Schwungvolle Radien, fliessende Formen

Im Kreis zu denken, war gefragt. Beim ovalen Baldachin hat keine der Lamellen den gleichen Radius, sie wurden bogenförmig gefräst. Bild: Gehri AG

Umbau.  Für die Raiffeisenbank in Olten wurde die Innenarchitektur im bestehenden Rundbau realisiert. Beratung und Empfang konzentrieren sich kreisförmig um das Zentrum. Radiale Konstruktionen in Holz, Gips, Glas und Metall forderten die beteiligten Schreiner heraus.

Ein fächerartiges Vordach und der runde Kopfbau bestimmen den Architekturgrundriss des Gebäudes an der Ringstrasse in Olten SO. Diese Form erinnert an französische Bistros. «Das einladende Flair sollte auch in den Innenraum transferiert werden», sagt David Bernet, Creative Director bei der Gehri AG in Aarberg BE. Die Bauherrschaft zielte darauf ab, der Neuausrichtung hin zur Beraterbank auch räumlich Ausdruck zu verleihen. Für mehr Kundennähe wurde die digitale Ausstattung in den Beraterzimmern optimiert. Ein Hauptanliegen war es auch, die separierten Arbeitsbereiche im Erd-, Ober- und Dachgeschoss mehr zu verbinden und so eine offene und belebende Atmosphäre zu schaffen.

Millimetergenaue Vormontage

Der Empfangsbereich im Erdgeschoss ist dabei ein zentrales Element. Die vorherrschenden radialen Formen spielen mit dem Charme der 1920er-Jahre-Architektur. Markantes Detail ist ein Baldachin, der Beleuchtung wie auch Lüftung integriert und die Arbeitsplätze am Empfang beherbergt. Drei frei stehende Theken dienen dem schrankenlosen Erstkontakt. In dieser sogenannten Kernzone lagen Herausforderungen für die Schreiner: «Die Vormontage musste bei allen bauverbundenen Komponenten auf den Millimeter genau montiert werden, dabei waren Komponenten an- derer Gewerke wie Lüftung und Heizung bereits montiert oder kamen zu einem späteren Zeitpunkt hinzu, wie etwa der Bodenbelag aus Zementspachtelmasse mit Lavasand», erklärt Andreas Müller, verantwortlicher Projektleiter der Gehri AG. Die Massgenauigkeit betraf also den Unterbau des Baldachins, die dunkelrot lackierte Wandverkleidung darunter und die Geld-automaten in der angrenzenden 24-Stunden-Zone.

Im Kreis denken

In dieser ebenfalls rund angelegten 24-Stunden-Zone wurde ein eigener Eingang geschaffen, der eine Dramaturgie schafft, die ein fliessendes, offenes Raumerleben ermöglicht. Radien, egal, ob in Glas, Holz oder Gips, dominierten die Schreinerarbeiten. Im Kreis zu denken, war gefragt. Bei den Spezialdecken wie etwa dem ovalen Baldachin hat keine der Lamellen den gleichen Radius, sie wurden bogenförmig gefräst. Müller spricht von mehreren verschiedenen Speziallösungen der Deckenverkleidungen auf allen Geschossen, weil keines der Beraterzimmer eckig sei und von Ecke zu Ecke habe vermessen werden können. «In jedem Raum wurde mittels 3D-Scanner eine Massaufnahme gemacht und jedes Deckenelement entsprechend individuell gefertigt, sodass alle Elemente fixfertig per CNC gefräst, direkt auf dem Bau und ohne Anpassungsarbeiten in den Rundungen montiert werden konnten», erklärt Müller.

«Form follows function»

Das Prinzip der Lamellendecken auf allen Geschossen hat schlicht funktionalen Nutzen. «Die Heiz- und Kühlfunktion der dahinter liegenden Elemente funktioniert nur, wenn 40 bis 45 Prozent der Querschnitte belüftet sind», erklärt Bernet die Technik. Man habe sich überlegt, wie man diese Lamellenelemente kosteneffizient herstellen könnte. Für die Stegmontage mit Einzellochung wurde eine Spezialfräse entwickelt, mit der die Produktion optimiert werden konnte. Bei der farblichen Ausführung entschied man sich für schwarz einge- färbtes MDF mit nachträglich beidseitig aufgebrachtem Eichenholzfurnier, Natur lackiert. Die roten und gelben Lamellen jedoch wurden erst farblich gespritzt und dann gefräst, also der umgekehrte Arbeitsvorgang.

Im Erdgeschoss wird die Lamellenkonstruktion mit senkrecht montierten Dachlatten ergänzt, die mit einem Akustikfilz ummantelt wurden. Auch die eingesetzten Vorhänge sind akustisch wirksam. Das Lamellenprinzip findet sich auch in der vertikalen Verkleidung im Erdgeschoss wieder. «Ins-gesamt wurden hier zirka 2,2 Kilometer halbrunde Profilleisten in Eiche mit den Massen 40 × 25 Millimeter an den runden Wänden verbaut», erinnert sich Projektleiter Müller.

Gips, Glas, Holz und Metall aus einer Hand

Aber damit nicht genug der Rundungen: Für die Beratungszimmer im Erdgeschoss wie auch die Beraterboxen im vierten Obergeschoss wurden die Wände aus Gips vorgefertigt; diese Wandelemente lieferte Gehri ebenfalls aus einer Hand. Einen Knackpunkt stellten die Stahlzargen mit Türblatt dar, die in gerundeter Form handelsüblich nicht vorlagen. «Wir mussten die Stahlzargen dreidimensional entwerfen und lasern, um sie flächenbündig in die gerundete Wand einzupassen», erklärt Müller. «Es war uns sehr wichtig, dass wir in diesem Bogenverlauf nicht den Grundriss einer flachen Tür haben», betont Bernet die klare gestalterische Linie. Bei allen Materialien achtete man auf Schweizer Herkunft, aber die Gläser für die Segmentbögen der Beraterzimmer konnten in dieser überdimensionalen Grösse nicht in der Schweiz, dafür aber in Europa bezogen werden. Die Dienstleistung, komplexe Elemente aus einer Hand zu liefern, birgt Chancen, aber auch Risiken. Da es mitten in der Stadt keine Lagerfläche für die teils übergrossen Bauelemente gab, musste die Logistik wie am Schnürchen funktionieren, sonst hätten durch Zeitverzüge Mehrkosten gedroht. Dank angrenzender Mieträumlichkeiten konnte der Bankbetrieb während der Bauzeit ausgelagert werden.

Gewagtes Farbkonzept

In diversen Vorgesprächen wurden Szenarien entwickelt und wurde die Bemusterung am Modell vorgelegt, um möglichst konkret die Details mit der Bauherrschaft abzusprechen. Das Farbkonzept mit dem überraschenden Kontrast von Weinrot und hellen Blau- bis Grautönen sowie Gelbschattierungen sei für eine Bank durchaus gewagt, so Bernet. Bewusst wollte die Bauherrschaft nicht die Farben der Corporate Identity in der Innenarchitektur spiegeln. Das Gestaltungskonzept ist ebenso eigenwillig wie exklusiv und wird so in keiner anderen Raiffeisen-Filiale wiederkehren. Dafür gab es den «Red Dot Design Award».

Licht unterstreicht die Architektur

Die Lichtplanung diene dazu, das architektonische Konzept zu unterstreichen und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, meint Bernet. «Indirekte Beleuchtung wird verwendet, um eine warme und einladende Umgebung zu schaffen und räumliche Tiefe zu erzeugen, während gleichzeitig funktionales Licht für die Arbeitsbereiche eingesetzt wird.»

Die indirekte Beleuchtung beim Baldachin etwa wird durch ein rot lackiertes Streckmetall vor gelb gestrichenem Hintergrund erzeugt. Es passt sich der Rundung flexibel an und ist in eine Nut eingepasst, um die Revision des verdeckt eingelegten LED-Lichtbandes zu ermöglichen. Auch an den Decken im Ober- und im Dachgeschoss sorgt indirekte Beleuchtung mit individuellen Entwürfen für mehr Wohnlichkeit.

So wählte man ein handelsübliches Leuchtmittel von Ribag, das vor allem nach der Seite reflektiert, und montierte es auf selbst entworfenen Rondellen, um den kreisförmigen Lichteffekt zu verstärken. «Für direktes Licht sorgen am Kundenempfang satinierte Lichtkugeln des spanischen Herstellers Vibia, die den Anschein des Aus-der-Decke- Fliegens erwecken sollen», erläutert Bernet. Ein verdeckter Spezialbaldachin beherbergt die Verkabelung hinter der Decke und erlaubte die besondere Aufhängung. Einen direkten Spot fand man mit sogenannten Track Lights, einem System aus einzelnen Strahlern, das schmal genug ist und über genügend Aufbauhöhe verfügt, um sie zwischen den Lamellen zu montieren.

Möblierung auf die Räume abgestimmt

Daneben entwickelte und realisierte die Gehri AG das gesamte Möblierungskonzept, ein Kerngeschäft des Unternehmens. Stauraummöbel, Einbauküchen, Sideboards sowie Berater- und Sitzungstische überzeugen in ihrer konsequenten Linienführung, flächenbündigen und exakten Verarbeitung und hochwertigen Materialisierung. «Wenn wir hier in die Details gingen, würde eine Diplomarbeit daraus werden», sagt Andreas Müller und schmunzelt. Die Planungs- und Umsetzungszeit erstreckte sich von Mai 2018 bis August 2020. Das Ergebnis überzeugt durch seine hohe Aufenthaltsqualität.

www.raiffeisen.ch/oltenwww.gehri.ch

Manuela Ziegler

Veröffentlichung: 09. Mai 2024 / Ausgabe 19/2024

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