Schrauben statt kleben

Die Brettlagen von «Nur-Holz»-Bauteilen werden mit Gewindestäben verbunden. Bild: Christian Härtel

Holzbausystem.  Die Brettlagen des massiven Holzbausystems «Nur-Holz» sind einzig und allein mit Gewindestäben aus Buchenholz verbunden. Durch die intelligente, leimfreie Verbindung ist das System eine ökologische Alternative zu anderen Holzbauweisen.

Vor neun Jahren ging es richtig los. Zimmermeister und Erfinder Rolf Rombach startet im deutschen Oberharmersbach die Produktion der «Nur-Holz»-Elemente für den gehobenen Hausbau. Das Neue daran: Die werkseitig vorgefertigten Bauteile werden aus massivem Holz mittels Gewindestangen aus Buche leimfrei miteinander verbunden. Was folgte, ist eine Erfolgsgeschichte. Rombach hat sich zu einem in der Branche anerkannten Akteur beim Bau von Holzhäusern entwickelt. Das war ein langer und intensiver Weg vom kleinen Handwerksbetrieb zu einem der innovativsten Holzbaubetriebe mit über 70 Mitarbeitern.

Die Gewinde halten zwar deutlich besser als die sonst bei leimfreien Verbindungen üblicherweise eingesetzten Holzdübel. Die Gewindeverbindung sei aber auch nicht so einfach herzustellen, erklärt Rolf Rombach. So hat der Zimmermeister etwa für die Produktion der Buche-Gewindestangen selbst eine Maschine konstruiert. Zunächst werden auf der Kehlmaschine Buchenbretter zu Rundstäben gefräst. Dann wird im Durchlaufverfahren das Gewinde in der eigenkonstruierten Maschine «angesägt». «Inzwischen haben wir eine zweite, modifizierte Anlage gebaut, die dreimal so schnell und noch genauer arbeitet», sagt Rombach.

Während andere Fertigungsarten von leimfreien Bauteilen mit der reinen Klemmwirkung von Holzdübeln im Material halten, weist die Gewindestange mit der verzahnten Verbindung im Werkstoff eine enorme Haltbarkeit auf. Denn zusätzlich zum späteren Aufquellen der Buchenholzstäbe kommt das Gewinde, das schon mit ein bis zwei Umdrehungen im Holz erstaunlich fest hält. Beim maschinellen Eindrehen der Gewindestäbe in das weichere Fichtenholz wird dieses an den Gewindegängen etwas gequetscht und umschliesst diese durch die spätere Rückbildung satt. Durch die Fixierung der Brettlagen durch die Gewindestäbe sind den Möglichkeiten des Wandaufbaus kaum Grenzen gesetzt, weil das Prinzip der Gewindeverbindung relativ richtungsunabhängig funktioniert.

Verwindungssteife Platten

Anders ist auch der Aufbau des Produkts. Bei der Herstellung der massiven Wandelemente von «Nur-Holz» werden zunächst gehobelte Nut- und Kammbretter in Kreuz- und Diagonallagen auf Montagetischen zu mehrschichtigen Bauteilen angelegt. Je nach Anforderung entsteht so eine Art «Brettsperrholz», im Unterschied dazu auch mit diagonalen Lagen, aber ohne Leim oder andere Hilfsmittel.

Eine ebenfalls eigens entwickelte Anlage bohrt anschliessend im vordefinierten Raster Sacklöcher in die Fläche und dreht dann die Vollholzgewindeschrauben aus trockenem Buchenholz ein. Über 1,7 Millionen zeigt das Zählwerk der Anlage mittlerweile an. Mit der patentierten Bauweise werden so verwindungssteife Wandplatten im Durchlaufverfahren erzeugt.

Auch Decken- und Dachelemente werden mittels Gewindestangen hergestellt. Das meist in Form eines Brettstapels aufgebaute Bauteil erhält dabei jedoch auch schräg zur Plattenebene eingedrehte und entsprechend lange Gewindeverbinder, damit das Bauteil durch die diagonalen Verbindungen im Holz besser aussteift.

Industrie 4.0 handwerklich umgesetzt

Ein entscheidender Vorteil des «Stück-für-Stück-Aufbaus» ist die Berücksichtigung der Ausschnitte für Türen und Fenster sowie von Installationskanälen und sonstigen späteren Ausarbeitungen bereits im Prozess der Materialerzeugung. Die Aussparungen werden beim Auflegen der Bretter auf dem Montagetisch entsprechend umgesetzt. Dabei hilft die Projektion mittels Laserlinien auf dem Montagetisch. Die einzelnen Bretter verlassen die Kapplinie noch vollautomatisiert. Das Anlegen der Hölzer jedoch ist dann Handarbeit. Aufgrund des Verfahrens müssen die Ausschnitte für Türen und Fenster später nur noch an der Kante auf dem CNC-Portalbearbeitungszentrum nachgefräst werden.

Die intelligente, weitestgehend rechnergestützte Produktionsweise spart nicht nur Zeit und Geld, sondern vor allem auch wertvolle Ressourcen. Das ist ein wichtiger Punkt im Vergleich zu plattenförmigen Fertigmaterialien wie Brettsperrholz aus industrieller Produktion, bei dem die Ausschnitte aus dem vollen Material getätigt werden. Der Computer errechnet und platziert die Gewindestäbe und gibt die Daten an die Spezialmaschine zum Bohren und Eindrehen der Holzschrauben weiter. Das ist ein wichtiger Schritt, denn durch die leimfreie Produktion ist das «Abschrauben» gerade im Kantenbereich selbstredend entscheidend für die Qualität des Bauteils.

Einzigartigkeit muss man schaffen

Nach dem aussteifenden Verbinden auf der massgeschneiderten Fertigungsanlage gelangen die Bauteile auf das Portalbearbeitungszentrum. Dort werden die bis zu 2,9 × 8,6 Meter messenden Elemente einseitig flächig plangefräst. Zum einen werden so die Überstände der Gewindestangen beseitigt, zum anderen wird die Fläche kalibriert, damit die andere Seite der Elemente später geschliffen werden kann. Weil dabei Längs-, Quer- und Hirnholz im Gleich- und Gegenlauf zerspant werden, hat Rombach als Erster einen Abbundkopf mit dem ziehenden Schnitt des Werkzeugpartners Leuco eingesetzt. Der Walzenfräser liefert saubere Oberflächen bei langen Standwegen. Damit die Fläche absolut plangefräst werden kann, muss das Maschinenbett einmal jährlich ausnivelliert werden. «Das erfolgt tatsächlich mit einem Nivelliergerät und nicht etwa mit Lasern, denn diese sind zu ungenau», sagt Rombach.

Wände wie Möbel

Die Ansprüche der Kunden an die Oberflächengüte sind hoch. «Und sie werden immer höher», sagt Rombach. Deshalb laufen die Elemente nach dem Fräsen durch eine gigantisch anmutende Flächenschleifmaschine, die eine Durchlassbreite von stolzen 3,25 Metern aufweist. Eine Investition, von der Rombach überzeugt ist. Denn zu etwa 95 % werden die Wände später als Sichtfläche belassen. Nur selten wird das Holz später mit anderen Materialien weiter beplankt. Bauherren, die ein «Nur-Holz»-Haus wollen, machen dies offenbar aus Überzeugung. «Unsere Kunden wollen das Holz sehen, und das mit einer perfekten Oberfläche», erklärt Rombach.

Vor dem Kauf der Schleifmaschine war das Oberflächenfinish enorm aufwendig. Heute experimentiert Rombach auch mit strukturierten Oberflächen wie etwa mit 40er-Schleifpapier für den Eindruck eines sägerauen Finishs. In der Regel aber werden zwei bis drei Millimeter im Dickenmass abgeschliffen, damit kleine Holzausrisse beseitigt werden können. Der Anteil an Handarbeit beschränkt sich nach der Sichtkontrolle auf das Ausbessern von groben Astausrissen oder auf Stellen mit Harzgallen im Fichtenholz. Danach wird geschliffen.

Das Prinzip ist lange erprobt

Mit dem System nach europäischer technischer Zulassung sind inzwischen viele Holzbauten entstanden, einige davon auch in der Schweiz durch die beiden Partner-unternehmen Bühler Holzbau im st. gallischen Necker und IQ Holzhaus AG im aargauischen Kirchleerau. Produziert werden die Elemente ausschliesslich in Oberharmersbach im Schwarzwald. «Damit behalten wir die Prozesse und vor allem die Qualität vollständig im Griff», sagt Rombach. Deshalb werden auch nur komplette Projekte bearbeitet. Die Bestellung eines separaten «Nur-Holz»-Bauteils als Element zur freien Verfügung ist nicht möglich. Denn Holzbauer Rombach versteht sich nicht als Werkstoffhersteller, sondern als Systemanbieter. Und ein zusätzlicher Produktionsstandort würde mit den Spezialanfertigungen von Maschinen und Anlagen enorme Investitionen bedeuten. Im Schwarzwald wird im Zwei-Schicht-Betrieb produziert. Dadurch erhält der Unternehmer die nötige Auslastung des teuren Maschinenparks.

Anton Bühler arbeitet seit gut sechs Jahren als Partner mit dem System und ist überzeugt vom hohen Qualitätsstand des Produktes. «Einzig und allein der Umstand, dass ‹Nur-Holz› aus dem Schwarzwald kommt und nicht aus Schweizer Holz gefertigt wird, behindert den Fortschritt hierzulande etwas», sagt Bühler. Die politisch unterstützte Marketingkampagne für das Swiss Label scheint Wirkung zu zeigen. Im konstruktiven Holzhausbau ist Schweizer Holz gefragt, auch wenn am Ende oft kaum ein Täfer oder eine Platte aus Schweizer Holz gefertigt ist. Deshalb versuchen die Akteure, über die Qualität an Boden zu gewinnen. Und so sind die erstellten Häuser elementar für das Fortkommen des st. gallischen Holzbauers. «Die Kunden müssen das sehen und anfassen können. Sie begreifen dann die Qualität und die Vorzüge. Das führt auch dazu, dass in der Schweiz in einem ‹Nur-Holz›-Haus mit Ausnahme des Badezimmers in der Regel das Holz als Sichtfläche erhalten bleibt», sagt Bühler.

Auch in der Schweiz auf gutem Weg

Aufgrund der hochstehenden Qualität in der Fertigung liegen die «Nur-Holz»-Konstruktionen preislich im oberen Segment der Holzbauweise. Deshalb macht es wohl auch kaum Sinn, Holz aus der Schweiz zur Produktion der Elemente in den Schwarzwald zu bringen. «Wir haben schon zwei Projekte mit Schweizer Holz kalkuliert. Aber das verteuert in der Regel das Bauvorhaben erheblich», sagt Bühler. Zumal Holz aus dem Schwarzwald qualitativ nicht schlechter sei als solches aus der Schweiz. «Wir sind absolut überzeugt vom intelligenten Produkt, weshalb es auch in der Schweiz seinen Weg finden wird», sagt Bühler.

www.nur-holz.comwww.iqholzhaus.chwww.buehler-holzbau.ch

ch

Veröffentlichung: 17. Mai 2018 / Ausgabe 20/2018

Artikel zum Thema

09. Mai 2024

«Einfach mal durchklicken»

Dokumentation.  Auf der Internetseite holzbaukultur.ch wächst eine Dokumentation heran, die den Werdegang des Holzbaus in der Schweiz begreifbar macht. Bis Ende des Jahres sollen 400 Gebäude online sein. Im Gespräch dazu Elia Schneider von der Berner Fachhochschule in Biel.

mehr
17. April 2024

Ein meisterlicher Botschafter

Parkettverband ISP. Im Schloss Laufen am Rheinfall fand die 55. Generalversammlung der Interessengemeinschaft Schweizer Parkettmarkt (ISP) statt. Ein abgekühlter Markt und der Mangel an Lernenden beschäftigt die Bodenlegerbranche auch in diesem Jahr.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Werkstoffe