Souverän vor den Experten

Oft werden Fragen zu den verwendeten Materialien und Beschlägen gestellt. Bild: Philipp Heidelberger

Interview. Die IPA-Präsentation ist eigentlich keine grosse Sache. Trotzdem haben viele Lernende grossen Respekt davor. Ein Experte erklärt, was dahinter steckt, und gibt Tipps, wie man bei der Präsentation eine gute Figur macht.

Derzeit beginnt für viele angehende Schreiner die Phase der Lehrabschlussprüfung. Das Thema der Individuellen Praktischen Arbeit (IPA) ist definiert und vom Lehrbetrieb und vom Experten abgesegnet. Bald machen sich die jungen Leute auch an die dazugehörende Dokumentation und fiebern der Präsentation entgegen.

Die Aufregung im Griff

Dabei gilt es einerseits, vor dem Experten und dem Nebenexperten das Fachwissen unter Beweis zu stellen, und andererseits auch vor Aufregung nicht in Grund und Boden zu versinken. Schliesslich ist es nicht jedermanns Sache, vor aufmerksamen Zuhörern bis zu 15 Minuten lang zu referieren und anschliessend auch noch rund 30 Minuten lang ein Fachgespräch mit dem Hauptexperten zu führen.

Ein Nebenexperte erklärt

Angesichts dieser Herausforderung kann man schon ein wenig ins Schwitzen kommen. Da wäre es hilfreich, jemanden zu haben, der einem im Vorfeld einige Tipps geben kann, die bei der mündlichen Prüfung weiterhelfen. So eine Person ist zum Beispiel Schreinermeister Konrad Schilling. Anfang 2019 hat der heute 60-Jährige seinen Betrieb an einen jungen Mitarbeiter übergeben. Er unterrichtet an der Berufsschule Lenzburg (BSL), wo er seine Kurstätigkeit seit fünf Jahren stetig ausgebaut hat. Als Nebenexperte ist er zusätzlich zum Hauptexperten bei der Präsentation und beim Fachgespräch mit dabei.

 

Schreinerzeitung: Sie sind Nebenexperte. Können Sie uns diese Funktion etwas genauer erläutern?

Konrad Schilling: Ja gerne. Die praktische Arbeit wird im Lehrbetrieb hergestellt. Sie wird von der vorgesetzten Fachperson bewertet. Ergänzend zu dieser praktischen Arbeit verfasst der Lernende eine Dokumentation. Diese wird ausschliesslich vom Hauptexperten in Bezug auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit sowie auf Sauberkeit und Darstellung bewertet. Aus der Dokumentation pickt sich der Lernende ein Element heraus und referiert darüber rund zehn Minuten lang vor dem Haupt- und dem Nebenexperten. Auch beim anschliessenden Fachgespräch, das der Prüfling dann mit dem Hauptexperten führt, spitze ich die Ohren. Der Nebenexperte ist sozusagen das Zünglein an der Waage. Es kann sein, dass ich das Urteil des Hauptexperten teile. Es kann aber auch sein, dass meine Meinung und damit die Note abweicht. Dann heisst es: diskutieren und ausloten.
 

Dieses Jahr werden vor Ihnen an der Berufsschule Lenzburg 90 angehende Schreinerinnen und Schreiner «auftreten». Können Sie den jungen Leuten Tipps geben, wie man bei der Dokumentation, der Präsentation und dem Fachgespräch punktet?

Bei der Dokumentation geht es um einen klaren, gegliederten Aufbau. Eine ausgewogene Mischung aus Text und Fotos machen sie interessant und lesbar. Bei den Fotos ist es gut, wenn die Entstehungsphase dokumentiert wird. So erkennt man, wie das Objekt entsteht.
 

Braucht es dazu eine spezielle Kamera?

Nein, absolut nicht, ein Handy genügt. Das Foto sollte das darstellen, was der Text erklärt. Man soll darauf achten, dass das Foto scharf ist. Geschickt ist es, das Objekt von verschiedenen Seiten abzulichten und auch mal ins Detail zu gehen. Keine Angst vor Kreativität. Als Hersteller darf der Prüfling auch mal selbst im Bild zu sehen sein. Personen bei der Arbeit sieht man als Experte immer gerne.
 

Also einen Profilfotografen muss man nicht engagieren. Aber wie ist es mit dem Text? Wie kann man sicher sein, dass er verständlich ist und auch von der Rechtschreibung her einen einigermassen guten Eindruck macht?

Man kann zum Beispiel die Dokumentation verschiedenen Leuten zum Lesen geben.
 

Aber nicht jeder hat eine Fachperson in der Familie oder im Freundeskreis.

Ja klar, aber das ist gar nicht erforderlich. Manchmal ist es sogar gut, wenn eine Person nichts vom Thema versteht, da kommen die besten Fragen. Schliesslich soll die Dokumentation kein wissenschaftlicher Bericht sein, sondern den Entstehungsprozess eines Objekts für den täglichen Gebrauch aufzeigen. Und ganz wichtig: In der Kürze liegt die Würze. Eine lange Dokumentation ist nicht zwingend besser als eine kurze. Und ebenfalls zu beachten ist: Witze kommen nicht unbedingt gut an. Beim Text zählt nicht der Unterhaltungswert. Die Prüfung ist keine Comedy-Show, sondern eine Gelegenheit, seine fachliche Kompetenz unter Beweis zu stellen.
 

Das klingt einleuchtend. Kommen wir nun zur Präsentation. Diese dauert maximal 15 Minuten. Das kann eine sehr lange Zeit sein. Wie kommt man dabei am besten über die Runden?

Man sollte pünktlich und möglichst ausgeschlafen erscheinen. Beim Referat ruhig so reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist, und das Atmen nicht vergessen. Zudem sollte man sich nie verstellen, sondern authentisch bleiben und auch mal Begeisterung und Berufsstolz zeigen. Sprechen sollte man in angemessenem Tempo und deutlich. Augenkontakt ist ebenfalls wichtig. Verständliche, kurze Sätze sind besser als lange Gebilde, die man selbst nicht versteht. Es empfiehlt sich, keine gegoogelten Passagen auswendig zu lernen, sondern die eigene Sprache zu verwenden. Fachausdrücke aus der Schreinersprache sind gefragt. Fremdwörter, bei denen man nicht so sattelfest ist, sollte man vermeiden.
 

Neben der Sprache gibt es ja noch die Körpersprache. Haben Sie da auch ein paar Tipps?

Es besteht absolut kein Grund, angewurzelt wie eine Zimmerpflanze zu verharren. Man darf sich ruhig bewegen. Zum Beispiel könnte man dem Experten ein Muster bringen. Anhand eines Musters kann man mit wenigen Worten viel erklären.
 

Also pünktlich, ausgeschlafen, beweglich und motiviert. Auf was sollte man sonst noch achten?

Einmal hatte ein Lernender einen Schubladenauszug dabei, und er hat dessen Funktion so erklärt. Das kam gut an. Auch die Kleidung ist ein Punkt. Eine gepflegte Garderobe zeigt, dass man dem Anlass den gebührenden Respekt entgegenbringt. Ich meine damit aber nicht, dass man mit Krawatte und Zweiteiler antreten muss. Auch Höflichkeit öffnet viele Türen.
 

Der Vortrag ist überstanden, das Fachgespräch beginnt. Es bezieht sich in aller Regel aufs hergestellte Objekt. Auf was der Experte eingeht, weiss man aber nicht. Man hat das Gefühl, dass man die Situation damit nicht mehr im Griff hat. Stimmt das?

Häufig nimmt der Experte Bezug auf das Material. Da ist es schon mal gut, einiges über das Holz, den Kunststoff, das Glas oder die Beschläge zu wissen.
 

Aber wie soll man sich verhalten, wenn der Experte eine Frage stellt, auf die man keine Antwort parat hat?

Wenn man etwas nicht weiss, so sollte man das zugeben. Zu einer Schwäche zu stehen ist besser, als irgendetwas zu erfinden, was weder Hand noch Fuss hat. Lieber sagt man: «Na so was. Da bin ich jetzt selbst überfragt. Aber soviel ich weiss …»
 

Vor rund 40 Jahren haben Sie selbst die Berufsprüfung abgelegt. Wie war es damals?

Weniger aufregend, aber auch weniger spannend. Wir kannten die Ausdrücke Powerpoint und Handykamera noch nicht und erstellten auch keine Dokumentation oder Präsentation. Das Thema der Praktischen Arbeit konnten wir uns nicht aussuchen. Wir schreinerten alle den gleichen Schreibtisch. Rückblickend zeigt sich, dass ich anscheinend das Möbel ausgesprochen gut angefertigt habe. Immerhin hat der Schreibtisch alle meine drei Kinder durch ihre Schulzeit begleitet.
 

www.bslenzburg.ch

Tipps und infos zur präsentation

Erfolgreich präsentieren

  • Pünktlich, ausgeschlafen und ordentlich gekleidet erscheinen.
  • Höflich und ruhig bleiben.
  • Berufsstolz, Begeisterung und idealerweise Muster und/oder Materialien mitbringen.
  • Deutlich sprechen.
  • Nicht auswendig lernen, sondern eigene kurze, verständliche Sätze machen.
  • Atmen nicht vergessen.
  • Nicht wie angewurzelt verharren. Beweglichkeit zeigen und locker bleiben.

Kein Weltuntergang

Die gesamte Individuelle Praktische Arbeit (IPA) von der Ausführung bis hin zum Fachgespräch ist wichtig, aber sie zählt bei der Gesamtnote trotzdem nur 20 Prozent. Wenn die Lehrzeit insgesamt gut gemeistert worden ist, ist selbst ein völlig chaotisch verlaufendes Fachgespräch kein Weltuntergang – also locker bleiben.

beb

Veröffentlichung: 07. März 2019 / Ausgabe 10/2019

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