Wahre Patina oder bloss Alpenchic?

Dieses Badezimmer ist Teil der Ausstellung der HWS Reiden der Wood-pecker Holding AG. Bild: HWS Reiden

Altholz.  Der Trend, mit altem Holz neue Möbel und Innenausbauten zu erschaffen, steht im Gegensatz zu den geringer werdenden Quellen solcher Materialien. Immer bessere und verfügbare Imitate genügen häufig. Den Unterschied sollte man kennen und deklarieren.

In alten Gebäuden findet sich immer auch ein Teil längst vergangener Zeiten. Vieles ist seit deren Bau passiert, und manches hat sich verändert. Mit dem technischen Fortschritt entstanden neue Möglichkeiten der Verarbeitung, die sich beispielsweise sehr gut in den Oberflächen der eingesetzten Holzelemente zeigen. In uralten Häusern finden sich noch mit der Axt behauene oder von Hand gehobelte Holzflächen, der Gebrauch und die Witterung haben ihre Spuren hinterlassen, und die Larven von Käfern frassen Löcher und Gänge in das Material. Solches altes Holz offenbart mit all seinen Spuren den Charme längst vergangener Zeiten, regt Fantasie und Neugierde des Betrachters an: Wovon könnte dieses Stück erzählen, was nicht schon alles passiert ist?

Die Geschichte muss nicht enden

Alte Gebäude werden irgendwann nicht mehr gebraucht und stehen einer sich stetig verändernden Welt im Weg. Sie müssen neuen Bauvorhaben weichen und mit ihnen auch ein Abschnitt der Zeitgeschichte an diesem Ort. Seit einigen Jahren gibt es einen wachsenden Trend, mit sehr alten Originalhölzern früherer Bauten Neues zu schaffen, sei es, um einen Kontrast zu modernen Bauten zu erhalten oder um den Charme des Alten neu aufleben zu lassen. Manche Bauteile solcher Häuser, die hundert oder mehr Jahre alt sind, werden daher nicht mehr einfach abgerissen und entsorgt, sondern durch sorgfältigen Rückbau für eine erneute Nutzung gesichert. So geht deren Geschichte dank der Verwendung in einem neuen Projekt an einem ganz anderen Ort weiter.

Holz-Recycling

Bevor Material aus einem Abbruchobjekt neu genutzt werden kann, muss es allerdings erst entsprechend vorbereitet werden. Niemand möchte ein neues Produkt bekommen, das Pestizide oder aktive Schädlinge enthalten könnte. Das Holz wird also soweit möglich gereinigt und von Schädlingen sowie Schadstoffen befreit. Erst danach handelt es sich um das Warenprodukt Altholz.

Den Begriff eindeutig nutzen

Der Begriff Altholz sollte nur für echtes Altmaterial verwendet werden, da sind sich Anbieter wie die Atlas Holz AG in Trübbach SG, die Herzog-Elmiger AG in Kriens LU, die Kuratle & Jaecker AG in Leibstadt AG und die Woodpecker Holding AG in Pratteln BL einig. Denn es gibt auch auf «alt» gemachtes, neues Holz, Imitate, die angewendet den Altholzcharakter mit seinem besonderen Charme oder einfach einen Alpenchic vermitteln sollen. Sie sind sehr sinnvoll, wenn es um optische Akzente oder das Ambiente geht. Damit lassen sich ganze Ladenlokale, Messestände oder Restaurants durchgängig ausgestalten und mit einer den Anforderungen entsprechenden Oberflächenbehandlung versehen. Begriffe wie rustikales oder antikes Holz weisen idealerweise auf solche Imitate hin, denn für den Endkunden ist nicht unbedingt gleich erkennbar, worum es sich wirklich handelt.

Dem Echten sehr nahe

Je nach Einsatzzweck gibt es, besonders im Plattenbereich, eine grosse Palette von Imitaten. Diese kommen teilweise optisch und haptisch nahe an Altholz heran. Im Gegensatz dazu bieten sie jedoch konstante Farben und sind in grossen Mengen und auch günstiger verfügbar. Zudem können Imitate eher einfacher verarbeitet werden. Das Angebot reicht von HPL-Platten mit Struktur und Synchronporen über Vinylflächen bis zu Massivholzprodukten, die auf verschiedene Weise so bearbeitet wurden, dass sie dem Vorbild sehr nahekommen. Zum Beispiel bietet die österreichische Firma Stainer Schriften & Siebdruck GmbH unter der Marke «Sun Wood» auch Dreischichtplatten mit gehackter oder gebürsteter Oberfläche an, die nach einem speziellen Druckverfahren von einem Laien kaum noch von echtem Altholz zu unterscheiden, aber jederzeit reproduzierbar sind.

Daneben gibt es in diesem Bereich auch sehr handwerkliche Bestrebungen, diesen rustikalen Charakter von Altholz für neue Möbel künstlich zu erzeugen. Das Designerduo Andi Käser und Tinu Ryter fertigt in seinem Atelier in Horgen ZH Tische, deren Platten in einem mehrstufigen Verfahren eine optische und haptische «Alterung» mit Tiefenwirkung erhalten. Ziel ist es auch da, den Preis deutlich geringer zu halten, als das mit echtem Altholz möglich wäre.

Wirklich einzigartig

Jedes Altholz gibt es nur einmal auf der ganzen Welt, und die Verfügbarkeit wird immer geringer. Um Flächen in einer gleichmässigen Wirkung und Farbe in einer gewünschten Menge zu erhalten, muss einerseits genügend Material von einem Abbruchobjekt vorhanden sein und andererseits die Ware sauber sortiert werden. Zudem muss entschieden werden, ob die Bretter und Balken als solche angeboten werden sollen oder ob allenfalls Dreischichtplatten oder aus Balken und Strickwänden sogar Furnier hergestellt werden soll. Die äussersten Schichten eines Bretts oder Balkens wer- den oft so abgetrennt, dass die alte Oberfläche vollständig erhalten bleibt. Das gilt auch für die weitere Verarbeitung wie zu einer Dreischichtplatte oder zu einem Tischblatt, bei dem diese originale Oberfläche mit der einzigartigen Patina erhalten bleiben soll – bündig hobeln oder nachschleifen geht nicht.

Geeignete Balkeninnenbereiche werden gedämpft, wodurch sie auch dunkler werden, und übers Messern oder Sägen zu Furnier verarbeitet. Dieses wird dann auf Birkenmultiplex oder Spanplatten geleimt und eventuell mit einer Prägung versehen. Es kann auch normal in Blattform paketweise bezogen werden. Bei Herzog-Elmiger können beispielsweise fertige Furnierdecklagen bezogen werden, bei denen das zusammengefügte Furnier auf ein dünnes Vlies kaschiert wurde. Damit entfällt beim Schreiner der aufwendige Furnieraufbau.

Der Preis ist untergeordnet

Für die Verarbeitung von Altholz braucht es viel Fachwissen, Erfahrung und vor allem auch Freude. Das Material ist gut dreimal so teuer wie vergleichbare Imitate, und auch die Arbeit des Schreiners will und kann verrechnet werden. Schon das Aussuchen der Komponenten beim Händler ist ein Anlass, bei dem im Idealfall ausser dem Endkunden auch der Planer und der Schreiner anwesend sein sollten. Erst dann kann mit dem fertigen Produkt die vom Kunden gewünschte Wirkung erzielt werden.

Der Preis bewegt sich im obersten Segment und ist zwar wichtig, spielt aber eine eher untergeordnete Rolle beim Kunden, wenn es ihm ernst ist. Es ist normal, dass die Projektzeit länger als normal dauert, weil Gestaltung und Fertigung mit den Wünschen und dem vorhandenen Material in Einklang gebracht werden muss – ein exklusives Holz sollte nicht als billiger Schnellschuss verschwendet werden. Vom Moment der ersten Erkundung der Möglichkeiten von Altholz bis zur Fertigstellung des Ausbaus dauert es laut Fachleuten schon mal zwei bis drei Jahre. Das Resultat ist dafür sehr exklusiv, denn es gibt immer weniger Altholz.

Dieser Bereich wird immer grösser

Wer, dem Trend folgend, nur die Altholzoptik und solche markanten Flächen in Projekten verwenden möchte, ist mit Imitaten sehr gut bedient. Und ja, auch die gibt es mit stark strukturierten, beispielsweise mit der Axt behauenen Massivholzflächen. Auch das verlangt nach einem ähnlichen Können und Vorgehen wie bei Altholz. Die Anfrage beim Holzwerkstoffhändler und die Beratung durch einen Fachmann zeigen schnell, was sich für welchen Fall eignet. Es gibt Produkte, die von vielen Schreinereien gut und sicher verarbeitet werden können.

www.atlasholz.chwww.herzog-elmiger.chwww.kuratlejaecker.chwww.woodpeckerholding.chwww.stainer-sunwood.comwww.ryterdesign.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 21. Januar 2021 / Ausgabe 4/2021

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