Schnelle Unikate auf vier Rädern

Furnierbilder schmücken die Unterseiten der Longboards. Bild: Nicole D'Orazio

Freikurs.  Gefräst, geschliffen und zusammengebaut: Thurgauer Lernende im vierten Jahr haben an vier Abenden hochwertige und kreativ gestaltete Longboards hergestellt. Für das Projekt konnten sie ihre CNC-Kenntnisse nutzen.

In der Schreinerwerkstatt des Gewerblichen Bildungszentrums in Weinfelden TG wird auch nach Feierabend fleissig gearbeitet. Acht Lernende haben sich eingefunden, um ihre Longboards zu vollenden. Roland Küttel und Martin Brändli, Berufsbildner der überbetrieblichen Kurse (ÜK) in Weinfelden, bieten den Freikurs für Auszubildende im vierten Jahr bereits zum dritten Mal an. Jede und jeder baut dabei ein selbst designtes Brett. «Es ist schön, dass wir eine stete Nachfrage nach dem Freikurs haben», sagt Brändli erfreut.

An sechs Abenden mit jeweils vier Lektionen kommen die jungen Erwachsenen nach Feierabend nochmals in die Werkstatt. Insgesamt 16 Personen nehmen in zwei Klassen teil. «Die Idee dazu hatte ich schon lange. Seit wir nun eine fünfachsige CNC haben, können wir den Kurs auch anbieten», sagt Brändli. Voraussetzungen seien Kenntnisse aus den CNC-ÜKs. Der Unterricht ist gratis, die Teilnehmenden müssen nur das Material bezahlen.

Am letzten Abend geben alle nochmals Gas. Schliesslich wollen alle ihr Longboard endlich mit nach Hause nehmen. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Kurs für eine Weile unterbrochen und dann Ende Juni beendet.

Jedes Brett hat sein eigenes Design

Die Longboards bestehen aus zwölf Lagen Eschenfurnier. Jeder Teilnehmende hat seinem Brett ein eigenes Design verpasst. Die Unterseiten zieren Furnierbilder aus Nussbaum oder Ahorn. Zu sehen sind zum Beispiel ein Löwenkopf, ein Marder und verschiedene Muster und Embleme. «Die Lernenden haben selber programmiert, gefräst und furniert», erzählt Martin Brändli. Die Furnierbilder hätten sie von Hand gemacht.

Als Nächstes erklärt der ÜK-Leiter, wie man das Griptape am besten aufklebt. Dafür wird ein Schleifpapier verwendet. Das sorgt für einen sicheren Halt. «Zuerst müsst ihr das Brett gut abschleifen. Achtet dann darauf, dass kein Staub unters Tape kommt und blast noch mit Luftdruck alles raus.» Auch die Griptapes sind kleine Meisterwerke. Die angehenden Schreinerinnen und Schreiner haben aus diesen ebenfalls Motive ausgeschnitten.

Frau auf dem Brett sieht toll aus

Mathis Pisana aus Scherzingen braucht beim Aufkleben seines Griptapes Hilfe, damit nichts verrutscht. Sein Motiv ist aufwendig und fällt auf: Es stellt einen Frauenkörper dar. «Das Sujet habe ich einfach so aus einer Laune heraus ausgewählt. Es sieht toll aus», sagt er. Den Kurs findet er spannend, vor allem weil er hier selber die CNC-Maschine programmieren konnte. Auf einem Long- oder Skateboard hat er auch schon gestanden und freut sich auf sein besonderes Brett.

«Ich würde sehr gerne mit meinem Longboard fahren können», sagt Sarina Hitz aus Mauren. «Mal schauen, ob und wie gut das funktioniert.» Sie ist froh, dass der Kurs vor dem Lehrabschluss noch beendet wird. Sonst wäre es schade gewesen. Sie hat schon genaue Pläne, wie es für sie nach der Ausbildung weitergeht: Sie besucht die Sportler-Rekrutenschule, da sie erfolgreich im Schiesssport ist. Mit dem Luftgewehr gehört die Thurgauerin zu den Besten des Schweizer Nachwuchses. «Danach möchte ich Teilzeit als Schreinerin weiterarbeiten und mich daneben stärker auf den Sport konzentrieren», erzählt sie.

Im Winter geht es in die RS

Nils Raimann aus Schönholzerswilen will zuerst lernen, auf dem Longboard richtig zu fahren. Aber nicht auf seinem neuen, das will er noch schonen. «Zum Anfangen ist das selbst gebaute Brett eher schwierig, weil es eine Wölbung drin hat», beschreibt er. «Da muss ich zuerst auf einem normalen üben.» Nach dem Berufsabschluss bleibt er noch bis im Winter in seinem Lehrbetrieb.ehe es dann auch für ihn zur Schweizer Armee geht. «Später würde ich mich gerne zum diplomierten Techniker Holztechnik weiterbilden, wahrscheinlich an der Höheren Fachschule Bürgenstock», gibt Raimann seine Pläne preis.

Die schicken Bretter nehmen immer mehr Gestalt an. Als Nächstes werden die Räder befestigt. Martin Brändli zeigt es vor. «Schaut, dass ihr nichts verbiegt, das sind qualitativ hochwertige Rädli. Schliesslich stellen wir hier ein Premiumprodukt her», sagt der ÜK-Leiter.

Zum Fahren zu schade

Nicholas Berchtold aus Weingarten-Kalthäusern hat sich für Dreiecke als Furniermotive entschieden. «Ich habe spontan eines aufgezeichnet und dann einfach immer halbiert», beschreibt er sein Muster. «Ich wollte keine Streifen.» An seinem Longboard hat er Freude. Fahren wolle er darauf vorerst aber nicht und werde es zu Hause ausstellen, sagt Berchtold. Er möchte nach der Lehre als Schreiner arbeiten und ist auf Jobsuche. «Dann gehe ich in den Zivildienst und will diesen am Stück absolvieren.»

Corinne Stierli aus Bischofszell freut sich schon auf den Heimweg: «Vom Bahnhof werde ich auf dem Longboard nach Hause fahren», sagt sie. «Ich habe es ja zum Benutzen hergestellt.» Der Kurs hat ihr Spass gemacht. Auch die Ausbildung hat ihr gut gefallen. «Ich kann mir jedoch vorstellen, später die Branche zu wechseln. Ich würde gerne mit Kindern arbeiten», erzählt sie.

An der CNC viel gelernt

Jonas Bleiker aus Guntershausen bei Berg findet den Kurs sehr lehrreich und professionell. «Beim Programmieren und Fräsen mit der fünfachsigen CNC habe ich am meisten gelernt», sagt er. Sein Brett wird er vorerst im Zimmer ausstellen.

Martin Brändli ist mit dem Kurs und dem Einsatz der Teilnehmenden zufrieden. «Es hat allen Spass gemacht und es sind tolle, kreative Boards entstanden.» Für ihn ist klar, dass er das Angebot auch den nächsten Thurgauer Lernenden im vierten Lehrjahr ermöglichen will.

www.schreinerthurgau.chwww.gbw.ch

nicole d'orazio

Veröffentlichung: 03. September 2020 / Ausgabe 36/2020

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