Viele Ideen, aber wenig Lust

Vom Regal zum Schreibtisch zum Bett. Bei Clei sind solche Verwandlungskünstler Geschäftsmodell. Inzwischen erscheinen solche Schlafplätze auch auf Knopfdruck mit elektrischem Antrieb. Bild: Clei

Raumsparen.  Beschläge für multifunktionale Möbel sorgen dafür, dass der vorhandene Platz besser genutzt werden kann. Mit ein paar Handgriffen wird so aus der Fernsehfront des Regales etwa ein Arbeitsplatz, oder das Bett erscheint per Knopfdruck aus der Regalwand.

Das Leben in der Stadt liegt hoch im Kurs. Und aller Voraussicht nach wird die Urbanisierung ein Phänomen unserer Zeit bleiben. Heute wohnen drei Viertel der Schweizer Bevölkerung in Städten und deren Agglomerationen. Wo sich Menschen konzentrieren, liegt es nahe, die verfügbaren Mittel und den knappen Raum gut auszunutzen.

Dabei hilft auch die Digitalisierung, Zeit, Raum und Ressourcen in der Stadt intelligent zu managen. So kann nach dem Elektroauto und dem Scooter auch das Büro und der einzelne Schreibtisch geteilt werden. Beim Wohnraum geht es weniger ums Teilen denn um die effiziente Raumnutzung, wobei die sogenannten Longstay-Unterkünfte in Form wochen- oder monatsweiser Miete ein relativ junges Phänomen geteilter Wohnfläche sind.

Die Ideen, wie eine clevere Bespielung des begrenzten Platzangebotes innerhalb der vier Wände aussehen kann, sind längst nicht neu. Bereits seit den 1960er-Jahren gibt es wahre Verwandlungskünstler an Möbeln und Beschlägen, mit denen sich die Grenzen der Zimmerkategorien auflösen. Seit Jahrzehnten tüftelt und baut etwa der italienische Hersteller Clei Raumsparmöbel mit eigenen Beschlägen, mit denen sich etwa das Wohnzimmer mit wenigen Handgriffen in einen Schlafbereich verwandeln lässt.

Neuere Konzepte des Unternehmens sehen noch grundlegendere Verwandlungen vor. Dabei werden die Wände beweglich. So lassen sich bei Bedarf einzelne Bereiche zu abgetrennten Zimmern umfunktionieren, während der Raum bei Nichtgebrauch grossflächig bleiben kann.

Bislang nur punktuell Bedarf

Der altbewährte Einbauschrank ist im Grunde auch ein Lösung, um eine Wandnische effizient zu nutzen. Während Einbaumöbel wie etwa Schränke unter Treppenläufen, bei Dachschrägen oder geplanten Wandnischen in den Auftragsbüchern von Schreinereien immer wieder auftauchen, scheinen die weitergehenden Verwandlungskünstler nicht ganz so häufig zum Einsatz zu kommen. Das könnte auch kulturelle Gründe haben. Möglicherweise wollen Europäer lieber grosszügig wohnen, während praktische Aspekte wie spürbares Raumsparen mit Mehrfachnutzungen eher als Einschränkungen oder gar Verzicht empfunden werden. «Weltweit gesehen, ist das Raumsparen ein grosses Thema. In der Schweiz sind solche Lösungen bislang noch nicht sonderlich gefragt, aber das kann sich ändern», erklärt Oliver Borst, Marketing Manager bei Häfele in Kreuzlingen TG. Doch schon in den skandinavischen Ländern stelle sich die Lage anders dar.

Auch würde das Ganze mit einem Verteilungsproblem zusammenhängen. Wer es sich leisten könne, wohne auf grösserer Fläche, und wer nur ein kleines Appartment bezahlen könne, dem fehlten oft die Mittel für solche Investitionen in die Innenarchitektur. Denn Raumsparbeschläge sind als Einzelbeschlag recht hochpreisig. Schon ein einfaches, einzelnes Klappbett kommt so schnell auf 3000 Franken. Im Objektbereich, für Ferienwohnungen und die erwähnten Longstay-Apartments rechnen sich solche Lösungen deshalb eher, wenn höhere Stückzahlen gebraucht werden.

Trotzdem: Wenn es eng zugeht, sind praktische Lösungen gefragt. Die Nutzung rückt dann in den Mittelpunkt einer Möblierung und Ausstattung, spätestens wenn hohe Mietzinsen der Fläche einen entsprechenden Druck zu einer solchen Effizienz erzeugen. Und da anzunehmen ist, dass sich das Mietzinsniveau in vielen Städten weiter nach oben entwickeln wird, könnten Lösungen schon bald gefragter sein als auch schon. Die Sache ist einfach: Ein Raum, der Bedürfnisse wie Aufenthaltsbereich, Essen und Wohnen oder auch fürs Homeoffice tagsüber erfüllt und gleichzeitig das Bett in der Nacht bereitstellt, spart damit schlicht ein Zimmer ein.

Immer mal wieder in Mode kommen erweiterbare Tische. Zuletzt in beeindruckenden Dimensionen, konnten Tische um mehr als das Doppelte ihres urspünglichen Masses in Längsrichtung expandieren. Technisch machbar, stehen solche Höchstleistungen kaum mehr im Mittelpunkt des Interesses. «Es ist immer eine Frage des Preises und der Stabilität von solchen Beschlägen», sagt Borst. Neben Häfele sind es vor allem italienische Beschlagproduzenten wie Pozzoli, Pessotto, Atim oder Il Careti, die platzsparende Technik für wandelbare Möbel entwickeln. Viele Handelsbetriebe haben nur wenige Modelle für das Raumsparen im Programm. Das ausklappbare Bett aus dem Schrank, die Tischverlängerung oder der Tischauszug aus der Küchenschublade sind gängige Varianten. Darüber hinaus gibt es nur wenige Angebote aus den Katalogen. Neben der geringen Nachfrage in den mitteleuropäischen Ländern würden Schreiner bei Bedarf auch eigene Lösungen kreieren, weiss Borst zu berichten.

Der Wow-Effekt ist hilfreich

Für den Beschlagproduzenten Häfele sind Raumsparlösungen jedoch ein wichtiges Thema. In jüngerer Zeit sind deshalb einige Modelle hinzugekommen. So auch der Beschlag Tavoletto. Dabei handelt es sich um eine Schreibtisch-Bett-Kombination. Die Arbeitsfläche wird zur Verwandlung heruntergeklappt und das Bett über den Schreibtisch gestülpt. Tavoletto ist auch insofern spannend, als es diesen als reinen Beschlag gibt. Das heisst, der Schreiner muss nicht gleichzeitig Möbelkomponenten wie den Lattenrost kaufen, sondern kann das Möbel individuell gestalten.
 

Videos unter:

www.schreinerzeitung.ch/de/artikel/viele-ideen-aber-wenig-lust
 

www.clei.itwww.haefele.chwww.atimspa.comwww.ilcareti.itwww.pessottoreti.comwww.poettker.comwww.pozzoli.biz

Was die Statistik sagt

Zunehmend weniger Fläche

Das Wohnen in den Metropolen der Welt ist eine kostspielige Angelegenheit geworden. In der Schweiz schlägt sich das statistisch noch nicht wirk- lich nieder. Manche Kennzahl verhält sich sogar gegenteilig. Je älter wir im Durchschnitt werden, desto mehr Wohnfläche entfällt auf eine Person. Und die Anzahl der in einem Haushalt lebenden Menschen sinkt jedes Jahr ein wenig, aber stetig. Laut Bundesamt für Statistik nimmt in Mehrfamilienhäusern die Fläche pro Kopf etwas zu, während die Kennzahl bei den Einfamilienhäusern sinkt. Doch der langjährige Trend zu mehr Fläche hat sich in den letzten 15 Jahren allerdings umgekehrt. Die Wohnfläche pro Person nimmt in der Schweiz laut Statistik seit einigen Jahren ab – von knapp 50 m3 um das Jahr 1990 auf noch gut 47 m3 in den Jahren 2016–2020.

www.bfs.admin.ch

Christian Härtel, ch

Veröffentlichung: 15. September 2022 / Ausgabe 37/2022

Artikel zum Thema

25. April 2024

Stabile Wände fürs stille Örtchen

WC-Trennwände.  In öffentlichen Gebäuden wie Restaurants oder Hotels, wo die Toilette aus einem Raum besteht, sorgen WC-Trennwände für Privatsphäre und Ruhe. Die Schreinerzeitung stellt Systeme verschiedener Hersteller vor und zeigt, wo die Unterschiede liegen.

mehr
25. Januar 2024

Alles von der Rolle

Rad und Rolle.  Mit der richtigen Rolle wird alles mobil. Wie man zur richtigen Rolle kommt und was es braucht, um dauerhaft gut unterwegs zu sein, darüber geben zwei Experten der Branche Auskunft. Ein Fazit daraus: erst auf die praktischen Aspekte achten und danach auf das Design.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Beschläge