Sicht durch die Normenbrille

Durch das zu trockene Raumklima wurde offensichtlich Parkett beschädigt. Bild: Beni Lysser

Expertisen.  Für die Beurteilung von Parkettböden im Rahmen von Abnahmen oder von Expertisen bei Mängeln gibt es diverse Vorgaben, Richtlinien und Empfehlungen, die zur Anwendung kommen können. Sie sollten dem Verarbeiter schon im Voraus bekannt sein.

Ähnlich einer Pyramide bilden die SIA-Normen und EN (Europäische Norm) das Fundement, wenn es darum geht, Parkett genau zu begutachten. Darüber – und somit den Normen übergeordnet oder gleichgestellt – sind technische Merkblätter von Verbänden und Richtlinien des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu), der Suva und ähnlicher Organisationen einzustufen. Zuoberst stehen die Herstellervorgaben.Diese sind immer zwingend zu berücksichtigen und einzuhalten.

Normen: Sie legen das Fundament

Die SIA-Normen regeln technische Gegebenheiten wie auch administrative oder juristische Fragen. In der SIA-Norm 118 «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten» kann man zum Beispiel Antworten zu juristischen Fragen über Ausmasse, Abnahmen, Vergütungen, Haftung für Mängel, Garantiefristen und so weiter finden. Technisch können dieser Norm keine Angaben entnommen werden.

Für die Untergründe ist die SIA-Norm 251 «Schwimmende Estriche im Innenbereich» zuständig. Darin können nicht nur die Festigkeitsanforderungen an Estriche, die verschiedenen Einbaustärken und dergleichen gesucht werden, diese Norm regelt auch die Ebenheitstoleranzen für fertig verlegte Bodenbeläge. Das heisst, dass der Endbelag (Parkett oder anderer Belag) als zweite Haut über dem Untergrund genau gleich beurteilt wird wie die Estrichoberfläche. Er kann nicht ebener vorliegen.

Die Ebenheitstoleranzen sind sehr streng und werden im Normalfall als «negative Abweichungen» gemessen. Gemäss SIA-Norm 251 wird dazu «eine Richtlatte auf zwei überhöhte Punkte im Boden aufgelegt. Der Abstand der Auflagepunkte ergibt die Messdistanz und die grösste Öffnung zwischen der Richtlatte und dem Bodenbelag beziehungsweise Parkett die negative Abweichung». Auf diese Weise darf die Öffnung auf eine Auflagedistanz der Punkte bis 40 cm maximal 1 mm, bis 100 cm maximal 2 mm, bis 200 cm maximal 3 mm und bis 400 cm nicht mehr als 4 mm betragen.

In der SIA-Norm 118/251 «Allgemeine Bedingungen für schwimmende Estriche im Innenbereich – Vertragsbedingungen zur Norm SIA 251» sind die Vertragsbedingungen zur Estrichnorm festgehalten, genauer die Details zum Werkvertrag, zu Vergütungsregelungen, zu Bestellungsänderungen, zu Bauausführungen, zur vorzeitigen Beendigung des Werkvertrages oder zu den Verpflichtungen der verschiedenen am Bau beteiligten Parteien.

Für das Parkett selber kommen die SIA-Norm 118/253 «Allgemeine Bedingungen für Bodenbeläge aus Linoleum, Kunststoff, Gummi, Kork, Textilien und Holz – Vertragsbedingungen zur Norm SIA 253» und zur Technik die SIA-Norm 253 «Bodenbeläge aus Linoleum, Kunststoff, Gummi, Kork, Textilien und Holz» zum Einsatz. Darin werden auch die maximal zulässigen Restfeuchtigkeitsgehalte der Untergründe für die verschiedenen Endbelagsverlegungen definiert. Denn nicht alle Beläge erfordern dieselben Maximalwerte.

Klima und Oberfläche

Aber auch die Raumklimabedingungen wäh- rend und nach dem Einbau der Bodenbeläge sind vorgegeben wie auch die zulässige Oberflächentemperatur im Parkett über einer Bodenheizung.

Das Raumklima soll immer eine relative Raumluftfeuchtigkeit von 30 bis 70 % aufweisen. Auch kontrollierte Belüftungen in Minergiebauten dürfen während der Heizperiode und Trockenwetterphase (Winter) keine tieferen relativen Raumluftfeuchtigkeiten erzeugen. Werte unter 30 % führen über längere Zeit zur übermässigen Austrocknung des Holzes, verbunden mit Verformungen, Rissbildungen, Fugenbildungen und anderen Beschädigungen.

Die maximal zulässige Oberflächentemperatur im verlegten Parkett beträgt 27 °C und darf nie und nirgends überschritten werden, auch nicht bei sehr kalten Aussenbedingungen. Die Folgen bei Überschreitungen sind gleich wie bei zu tiefen relativen Luftfeuchtigkeiten.

In der SIA-Norm 253 werden weiter die Oberflächenerscheinungen von verlegten Bodenbelägen umschrieben. So soll unter anderem ein versiegelter Boden einen «einheitlichen» Glanzgrad aufweisen.

Besonders interessant ist der Treppenbau, der in der SIA-Norm 414/2 «Masstoleranzen im Hochbau» geregelt wird. Insbesondere die Toleranzen zur Steigung (Höhe) der Treppentritte müssen zwingend eingehalten werden, weil Differenzen ausserhalb von zulässigen Abweichungen zu Stolper- und Verletzungsgefahren führen können.

Der Antritt darf gegenüber den anderen Tritthöhen ± 10 mm Höhenunterschied aufweisen. Alle Stufen darüber müssen innerhalb von maximal 3 mm Abweichung von einem Tritt zum anderen konstruiert sein. Und der Austritt zuoberst darf ebenfalls mit einer Abweichung in der Höhe von +3 mm und maximal –10 mm aufweisen.

Die verschiedenen EN sind reine Herstellernormen und dienen ausschliesslich der Produkteherstellung. Für den Handwerker auf der Baustelle sind in den EN keine Vorgaben oder dergleichen aufgeführt.

Richtlinien: Nie den Halt verlieren

Die bfu umschreibt in der Richtlinie «Anforderungsliste Bodenbeläge» die Rutschfestigkeit und -hemmung von Bodenbelägen, die vor Ort gemessen, geprüft oder kontrolliert werden kann. Die Einstufung erfolgt in GS- (Schuhbereich) und GB-Kategorien (Barfussbereich), und die Anforderung wird in den Ziffern 1 bis 4 angegeben.

GS 1 steht für die tiefsten Anforderungen, das heisst, der Boden erfordert keine spe-ziellen Massnahmen zur Erhöhung der Rutschhemmung (Wohnbereiche, Patienten- zimmer, Speiseräume). GS 4 verlangt höchste Rutschfestigkeiten und gelangt nur in ganz speziellen Aussenbereichen zum Einsatz, so zum Beispiel auf einem «Perron ohne Wetterschutz».

Kontrolliert wird die Rutschfestigkeit auf der Baustelle mit einem kleinen Roboter (Gleitmessgerät), der unten mit einem Stempel (Schuhimitat) bestückt wird. Die verschiedenen Stempel entsprechen unterschiedlichen Schuhsohlen. Das Gerät misst über eine vorbestimmte Distanz den Widerstand durch Gleitenlassen des Stempels auf der Belagsoberfläche. Der Bodenbelag wird – je nach Ergebnis – in die verschiedenen Stufen eingeteilt. Oftmals fordern Architekten und Planer in Ausschreibungen R-Werte. Diese stammen aus einer DIN-Norm und können nur im Labor mit Probanden auf einer schiefen Ebene ermittelt werden. Eine praxisgerechte Prüfung auf einer Baustelle ist also unmöglich, und die GS- beziehungsweise GB-Werte können auch nie mit R-Werten verglichen werden.

Schwarze Fugen, abgerissene Fugen

Der Parkett-Verband ISP erstellt Richtlinien für Bereiche, die nicht in den SIA-Normen oder anderweitig definiert sind. Die technischen Merkblätter entstehen situativ, je nach Auftreten von Problemen auf der Baustelle. Es wurden in der Vergangenheit auch Merkblätter erstellt für die Nutzer von Holzböden, für die Planung von Bodenbelägen und für den Handwerker, der das Parkett verlegt. Der Nutzer orientiert sich zum Beispiel mit dem Merkblatt Nr. 37 über die Lebensdauer von Oberflächenbehandlungen oder vom Parkett selber. Ebenso nutzt der Versicherer dieses Merkblatt für die Amortisationsberechnung eines Parketts oder einer Oberflächenbehandlung im Schadenfall. Für den Nutzer wurde auch das Merkblatt Nr. 27 «Parkett und das Raumklima» erstellt, aus dem die Raumklimabedingungen ersichtlich werden.

Für den Parkettverleger gibt es das Merkblatt Nr. 14 «Mit Bitumen verklebtes Parkett». Es umschreibt, was mit alten, schwarzverklebten Parkettböden, insbesondere bei einer Renovation, zu unternehmen ist und welche Risiken diese Verklebung birgt. Auch das Merkblatt Nr. 29 «Untergrundvorbereitung für die vollflächige Parkettverklebung» dient ganz speziell dem Parkettverlegebetrieb.

Für den Planer werden die Rückverformungseigenschaften von Estrichen mit dem Merkblatt Nr. 24 «Fugen zwischen Sockelleisten und Parkett / abgerissene Kittfugen» erklärt: Daraus wird ersichtlich, dass Fugen zwischen Sockelleisten und Endbelag nach ein bis zwei Jahren normal sein können und keinen Mangel darstellen.

Das BAG unterstützt die SIA-Normen im Bereich Raumklima und fordert ebenso eine minimale relative Raumluftfeuchtigkeit von 30 %. Dies aber nicht speziell wegen des Holzes im Innenbereich, sondern für die Bewohner und Nutzer von Gebäuden.

Laut BAG-Broschüre «Luftbefeuchter» führt zu tiefe Raumluftfeuchte «zu Austrocknungen von Haut und Schleimhäuten an Augen, Nase und Rachen mit Folgen wie Trockenheitsgefühle, Reizungen, Bindehautentzündungen, Hautekzeme und ein erhöhtes Risiko für Erkältungen». Was für den Menschen recht ist, tut auch dem Holz gut.

Herstellervorgaben: Möglichst spezifisch

Die Hersteller von Parkett, Klebstoff, Spachtelmasse, Lack, Öl und so weiter definieren nicht nur die Einsatzorte ihres Holzbodens oder Hilfsmaterials, sondern auch, ob zum Beispiel ein ab Werk geöltes Parkett zwingend eine Erstbehandlung nach dem Einbau erfordert. Die Hersteller geben zur allgemeinen Praxis abweichende Maximalwerte für Restfeuchtigkeiten von Estrichen bei der Parkettverlegung vor. Neue, moderne Mörteluntergründe mit Schnelltrockner, Beschleuniger und dergleichen können oft bei höheren Feuchtegrenzwerten belegt werden als die SIA-Norm 253 oder ISP-Merkblätter vorgeben. Nicht zuletzt kann ein Parketthersteller auch eine bestimmte Klebstoffart für sein Produkt vorgeben.

SIA-Normen können ausschliesslich beim Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) gekauft werden. Alle anderen Richtlinien und Normen stehen grösstenteils im Internet frei zur Verfügung.

www.parkett-verband.chwww.sia.ch

bl

Veröffentlichung: 03. Mai 2018 / Ausgabe 18/2018

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