Viel Schliff fürs Abenteuer

Das Negativ, das dem Rumpf die Form gibt, sieht aus wie ein Fischskelett. Bild: Remo Selenati

Eigenprojekt.  Remo Selenati hatte Lust, ein Kanu zu bauen. In einem Buch holte sich der 19-jährige Zürcher Oberländer Inspiration und realisierte seine Idee in gut 300 Arbeitsstunden. Mit seinem Kanadier hat er zwei Preise gewonnen.

Es ist 4,6 Meter lang und 35 Kilogramm schwer: das selbstgebaute Kanu von Remo Selenati. «Die richtige Bezeichnung ist Kanadier, doch umgangssprachlich spricht man von einem Kanu. Es hat Platz für zwei Personen, eventuell auch drei», erklärt er. Als Kind hatte er einmal ein Modellsegelboot aus Balsa gebaut und sich in der Sekundarschule kurz für eine Lehre als Bootsbauer interessiert. Auf einer Wanderung diskutierte er einmal mit seinem Bruder darüber, wie schwierig es wohl wäre, selbst ein Kajak zu bauen.

«Ich habe mir daraufhin verschiedene Videos auf Youtube angeschaut und entschieden, lieber ein Kanu zu bauen», erzählt der 19-Jährige aus dem zürcherischen Wolfhausen. «Das ist oben offen.» Zudem wird in einem Kanu nur ein Paddel mit einem Blatt verwendet, im Kajak sind es Doppelpaddel.

Schwierige Laminierung

Also hat sich Remo Selenati an die Arbeit gemacht. Die Bauanleitung hat er aus dem Buch «Canoecraft» von Ted Moores. Der angehende Schreiner im vierten Lehrjahr hat für das Kanu leichtes Zedernholz verwendet. Dessen Dicke beträgt sechs Millimeter. «Innen und aussen befinden sich je noch drei Lagen Glasfasergewebe drauf. Das ist nötig für die Stabilität und die Wasserfestigkeit.» Die Laminierung der Glasfasern mit Epoxidharz sei etwas vom Schwierigsten gewesen. «Dafür, dass ich es zum ersten Mal gemacht habe, ist es aber gut geworden. Es hat einfach kleine Fehler drin.» Es heisst, man könne die Laminierung 1000 Mal machen und immer noch dazulernen. Die Teile für das Negativ, das dem Rumpf die Form gibt, hat er mit einem CNC-Bearbeitungszentrum herausgefräst.

Viel Schleifarbeit

Für die Bauzeit hat der Lehrling rund 300 Stunden benötigt. «Vor allem das Schleifen hat recht lange gedauert. Eigentlich mache ich das gerne, doch es schien, als dauert es ewig, und es wurde etwas eintönig», erzählt Selenati. Jeweils am Samstag hat er am Kanu gearbeitet. «Super war, dass ich das in meinem Lehrbetrieb, der Bertschinger Innenausbau AG, machen durfte.» Ins Material hat er zwischen 2500 und 3000 Franken investiert, aus dem eigenen Portemonnaie. Sein Lehrbetrieb hat netterweise finanziell auch etwas beigesteuert.

Den anderen gefiel sein Werk

Weil der Zeitpunkt passte und ihn seine Freundin darauf aufmerksam gemacht hatte, meldete sich Remo Selenati mit dem Kanu für den Lehrlingswettbewerb Züri-Oberland an, zu dem alle Lernenden aus der Region berufsübergreifend zugelassen sind. Das war im November 2019. «Zu einem Jurypreis hat es leider nicht gereicht, dafür habe ich eine Auszeichnung der anderen Teilnehmer erhalten», sagt er. Die Jugendlichen hatten ihre Arbeiten gegenseitig bewertet. Zudem wurde der Schreinerlehrling im Februar mit dem Preis des Bezirksgewerbeverbands Uster überrascht. Der Jury hatte sein Kanu am besten gefallen. Er erhielt dafür einen Geldpreis, der mit 500 Franken dotiert ist. «Das war cool.»

Der Zürcher Oberländer hat das Kanu mittlerweile ausprobiert. «Ein schönes Gefühl. Wenn die Coronakrise vorbei ist, möchte ich damit bald auf den Walensee. Denn dort hat es immer Wellen. Ich bin gespannt, ob ich sie mit dem Kanu überwinden kann.»

Doch das Kanu soll nicht nur in der Schweiz zum Einsatz kommen. «Ich würde sehr gerne eine Tour mit dem Kanu und dem Zelt machen. Ich denke da an Frankreich oder Italien. Eine Reise nach Schweden wäre auch ganz toll.» Bis dahin muss das Kanu aber im Schopf seines Grossvaters auf seinen nächsten Einsatz warten.

Ein Schreibtisch als IPA

Für Selenati steht als Nächstes der Berufsabschluss an. Seine IPA, die individuelle praktische Arbeit, die zum Qualifikationsverfahren gehört, hat er schon beendet, und er ist froh darüber. «Ich habe früh angefangen, weil nicht alle Lernenden im Betrieb gleichzeitig an ihren Stücken arbeiten können», erzählt er. «Nun fehlt nur noch die dazugehörige Präsentation.» Seine IPA ist ein Schreibtisch. «Mein Chef liess mir die Wahl, ob ich was eigenes oder einen Kundenauftrag machen möchte. Da ich bisher nur einen billigen Schreibtisch von Ikea hatte, habe ich mich für ein selbst gebautes Modell entschieden. Diesen Tisch kann ich noch lange gut brauchen.»

Nach dem Qualifikationsverfahren wird der Zürcher bei der Bertschinger AG voraussichtlich weiterarbeiten können, bis er im Frühjahr 2021 in die Rekrutenschule muss. «Ich versuche, die Aufnahme in die Militärmusik zu schaffen», erzählt er. Denn Selenati spielt Schlagzeug, und das gut. In der vierten Klasse hat er damit angefangen. Er gehört dem Sinfonischen Blasorchester Helvetia Rüti-Tann an, das zu den besten der Schweiz gehört.

Schlagzeug als nächstes Projekt

«Ich habe fest vor, bald ein eigenes Schlagzeug zu bauen», erzählt er. Entweder durch Holzbiegen oder nach der Fassbauweise. «Ich könnte mir gut vorstellen, nach dem Militär in einer Holzbiegerei zu arbeiten. Das wäre eine berufliche Perspektive, die ich spannend fände.» Eine weitere Möglichkeit wäre für Selenati, später in die Polizeischule zu gehen. «Vorerst bleibe ich aber Schreiner. Das gefällt mir.»

www.bertschingerag.ch

ndo

Veröffentlichung: 07. Mai 2020 / Ausgabe 19/2020

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