist auch noch auf die dänische Tradition des Behandelns mit Seife hin. Auch bei uns werden selbst stark genutzte Tische in Restaurants geseift. Die Blätter sind dann in der Regel aus Ahorn oder Buche und wurden vorgängig sehr fein geschliffen. Bei jeder Reinigung wird etwas Seifenlauge beigegeben, wodurch die Schutzschicht intakt bleibt.

Für Massivholzskeptiker weiss Kammers-gaard noch Folgendes: «Wir haben mehrere professionelle Küchen aus dem ‹Michelin-Führer› in Massivholz geliefert. Wenn es dort funktioniert, wird es das im Privat- bereich ganz sicher auch.»

www.bynordichands.chwww.spaeti.ch

ab

Veröffentlichung: 13. April 2017 / Ausgabe 15/2017

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