Seitlich, fest und sicher

Geprüfte Systeme bieten dem Schreiner Sicherheit für diverse Umsetzungen. Bild: Noah J. Gautschi

Einbruchschutz.  Will der Schreiner seiner Kundschaft eine RC2- oder RC3-geprüfte Tür mit Seitenteil anbieten, greift er am besten auf ein geprüftes System zurück. Dafür muss er die Anforderungen und die Möglichkeiten der Systeme kennen und sie fachgerecht einsetzen.

In der heutigen Architektur werden die Aussentüren oft in dafür vorgesehene Mauerausschnitte gesetzt, die genau für eine Tür Platz bieten. Wünscht sich der Bau- herr einen breiteren Eingangsbereich mit einem festen Teil neben der Tür oder will er mit Licht und Glasflächen spielen, führt praktisch kein Weg an einem Seitenteil vorbei. Bestehen keine speziellen Vorgaben, kann der Schreiner praktisch jedes Türsystem dazu verwenden.

Sobald jedoch ein Leistungsnachweis gefordert wird, muss auf ein geprüftes System zurückgegriffen werden.

Kleinere Systemauswahl

Sobald ein Leistungsnachweis für RC2 oder RC3 benötigt wird, verringern sich die Möglichkeiten. «Da die meisten geprüften Systeme über keine zugelassenen Seitenteile verfügen, wird die zur Verfügung stehende Auswahl eingeschränkt», sagt Andreas Wegmann. Er ist verantwortlich für die Einbruch-Entwicklung bei der Riwag Türen AG aus Arth SZ. Nur mit einem geprüften System, das zugelassene Seitenteile hat, kann der Schreiner den Leistungsnachweis RC2 oder RC3 erfüllen.

In der Ausführung stehen dem Schreiner zwei grundlegende Systeme zur Auswahl: Er bezieht ein komplettes und geprüftes Element. Oder er baut seinen Rohling nach einem geprüften Leistungsnachweis selbst, wie beispielsweise bei die VSSM-Aussentür. Welche Lösung schlussendlich umgesetzt wird, hat viel mit der individuellen Ausrichtung und den Möglichkeiten einer Schreinerei zu tun.

Grenzen des Systems kennen

Wenn ein Türsystem geprüft wird, gelten die geprüften Teile als massgebend. «Nach EN-Prüfnorm kann ein Werkstück maximal 10 Prozent grösser und 20 Prozent kleiner ausgeführt werden als das Prüfmass. Benötigt es ein grösseres Element, muss neu geprüft werden», sagt Gerhard Rasch, der stellvertretende Bereichsleiter Technik und Betriebswirtschaft beim VSSM.

Diese Systemgrenzen gilt es als Schreiner zu kennen. Bei den Türen und Seitenteilen müssen neben den Massen auch der Aufbau und die Konstruktion genau wie in der Prüfanordnung aufgebaut sein. Das heisst: Die mögliche Anzahl der Seitenteile, deren Einteilung, die Dimensionierung der Mittelfriese, die Materialdicke und Falzgeometrie sowie die Materialauswahl müssen dem System entsprechen. «Nur durch die Einhaltung der Vorgaben kann ein System mit ruhigem Gewissen eingesetzt werden», sagt Wegmann von Riwag.

Abklären, was gefordert ist

In vielen Ausschreibungen wird der Einbruchschutz nicht spezifisch nach WK oder RC-Klassierung ausgeschrieben. Eine konkrete Nachfrage bei der Bauherrschaft lohnt sich, um abzuklären, was verlangt wird. Denn wenn eine Tür beispielsweise nur angelehnt an RC2 gefertigt werden muss, hat der Schreiner viel mehr Freiheiten, was die Systemauswahl angeht. «Hier rate ich dem Schreiner im Zweifelsfall, vor der Auftragsannahme die Bedürfnisse nochmals genau abzuklären. Im schlimmsten Fall müsste er eine Ersatztür mit Leistungsnachweis fertigen, die noch nicht existiert», sagt Rasch. Sind die Anforderungen bekannt und ein geeignetes System ausgewählt, kann der Auftrag umgesetzt werden. In der Produktion und bei der Montage gibt es jedoch noch ein paar Punkte zu beachten.

Sorgfalt in der Produktion

Wählt der Schreiner ein System, bei dem er den Tür- und Seitenrohling selbst fertigt, ist auf eine gleichmässige Verleimung zu achten. Denn Fehler und Ungenauigkeiten schwächen den Rohling und mindern den Einbruchschutz. «Für eine optimale Verleimung empfehlen wir die Einleimer und die Mittellage zusammen zu kalibrieren. Nur so entsteht eine plane Fläche zur Verleimung», sagt Rasch. Er empfiehlt: «Zur besseren Stabilität können zusätzlich die Einleimer an die Mittellage geklebt werden.» So vorbereitet, können die Deckschichten vollflächig aufgeleimt werden. Der Einbruchschutz verzeiht in der Produktion praktisch keine Ungenauigkeiten. «Wir prüfen die Produktionsunterlagen unserer Kunden und weisen bei Bedarf auf Korrekturen hin, um eine hohe Qualität abzusichern», sagt Wegmann. Wird ein Seitenteil mit Glaseinsatz gefertigt, ist zudem auf die richtige Glasart zu achten. «Bei RC2-Elementen muss ein P4A-Glas und bei RC3-Elementen ein P5A-Glas verbaut werden. Zusätzlich zur Verklebung wird bei RC3 das Glas noch mit Metallwinkel gesichert», sagt Sascha Erni. Er ist zuständig für den Verkauf und die Beratung bei der Variotec Schweiz AG aus Dagmersellen LU.

Montage wird nicht geprüft

Bei der Einbruchschutzprüfung wird die Montage nicht geprüft. Die zu prüfende Tür ist in einen Metallrahmen eingespannt. Der Fachingenieur beurteilt die Montage nach der mitgelieferten Montageanleitung. Die Seitenteile werden ebenfalls nach dieser Anleitung montiert. Werden die Schraubabstände und Dimensionen eingehalten, ist der Leistungsnachweis erfüllt. «Eine Unbekannte in der Montage ist die Beschaffung des Mauerwerkes. Der Schreiner muss also sicherstellen, dass eine korrekte Befestigung gewährleistet ist», sagt Wegmann. Hier ist auch zu beachten, dass die Befestigung bei RC2 und RC3 unterschiedlich sein kann, weshalb jede Tür spezifisch abgeklärt werden sollte.

Im Alltag treffen die Experten immer wieder auf Ausführungsfehler, die oft auf Missverständnissen beruhen.

Ein viel genannter solcher Fehler ist die Definition der Angriffsseite. Bei Aussentüren ist der Fall meistens eindeutig: Die Angriffsseite befindet sich aussen auf der Gegenbandseite. «Wird eine Tür falsch herum eingebaut oder die Angriffsseite verwechselt, ist der Einbruchschutz nicht gewährleistet, wenn die Tür nicht beidseitig geprüft wurde», gibt Gerhard Rasch vom VSSM zu bedenken.

Holzfasern haben Einfluss

Die richtige Holzauswahl hat ebenfalls einen grossen Einfluss auf den Einbruchschutz. «Je kürzer die Holzfasern sind, desto besser für den Einbruchschutz», sagt Wegmann. Denn bei Holzarten mit langen Fasern, wie beispielsweise bei Sipo, splittert das Holz grossflächig ab. Bei Eiche hingegen können nur kleinere Flächen abgelöst werden, was mehr Zeit benötigt. Lamellierte und keilverzinkte Holzkanten haben ebenfalls diesen positiven Effekt.

Auch die eingesetzten Beschläge müssen mit dem jeweiligen Türsystem geprüft worden sein. Hierfür bieten die meisten Hersteller eine Liste mit den Beschlägemöglichkeiten für den jeweiligen Leistungsnachweis. Alle Verschraubungen sind zwingend vorzubohren. Sonst gibt es bei jeder Schraube eine Vorspaltung, die das Material schwächt.

Möglichkeiten realistisch nutzen

Der Schweizer Markt ist sehr individuell, weshalb auch die Eingangstüren sehr unterschiedlich ausfallen. Kennt der Handwerker jedoch die Anforderungen und die vorhandenen Systeme, kann er fast immer eine passende Lösung anbieten. «Der Schreiner ist sehr gewissenhaft und setzt die Vorgaben genau um, dadurch ist er der optimale Fachpartner für solch anspruchsvolle Projekte», sagt Wegmann. Neben all dem Fokus auf den Einbruchschutz darf aber die Hauptaufgabe einer Tür nicht vergessen gehen. «Eine Tür muss 25 bis 30 Jahre einwand- frei funktionieren, das ist ihre funktionelle Hauptaufgabe. Erst wenn das gewährleistet ist, sollten erhöhte Anforderungen umgesetzt werden», sagt Gerhard Rasch. Sonst steht man vor einer Tür, die sich nicht mehr normal öffnen lässt.

www.riwag.chwww.vssm.chwww.variotec.ch

njg

Veröffentlichung: 07. März 2019 / Ausgabe 10/2019

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