Unterschiede sind keine Differenzen

Deutsche und Schweizer Lernende im Austausch auf dem Schilthorn. Bild: Bildungszentrum Interlaken

LERNENDENAUSTAUSCH.  Erst arbeiteten sechs Schweizer Schreinerlernende in Tischlereien in Stade bei Hamburg, dann kamen sechs Tischlerlernende ins Berner Oberland. Das Pilotprojekt ist so erfolgreich, dass es nun jährlich wiederholt werden soll.

Die Lernenden aus Deutschland staunten bereits bei der Ankunft nicht schlecht über unsere Berge. Kein Wunder, liegt doch im Gebiet rund um Hamburg die höchste natürliche Erhebung gerade mal 116,2 Meter über dem Meeresspiegel. Und Berge sind nicht der einzige Unterschied, wie die zwölf Lernenden aus Deutschland und der Schweiz bald merken sollten.

Massive Unterschiede

Im hohen Norden fiel auf, wie stolz die jungen Schweizer auf ihr Handwerk mit Massivholz sind. Der Unterschied vom Arbeiten mit Massivholz zu dem in Deutschland oft verwendeten Merantiholz sei gross. Christian Zurbuchen aus Habkern erklärt es so: «Es ist ähnlich, wie wenn du eine Kuh kaufst, von der du weisst, dass sie weniger Milch gibt, schneller ausgetauscht werden muss, aber halt einfach günstiger in der Anschaffung und etwas gäbiger zu halten ist.» Zudem sei das Klima in der Schweiz halt schon trocken im Vergleich zu Deutschland. Darum werden Fenster dort auch viel mehr aus Kunststoff und eben Tropenhölzern gemacht, da diese dem feuchten und salzhaltigen Klima besser standhalten.

Andere Lehre

Bei uns geniessen angehende Berufsleute eine duale Ausbildung. Vom ersten Tag ihrer Lehrzeit sind sie vier Tage im Betrieb und gehen ein bis maximal zwei Tage in die Berufsschule und zusätzlich in überbetriebliche Kurse. Ein bisher einzigartiges Bildungssystem, das weltweit einen sehr guten Ruf geniesst. Gerade erst im Oktober haben das 20 Medaillenträger aus der Schweiz an den Berufsweltmeisterschaften in Abu Dhabi eindrücklich bewiesen. In Deutschland gehen die angehenden Tischler das erste Jahr nur in die Berufsfachschule. Dort absolvieren sie nebst dem theoretischen Unterricht in der schulinternen Werkstatt diverse Ausbildungen an verschiedenen Maschinen. Nach diesem Jahr gehen sie dann das erste Mal in den Lehrbetrieb. Genau wie hier, vier Tage im Geschäft und einen Tag in der Schule. Einziger Unterschied: Die Tischler schliessen ihre Lehrzeit bereits nach drei Jahren ab. Dieser Unterschied, oder die Methodik der beiden verschiedenen Wege zum Beruf, wurde unter den Lernenden viel diskutiert.

Viel Pionierarbeit

Das «Erasmus+»-Austauschprogramm begann mit einem Telefonanruf von Beat Reichen, Präsident Schreinermeisterverband Berner Oberland, an Ernst Meier, Vize-Rektor vom Bildungszentrum Interlaken bzi. Zusammen wurde innerhalb kurzer Zeit das Pilotprojekt ausgearbeitet mit Unterstützung einer Partnerschule in Deutschland, der Jobelmannschule in Stade und der Tischler-Innung Stade. Nun galt es noch die Finanzierung zu sichern und je sechs Gastfamilien in Deutschland und der Schweiz zu überzeugen. Dies gelang dank der eidgenössischen Agentur Movetia, welche den Austausch und die Mobilität in der Berufsbildung fördert. Aber ohne das Wohlwollen der Lehrbetriebe sowie der funktionierenden Lehrortkooperation von Betrieb, Verband und Schule beider Länder hätte es im September und Oktober 2017 keinen Austausch gegeben.

Wiederholung garantiert

Dieses erste Projekt war der Startschuss für eine langjährige Zusammenarbeit. Die beteiligten Schulen und die Tischler-Verbände sind sich einig, dass man viel voneinander lernen kann. Die Lernenden profitieren von dieser einzigartigen Lebenserfahrung sowohl fachlich als auch persönlich. Es gab so manchen Unterschied, aber keine Differenzen. Man hat eine Partnerschaft entwickeln können, die von Kompetenz, Vertrauen und Sympathie geprägt ist. Dieses Projekt soll, wenn es nach dem Bildungszentrum Interlaken bzi geht, noch viele Male wiederholt werden.

AJ

Veröffentlichung: 07. Dezember 2017 / Ausgabe 49/2017

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