Von Architekt bis Zylinder

Architekten-Alptraum. Illustration: Widmer

Türplanung.  Architekten erleichtern sich die Arbeit, wenn sie sich früh mit den Türen abgeben. Bei grösseren Projekten sind eine fachmännische Ausschreibung und der Beizug eines Türplaners von grossem Wert. So enden nachträgliche Änderungen nicht in einem Türchaos.

Schiebetür mit Zuko-Leser oder Elektroschloss? Mit Steuerbox, Panik- oder Amokfunktion? Solche Begriffe aus der Türplanung kommen dem Architekten früher oder später zu Ohren. Die komplexe Technik erlaubt es nicht mehr, die Türschliessung auf das Bauende zu verschieben. Dann sind die Türen zu respektive ist es zu spät für ein zusammenhängendes System.

Bei nachträglichen Türänderungen kristallisieren sich zwei Hauptprobleme heraus: Einerseits stimmen die baulichen Massnahmen nicht, wie zum Beispiel fehlende Elektrokabel oder falsche Masse, und andererseits hat die Änderung einer einzelnen Tür Konsequenzen auf andere Durchgänge. Denn: Sie alle sind miteinander verbunden, sind Teil eines Systems oder mehrerer Systeme. Zu nennen sind die Fluchtwege, elektronisch oder digital gesteuerte Schlösser, die Videoüberwachung und der Einbruchschutz. Das ist das Umfeld des Türplaners – nicht zu verwechseln mit dem Schliessplaner: Er beschäftigt sich mit Zylinder und Schlüssel. Türspezialisten sind rar. Für Schreiner bietet sich hier die Möglichkeit, in diese Marktlücke zu springen.

Türplanung rückt nach vorn

Daniel Moser von der Moser Sicherheit AG in Cham ZG erhält oft Anrufe von verzweifelten Bauleitern, die gegen Ende des Projekts vor vollendeten Tatsachen stehen. Er erzählt Beispiele von zu kleinen Rohmassen oder von Steuerungen, Auslösetasten und Fluchtterminals, die vergessen gingen. Muss nachträglich installiert, umgeplant und nachbestellt werden, kann das zu Terminverzögerungen und doppelt so hohen Kosten als geplant führen. «Am Schluss ist der Elektriker die arme Ratte», sagt Sicherheits- und Brandschutzfachmann Moser. «Er muss die Wände aufspitzen und seine Leitungen irgendwo unterbringen.»

Die elektronischen Schlösser katapultieren die Türplanung im Bauablauf nach vorn, zeitgleich zu den Fachplanern. Der Elektroingenieur kann die Türumgebung einfach mit Strom versorgen, Leerrohre und Platz für die Steuerkästchen einplanen. So kann er auch die Leitungen in den Steigzonen und Installationsschächten unterbringen. Auch neben den Rahmen braucht es Platz für Fluchtsteuerterminals, Nottasten oder Zutrittskontrollen.

Der Planer erleichtert seine und die Arbeit der Unternehmer beträchtlich, wenn er sich bei Gewerbebauten früh Gedanken zur Türplanung macht. Das bestätigt Markus Jäger von Gutknecht Jäger Architektur in Zürich. Für den Umbau des Medienparks in Zürich Altstetten empfahl ihm der Bauherrenvertreter der Swiss Prime Site, einen Türplaner beizuziehen. Das war für das Architekturbüro, das als Generalplaner auftrat, die erste Erfahrung mit einem Türfachplaner. Jäger würde das jedem Planer empfehlen, denn für die rund 1000 Türen im Flurpark hat das neunköpfige Architekturbüro nicht das nötige Wissen. Ein Türplaner im Team sorge für eine genaue Ausschreibung und helfe dem Architekten im Kontakt mit den Unternehmern, sagt Jäger. Der Architekt profitiert vom Spezialisten, wird selber glaubwürdiger und kann seine Kontrollfunktion wahrnehmen.

Nutzer oft erst spät bekannt

Oft sei bei Gewerbebauten der Nutzer erst nach Inbetriebnahme bekannt, erzählt Jäger. «Da kann der Architekt böse auf die Nase fallen.» Beim Flurpark hätten sie zuerst für jedes der fünf Geschosse ein bis fünf Nutzer geplant. Auch beim Ausbau für den Ankermieter Ringier Axel Springer, der auf drei Geschossen die Redaktionen einrichtete, seien sie mit dem Türplaner gut gefahren. Er wusste genau, wo was zu tun ist, und konnte die bestehende Türschliessung problemlos erweitern. Er ist vertraut mit den Brandschutzvorschriften und versteht die Sprache des Schliesstechnikunternehmens. Er weiss, welche Schlösser kompatibel sind, hat die Kosten unter Kontrolle und das System im Überblick. Auch Daniel Moser empfiehlt den Architekten oder Generalunternehmern, bei komplexen Anlagen einen Fachmann hinzuzuziehen. Komplex heisst: ein modernes Gebäude mit Einbruchschutz und Sicherheitsanforderungen mit Elektronik. «Architekten, Planer und Generalunternehmer sind oft von der vielen Technik überfordert», sagt Moser.

Präzise Ausschreibung lohnt sich

Die Türen haben sich zu komplexen Bauteilen entwickelt. Angefangen bei der Gesetzgebung und den branchenspezifischen Normen bis zu den Materialien und der Herstellung. Weiter sind Schlösser und Beschläge auszuwählen, elektronische Komponenten zu bestimmen und die Sicherheit und Bauphysik zu beachten. Eine Grundvoraussetzung als Türfachplaner ist das Kennen der verschiedenen Systemlieferanten, wie die Schloss- und die Beschlägebranche, und ein fundiertes Wissen mit Ausbildung im Bereich Brandschutz, Flucht- und Rettungswege sowie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen und Rauchschutz-Druckanlagen.

Der CRB (Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung) hat den NPK 622 Türen überarbeitet. Der Hauptgrund für die Überarbeitung war die Revision der SIA-Norm 343 «Türen und Tore». Die Wärme- und Schallschutzwerte und die Ansprüche an die Beschläge wurden abgestimmt. Die Autoren empfehlen, neben der Ausschreibung nach NPK eine Türliste zu erstellen. So hat man bei grösseren Projekten den Überblick über alle Türen im Gebäude.

Unter Architekten besteht Einigkeit: «Bei grossen Projekten geben wir die Türplanung einem Spezialisten. Das Thema ist wegen der Gesetzgebung und neuen Technik extrem komplex geworden», sagt auch Stefan Graf, Architekt bei Bauart Architekten und Planer Bern. Bei grossen Überbauungen seien sie überfordert.

Spezialisten sind gesuchte Leute

Die Branche hat jetzt auf das Problem reagiert, das von Moser, aber auch von den Planern wahrgenommen wird. Darum bietet der VSSM neu Weiterbildungskurse für Fachleute an, die mit Türen zu tun haben. Das Ziel ist, Personen in der Türplanung auszubilden und damit die Grundlage für mehr Spezialisten zu legen (siehe Seite 8).

Ein Schreiner bringt mit seiner Ausbildung schon ein grosses Fachwissen von Türen, Rahmen, Schlössern, Beschlägen und Zylindern mit. Doch er muss die Anforderungen an das Schloss und an die Tür genau kennen, nur so kann er seine Arbeit gewissenhaft ausführen. Wichtig sei auch, so Moser, sich Zeit zu nehmen, den Menschen zuzuhören, die Bedürfnisse und die Funktionen abzuklären. Und: Schlussendlich ist Türplanung eine grosse Fleissarbeit.

www.türplaner.hfb.chwww.crb.chwww.gutknechtjaeger.comwww.bauart.ch

Türplanung in der praxis

Die vier Phasen

Bewährt hat sich die Vorgehensweise der Moser Sicherheit AG in Cham ZG:

  • Zuerst klärt der Türplaner mit dem Architekten die Funktion jeder Tür ab, nummeriert sie und zeichnet im Grundriss 1:50 eine Grobplanung ein.
  • In der zweiten Phase folgt der technische Teil: Jede Tür kommt in eine Tabelle, untereinander die nummerierten Türen, oben in Mosers Variante 110 mögliche Spezifikationen. Diese Liste auszufüllen und jede Tür durchzuarbeiten, ist Arbeit des Architekten. Ist die Liste komplett, erstellt der Türplaner zu jeder Tür ein A4-Türblatt. Auf ihm ist ein Schema mit allen Anschlüssen und den Schnittstellen, wer liefert, einbaut, anschliesst und die Verantwortung trägt. Mitspieler sind der Türhersteller, der Schlosslieferant, der Elektriker, der Elektroplaner, der Schliessanlagenlieferant, der Zuko-Lieferant und Lieferanten für System- oder Sonderartikel.
  • Der dritte Teil ist die Kontrolle der Ausschreibung, Offerten, Türblätter und Pläne. Die kleinste nachträgliche Änderung der Bauherrschaft, eines Mieters oder eines Lieferanten kann eine Kettenreaktion auf das gesamte Türensystem auslösen.
  • Am Schluss folgen die Baukontrolle, die Abnahme der Türen und eine Tür-Dokumentation.
www.moser-sicherheit.ch

SL

Veröffentlichung: 08. März 2018 / Ausgabe 10/2018

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