Stauraum, der an der Wand hängt

So werden schon bald einige Küchen des Projekts «Wolkenwerk» in Zürich aussehen. Bild: Stump + Partner

Küchenoberschränke.  Sie lassen sich auch aus modernen Küchen nicht einfach wegdiskutieren: Oberschränke sind viel zu praktisch. Heikel ist allerdings die Statik der Oberbauten. Damit es nicht zu bösen Überraschungen kommt, gibt es so einiges zu beachten.

Von klein auf wird einem beigebracht, dass all die Dinge, die täglich gebraucht werden, in irgendwelchen Schränken ihren Platz haben. Korpusmöbel sind also absolut selbstverständlich. Erlernt man dann als junger Mensch den Beruf des Schreiners, wird man sich der vielen Eigenschaften bewusst, die diese Möbel zu erfüllen haben.

Irgendwann ist es dann logisch, dass ein Schrank mit einem Tablar aus 19 Millimeter dicker, beschichteter Spanplatte auf vier einfachen Tablarträgern kein ideales Versteck für ein zehnjähriges Kind abgibt – es gibt Belastungsgrenzen. Schränke haben einen vorgegebenen Zweck zu erfüllen und müssen dafür jeweils gezielt gebaut werden. Das besagte Tablar darf sich also bei voller Last nicht gross durchbiegen, da die Tablarträger sonst nicht mehr scherbelastet sind, sondern wie ein kleiner Hebel die Einstecklöcher in den Schrankseiten oval aufdrücken. Damit zeigen die Träger dann leicht nach unten und mit dieser Rampe bewirkt das Tablargewicht, dass die Schrankseiten nach aussen gedrückt werden. Deshalb sollten Hochschränke einen fest eingeleimten Mittelboden haben.

Griffbereit nah

Die Dynamik mit Gewichtsauswirkungen nimmt nochmals deutlich zu, wenn die Lastabtragung nicht in den Boden erfolgt, sondern wenn der Schrank an der Wand hängt. Küchenoberschränke sind da ein gutes Beispiel. Gerade in einer Werkstatt für die Essenszubereitung ist Stauraum auf kompaktem Gebiet ausserordentlich wichtig, damit man an all die vielen Dinge schnell und sicher herankommt.

Genauso wichtig sind aber auch Arbeitsflächen, weshalb die Schränke darüber einen gewissen Abstand haben und in der Tiefe Kopfraum freilassen. Durch wechselnde Moden und das Variieren der Tellerdurch-messer werden Oberschränke heute eher 20 Millimeter tiefer, nämlich 350 Millime-ter über alles gefertigt. Gerade die vorderen Ecken einer Aussenseite müssen, nach allen Erkenntnissen vorher, sehr gut mit dem Boden und Deckel verbunden sein. Diese werden in der Regel zwischen den Seiten liegen, damit die Verbindungen scher- und nicht zugbelastet sind.

Geltende Normen

Was Oberschränke überhaupt aushalten müssen, ist in der 2016 aktualisierten Norm SN EN 14749 festgehalten. Neu sind dabei Verweise in die SN EN 16122, «Behältnismö-bel für den Wohn- und Nicht-Wohnbereich – Prüfverfahren der Festigkeit, Dauerhalt-barkeit und Standsicherheit» enthalten.

Als Prüfgewicht ist für den Unterboden 250 kg/m2 vorgeschrieben und ein Rechnungsschlüssel gibt an, wieviel die darüberliegenden Böden zu tragen haben. Rafael Duss von der Veriset Küchen AG in Root LU hat ausgerechnet: Bei einem Hängeschrank mit den Aussendimensionen (Breite, Höhe, Tiefe) von 600 × 762 × 350 mm ergibt dies insgesamt 106 Kilogramm Belastung. Bei einem doppeltürigen Oberbau mit den Dimensionen 1200 × 762 × 350 mm sogar 188 Kilogramm. Hier ist noch eine Minderungsformel eingerechnet, welche für Möbel über einem Innenvolumen von 0,225 m3 gilt. Wer beim Zügeln schon mal alles Geschirr in nur eine Kiste gepackt hat und diese dann über mehrere Stockwerke tragen wollte, weiss, dass diese Prüfgewichte sicher nicht übertrieben sind.

Worauf beim Gewicht zu achten ist

Der konstruktiven Verbindung des Korpusses und der wirklich sauberen Ausführung sind sicher die volle Aufmerksamkeit zu widmen. Dazu gehört aber auch die Qualität der Spanplatte sowie die Bekantung aller vier Kanten der Seitenteile. Die Festigkeit der Schrankaufhänger muss für das Gesamtgewicht der grössten verwendeten Oberschrankdimension ausgelegt sein.

Wenn ein relativ niedriger Korpus nicht bis zur Zimmerdecke reicht und dessen Deckel einigermassen gut erreichbar ist, wird er mit Sicherheit beladen werden – also besser etwas vorsichtig rechnen.

Einstellbare Aufhängebeschläge

Aufhänger gibt es solche, die im Korpusinneren an die Seite montiert werden und somit gut zugänglich sowie jederzeit einstellbar sind. Es gibt auch solche, die hinter der Rückwand, aber ebenfalls in die Seite montiert werden. Ausser ein paar kleinen Lö-chern in der Rückwand für die Justierung bleiben diese unsichtbar. Werden Aufhängeplatten oder -leisten von hinten in die Korpuskanten geschraubt, muss sichergestellt sein, dass die Schraubverbindungen den geforderten Ansprüchen genügen. Kann der Korpus auf einer Nischenrückwand abgestellt werden, überträgt sich einiges an Last auf die Arbeitsfläche darunter.

Schränke, die man aufhängt, müssen separat gegen das unbeabsichtigte Aushängen gesichert werden. Das kann als Funktion im Beschlag enthalten sein oder muss zusätzlich sichergestellt werden. Die Vorschrift kann man in der Norm SN EN 14749 unter 5.3.11.5 nachlesen.

Der Träger an der Wand

Eingehängt werden die genannten verstellbaren Schrankaufhänger in Aufhängeschienen. Diese gibt es allerdings in verschiedenen Längen. So bietet die Häfele Schweiz AG aus Kreuzlingen TG eine Trägerplatte aus Stahl an, die 110 Millimeter lang ist und deren Einhängeprofil mittig so ausgeschnitten ist, dass die Kanten der Schrankseiten noch Platz haben. Die Firma bietet auch eine durchgehende Aufhängeschiene aus Stahl mit einer Maximallänge von 2032 Millimeter an. Da braucht der Oberschrank dann im unteren Bereich in Richtung Wand einen entsprechenden Abstandhalter, da die Schiene keine Ausklingungen hat. Andere Anbieter führen auch Stahlprofile entsprechend der Norm-Korpusbreiten.

Schienen für mehr Befestigungspunkte

Lange Profile haben den Vorteil, dass mit der Positionierung der Befestigungsdübel auf die jeweilige Wandsituation reagiert werden kann und somit immer die maximale Festigkeit erreicht wird. Dübel wie Schrauben müssen zu diesem Zweck aufeinander und auf die Wandbeschaffenheit abgestimmt sein sowie entsprechend der Herstellerangaben eingesetzt werden. Ebenso ist die Anzahl der verwendeten Befestigungspunkte in der Aufhängeschiene wichtig. Der Verband Küche Schweiz empfiehlt ein Minimum von vier Schrauben pro Möbel. Dem Verband sind Fälle bekannt, bei denen die Montage nicht fachgerecht ausgeführt wurde, und sich Oberbaumöbel deshalb von der Wand gelöst haben.

Sollen die Korpusse schalldämmend eingebaut werden, muss jede Kontaktstelle gummigelagert ausgeführt werden. In der Praxis scheint die Verwendung von Gummitüllen und -streifen geeigneter als Schallschutzdübel zu sein, womit die Aufhängeschienen an die Wand befestigt und die Korpuskanten unterlegt werden. Das «Technische Küchenhandbuch» von Küche Schweiz gibt da umfassend Auskunft.

Neue Befestigungen im Gips

Interessant ist die Entwicklung im Trockenbau: Bisher mussten Gipswände im Befestigungsbereich von Oberschränken zwingend mit Holz hinterlegt werden, um die Belastung sicher und dauerhaft zu halten. Mit den Gipsfaserplatten der Fermacell GmbH aus Münsingen BE könnte man darauf verzichten. Da aber schon während der Planung feststeht, wo die Küche genau montiert wird, findet man bei Fermacell eine Hinterlage dennoch sinnvoller.

Die Herzog Küchen AG aus Unterhörstetten TG hat zusammen mit der Rigips AG in Mägenwil AG mit deren neuen Platte «Habito» Tests bezüglich Oberschrankbefestigung durchgeführt. Das Ganze geschah als Abklärung für die Grossüberbauung «Wolken-werk», die in Zürich Oerlikon entsteht. Die stossfeste Platte bietet unter anderem eine hohe Tragkraft und es müssen keine Ein-lagen verbaut werden.

Die Möglichkeit, Elemente direkt mit Spanplattenschrauben an der Wand befestigen zu können, ist zudem für Mietwohnungen sehr interessant. Die Wände werden weniger verletzt, als wenn man Dübel einsetzt. Vorausgesetzt, der Mieter weiss über die Wände Bescheid.

www.veriset.chwww.haefele.comwww.küche-schweiz.chwww.fermacell.chwww.herzog-kuechen.chwww.rigips.chwww.wolkenwerk.ch

ab

Veröffentlichung: 31. Januar 2019 / Ausgabe 5/2019

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