Start in einen neuen Lebensabschnitt

Lena Lüthi hat sich in der Arbeitswelt eingelebt und gewinnt Schritt für Schritt an Selbstständigkeit. Bild: Holdener Schreinerei AG

Kampagne.  Lena Lüthi schliesst in diesem Sommer ihr erstes Lehrjahr als Schreinerin ab. Im Interview erzählt sie, wie sie ihren Start in die Lehre erlebt hat, warum sie sich als junge Frau wohlfühlt im Beruf und welche Arbeiten ihr am besten gefallen.

Lena Lüthi, Sie haben vergangenen Sommer Ihre Lehre als Schreinerin begonnen. Haben Sie gefunden, was Sie von der Lehre erwartet haben?

Lena Lüthi: Nach dem halben Jahr als lernende Schreinerin habe ich mich langsam in die Arbeitswelt eingelebt. Nach einem sehr interessanten Start in die Lehre hatte ich im November einen kleinen Tiefpunkt, denn alles wurde zur Normalität, und ich war eine Zeit lang nicht mehr so motiviert. Nach den Weihnachtsferien, die ich sehr nötig hatte, war ich wieder wie am Anfang richtig motiviert. Das bin ich immer noch, und ich hoffe, dies bleibt noch länger so. Rückblickend auf das halbe Jahr empfinde ich es gar nicht als so langen Zeitabschnitt. Und ich habe schon viele tolle Erfahrungen sammeln können, die ich in meinem späteren Leben sehr gut nutzen kann. Während der ersten Monate habe ich mir immer wieder überlegt, ob es wirklich das Richtige für mich ist. Manchmal hatte ich auch kleine Zweifel. Aber in Gesprächen mit früheren Schulkameraden erfuhr ich, dass es nicht nur mir so geht. Mit der Zeit merkte ich, dass der Schreinerberuf wirklich meiner ist.

Für Sie wären auch andere Berufe infrage gekommen. Welche waren das? Und warum hat die Schreinerin am Schluss das Rennen gemacht?

Ich war noch als Schneiderin, Geomatikerin und Zimmerin schnuppern. Für mich war es eher ein Ausschliessen der Berufe. Zimmerin hat mir am zweitbesten gefallen, jedoch ist es körperlich ein sehr anstrengender Beruf. Die Bauteile im Holzbau sind sehr gross. Ich habe lieber kleinere Werkstücke zum Bearbeiten.

Wie viele Frauen sind in Ihrer Berufsschulklasse? War es eine grosse Umstellung von den eher ausgeglichenen, gemischten Klassen in der Oberstufe?

Ich bin sehr froh, nicht die einzige Frau in meiner Klasse zu sein. Ich kann so auch Gespräche führen und über Dinge reden, die ich mit einem Mann nicht besprechen würde. Bei mir in der Klasse sind 3 der 14 Lernenden Frauen. Für mich ist das die perfekte Kombination, denn es gibt nicht diese Grüppchen.

Warum ist eine Frau besonders geeignet, Schreinerin zu lernen?

Ich finde es einen perfekten Beruf, wenn man gerne handwerklich arbeitet. Es spielt doch keine Rolle, ob eine Frau oder ein Mann den Beruf lernt. Weder Mann noch Frau ist besser oder weniger gut geeignet. Es soll jede und jeder lernen, was ihm gefällt.

Gibt es Aufgaben in Ihrem Beruf, bei denen Sie an Ihre Grenzen stossen?

Das gibt es bei mir ganz sicher. Zum Beispiel, wenn ich eine schwere Steinplatte hochheben muss.

Was halten Sie von klassischen Frauen- und klassischen Männerberufen?

Ich halte nicht viel davon. Es ist klar, dass es immer noch Berufe gibt, die eher zu den Frauenberufen oder Männerberufen gehören. Bei den einen Berufen sind Männer, bei anderen Frauen im Vorteil. Als Frau ist man vielleicht etwas benachteiligt, wenn viel Kraft notwendig ist, beispielsweise als Maurerin oder Zimmerin. Aber ich finde, jeder soll den Beruf wählen, der ihm gefällt, egal, wie andere über ihn denken.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag der Lena Lüthi aus?

Um 5.30 Uhr klingelt bei mir der Wecker. Nach dem Frühstücken fahre ich mit dem Velo zum Bahnhof, und dort nehme ich den Bus in Richtung Arbeitsplatz. Um 6.45 Uhr komme ich in die Werkstatt und schaue zuerst, bei welcher Arbeit ich eingetragen bin. Um 7 Uhr beginnt die Arbeit. Nach der halbstündigen Znünipause arbeite ich bis um 12 Uhr. Nach der Mittagspause von einer Stunde arbeite ich ohne Pause bis am Feierabend, um 17 Uhr. Um zirka 18 Uhr bin ich wieder zu Hause und esse mit meiner Familie Znacht. Dann geht es meist schon bald ins Bett, damit ich am nächsten Morgen wieder fit fürs Arbeiten bin.

Gibt es Lieblingsaufgaben, die Sie als angehende Schreinerin verrichten?

Am liebsten arbeite ich mit Massivholz. Die meisten Arbeitsschritte kann ich mittlerweile selbstständig ausführen. Der Grund, weshalb ich lieber mit Massivholz als mit anderen Werkstoffen arbeite, ist einfach: Ich habe den Beruf ausgewählt, weil ich mit richtigem Holz arbeiten möchte.

Wie ist das Verhältnis zwischen auswärtigen Arbeiten und solchen in der Werkstatt? Sind Sie eher bei Kunden an der Arbeit oder eher im Lehrbetrieb?

Es ist ganz unterschiedlich. Manche Wochen bin ich fast nur auf der Baustelle und manche Wochen nur im Betrieb. Es kommt ganz darauf an, wo meine Hilfe am meisten gebraucht wird. Über die ganze Zeit hinweg ist es etwa ausgeglichen.

Was raten Sie einer jungen Frau, die sich für einen handwerklichen Beruf interessiert, sich dies aber nicht zutraut?

Für mich war es wichtig, mit einer Frau, die einen handwerklichen Beruf gelernt hat, über die Vor- und Nachteile zu sprechen. So wusste ich, was es etwa bedeutet, als Frau im Beruf als Schreinerin zu arbeiten. Für mich ist es auch sehr hilfreich, dass wir eine Lehrtochter im zweiten Lehrjahr haben. Denn mit ihr kann ich auch Probleme ansprechen, die auch sie schon betroffen hat. Deswegen würde ich raten, einen Lehrbetrieb auszuwählen, der auch schon Frauen ausgebildet hat oder noch eine Lernende im Betrieb ausbildet.

Fabienne Wey

Zur Person

Lena Lüthi (16) hat bald ihr erstes Lehrjahr bei der Holdener Schreinerei AG in Oberiberg SZ hinter sich. Für sie ist der Schreinerberuf gleichermassen geeignet für Frauen wie für Männer. Jungen Frauen, die sich überlegen, eine Ausbildung in diesem Beruf zu machen, aber noch unsicher sind, gibt sie einen Ratschlag: Sie sollen bei der Entscheidungsfindung mit einer Schreinerin sprechen und so Zweifel abbauen. SZ

www.holdener-schreinerei.ch

Social-Media-Kampagne

Die Branchenorganisation Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz (LHZ) macht in diesen Wochen mit einer Social-Media-Kampagne Frauen in der Holzbranche sichtbar. LHZ-Mitarbeiterin Fabienne Wey stellt mit Interviews spannende Frauen in den Mittelpunkt, die als Schreinerinnen, Försterinnen oder Sägerinnen arbeiten. Die Schreinerzeitung begleitet die Kampagne und veröffentlicht Inhalte daraus. SZ

www.lignum-zentral.ch

 

Veröffentlichung: 06. Mai 2021 / Ausgabe 19/2021

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