Simsala-Bim, hier beginnt die Zukunft

Damit Bim funktioniert, müssen die benötigten Daten im Vorfeld definiert sein. Bild: Pixabay

BIM.  Die Möglichkeiten der Planung mit Building Information Modeling (Bim) sind gewaltig und eröffnen neue Wege. Damit der Schreiner an der digitalen Revolution teilhaben kann, sind Grundlagenarbeit an seinen Daten, Kenntnis der Kundenbedürfnisse und agile Partner nötig.

Der Begriff Bim ist seit einiger Zeit in aller Munde und wird laufend an Fachmessen und Veranstaltungen präsentiert. Anhand von einzelnen Pilotprojekten und digital durchgeplanten Gebäudekonstrukten werden mehrheitlich Chancen, Vorteile und Vorgehensweisen für Bauherren, Architekten und Planer aufgezeigt. Hört man sich jedoch in der Handwerksbranche um, ist vielen Handwerkern noch unklar, wie diese digitale Revolution ihre Arbeitsweise in Zukunft verändert und wie sie wirtschaftlich plan- und umsetzbar ist. Denn je detaillierter und individueller das einzelne Handwerk ausfällt, desto aufwendiger wird die Implementation der eigenen Daten.

Building Information Modeling, kurz Bim, steht auf deutsch für Bauwerksdatenmodellierung. Es beschreibt eine einheitliche Vorgehensweise der Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe eines digitalen Gebäudemodells. Darin werden alle relevanten Bauwerksdaten erfasst und digital aufeinander abgestimmt. Das Bauwerk wird im Prinzip vor der eigentlichen Bauphase schon einmal digital aufgebaut, was eine handwerksübergreifende Planung ermöglicht. Ein Bim-Modell begleitet ein Gebäude im Idealfall während des ganzen Lebenszyklus und vereinfacht beispielsweise auch den Unterhalt oder die Bewirtschaftung.

Der Schreiner ist sehr individuell

Für Handwerker gibt es schon einige umgesetzte Beispiele, die zeigen, wie eine solche Bim-Planung in der Praxis funktionieren kann. Doch Handwerker ist nicht gleich Handwerker. «Der Schreiner fertigt seine Produkte sehr individuell und stellt eine breite Palette an Produkten her. Deshalb hat der Normpositionenkatalog beim Schreiner auch nicht so einen hohen Verbreitungsgrad wie beispielsweise beim Elektriker oder Sanitär», sagt Franz Räber, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Verkauf bei der Borm Informatik AG aus Schwyz. Das IT-Unternehmen befasst sich stark mit der Thematik Bim und erarbeitet spezielle Lösungsansätze sowie Grundlagen für das Holzhandwerk. Je nach Bestimmungen seitens des Architekten oder Bauherrn müssen die Schreiner ihre Planung mehr oder weniger detailliert eingeben, was wiederum einige Überlegungen betreffend Datenherausgabe nach sich zieht.

Prozesse sind eine Herausforderung

Für den Schreiner ist es wichtig zu wissen, welche Daten er ins Bim-Modell übermitteln muss. Wie detailliert eine Planung abgegeben werden muss, bestimmt – wie erwähnt – der Architekt oder Bauherr mit seiner Bestellung. In dieser ist genau definiert, welche Detailtiefe gefordert ist. «Hier muss der Schreiner seine Prozesse entsprechend anpassen, damit er seine Daten noch effizient verwalten kann», sagt Andi Diethelm, Projektleiter Verkauf bei der Borm Informatik AG. Für die Produktion werden zwangsläufig detaillierte Daten erstellt, die wiederum für die Herausgabe ins Bim- Modell vereinfacht werden müssen. Es gilt genau abzuwägen, welche Details herausgegeben werden können. Besonders bei geschützten oder geprüften Bauteilen sollte der Schreiner dem Daten- und Konstruktionsschutz Aufmerksamkeit schenken.

Welche Daten kommen woher

Obwohl man überall visualisierte Gebäudepläne vorgezeigt bekommt, benötigt Bim nicht zwangsläufig visuelle Daten. Aus den CAD-Programmen kommen geometrische Daten, die visualisiert die bekannten 3D-Pläne erschaffen. In ERP- und Bauadministrationsprogrammen sind kaufmännische Daten vorhanden, die ein Modell mit den nötigen Attributen und Eigenschaften vervollständigen können. Für ein Bim-Modell reichen manchmal Angaben wie beispielsweise ein Schallschutzwert aus dem ERP, ohne dass dieser visualisiert ist. «Die einfache Bearbeitung und Zusammenführung geometrischer und kaufmännischer Daten ist ein wichtiges Element und eine Herausforderung, um wirtschaftlich mit Bim arbeiten zu können», sagt Diethelm.

Denn die Definition aller benötigten Parameter und Variablen eines Bauteiles ist der aufwendigste Schritt für den Schreiner. Zudem ist es möglich, dass hinterlegte Produktionsdaten, die in ein Bim-Modell exportiert werden, nicht immer mitgespeichert werden und somit auch nicht mehr abrufbar sind. Auf diese Weise könnten beim Datenaustausch wichtige Produktionsdaten verloren gehen.

Abgestimmte Lösung benötigt

Die Idee einer einheitlichen Handwerkslösung mag zwar verlockend klingen, ist in der Praxis jedoch nur schwer umsetzbar. So könnten Preise und Konstruktionen einfach mittels Variablen wie beispielsweise in der Oberflächenbehandlung über Quadrat- oder Laufmeter ermittelt werden. Doch alleine am Beispiel einer Tür wird schnell ersichtlich, dass dieses Prinzip für den Schreiner nicht umsetzbar ist. Eine einfachere Tür hat schon weit über 300 mögliche Parameter, und diese verändern sich nicht alle linear. So verbessert sich der Schallschutz beispielsweise nicht linear, wenn die Tür dicker wird. «Um solche variablen Parameter zu erarbeiten, benötigt es die individuellen Erfahrungswerte des jeweiligen Schreinerbetriebs als Grundlage», sagt Diethelm. «Ansonsten besteht die Gefahr, auf falschen oder unvollständigen Daten aufzubauen.» Zurzeit könnten wohl die wenigsten Unternehmen ihre Daten unmittelbar in der geforderten Tiefe abrufen.

Eigene Daten aufarbeiten

Noch bevor der Schreiner sich an die Herausforderung Bim wagt, sollte er seine Daten im Haus auf Vordermann bringen. Details, Konstruktionen und Produktionsunterlagen müssen durchgängig sein und regelmässig gepflegt werden. «Dass alle betriebsinternen Daten auf dem aktuellsten Stand sind und jemand für die Pflege zuständig ist, ist eine Grundvoraussetzung, um den Schritt in Richtung Bim zu meistern», sagt Diethelm. Ausserdem ist die interne Zusammenarbeit von CAD und ERP entscheidend, damit an den richtigen Orten visuelle oder parametrische Daten eingesetzt werden können.

Diese Optimierungsmassnahme bringt vor allem für den Schreiner selbst Vorteile, weil er seinen Planungs- und Produktionsprozess auf den neuesten Stand bringt. «Momentan wird immer von den Vorteilen für den Architekten und Bauherrn gesprochen, aber auch der Schreiner kann mit Bim einen Schritt vorwärts machen», sagt Räber.

Weitere Vorteile für den Schreiner

Neben der erwähnten Datenbereinigung und internen Optimierung begünstigt Bim noch in weiteren Punkten den Schreiner. So kann der Mehraufwand in der vorgezogenen, digitalen Planung wieder eingebucht werden.

  • Das Änderungsmanagement wird um einiges einfacher. Wenn bisher immer ein kompletter und komplexer Korrex-Plan abgesegnet und korrigiert werden musste, können im Bim-Modell einzelne Layer oder Teilbereiche eines Plans abgenommen und freigegeben werden.
  • Die Ausführungssicherheit steigt durch die vorgängige digitale Planung um ein Vielfaches. Dass ein Anschluss am falschen Ort verlegt wird oder ein Werkstück nicht passt, sollte nicht mehr vorkommen.
  • Durch den höheren Grad der Vorproduk- tion und die genaue Abgleichung an den Baukörper wird eine Zeitersparnis erreicht.
  • Der Schreiner hat mehr Einfluss auf das Projekt und die jeweilige Ausführung, weil er früher in die Planung miteinbe- zogen wird.

Damit diese Vorteile auch beim Schreiner und dessen Kundschaft ankommen, ist eine individuelle Grundlagenarbeit seitens der Schreinerbetriebe und deren IT-Partner angesagt. «Es gilt, zuerst betriebsbezogen herauszuspüren, was für Daten und Angaben die eigene Kundschaft überhaupt benötigt. Danach kann dann die eigene Bim-Strategie erarbeitet werden», sagt Räber.

Abrufbare Produktdaten

Neben den internen Daten ist der Schreiner in Zukunft vermehrt auf die Bim-Daten seiner Zukaufteile angewiesen. So benötigt er beispielsweise alle Parameter für die eingesetzten Beschläge. Unter diesem Aspekt führte die Opo Oeschger AG aus Kloten ZH bereits an der letzten Branchenmesse Schreiner/Menuisier 2018 explizite Fachreferate zum Thema Bim für den Schreiner durch. «Wir sehen die Wichtigkeit von Bim für den Schreiner und sind schon in den Vorbereitungen, um unserer Kundschaft ab Mitte dieses Jahres die ersten Produkte Bim-fähig anbieten zu können», sagt Hugo Gähwiler, Mitglied der Geschäftsleitung und zuständig für Produktmanagement und Marketing bei Opo. In einem ersten Schritt werden alle benötigten Daten digitalisiert, in einem folgenden Schritt werden mittels einer Zusammenarbeit mit der Plattform «Buildup» ausgewählte Produkte bereits im Bim-Standardformat IFC abrufbar sein. «Buildup» ist eine der grössten Suchmaschinen für Bauprodukte.

Rüstzeug erarbeiten

In Zukunft werden Schreiner also vermehrt mit Bim-Anfragen in Kontakt kommen. Aus diesem Grund ist es ratsam, das Marktbedürfnis zu beobachten und sich das nötige Rüstzeug langsam anzueignen. Mit abgestimmten Softwarelösungen und Produktplattformen wird das Handwerk in diesem Prozess unterstützt. «Die Baumentalität und Arbeitsweise wird sich ebenfalls mitverändern, und die Schreinerbranche muss ihren Platz neu finden», sagt Räber. Denn der Bim-Prozess eröffnet auch neue Bereiche, in denen der Schreiner beispielsweise als Fachplaner oder Experte Bauprojekte begleiten kann.

www.borm.chwww.opo.chwww.buildup.ch

njg

Veröffentlichung: 10. Januar 2019 / Ausgabe 1-2/2019

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