Was reimt sich auf Schreiner? – Designer!

Der Kofferschrank Wogg 8 von Hans Eichenberger hat einen festen Platz im Museum für Gestaltung in Zürich. Bild: Glaeser Wogg

Kooperationen.  Tun sich Macher und Gestalter in gegenseitigem Respekt zusammen, sprüht die Kreativität Funken. Es entstehen sinnliche, zeitlose und preisgekrönte Statements der Handwerkskunst, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Neben grossen Ausbauprojekten im In- und Ausland ist die Glaeser Wogg AG seit 1983 auch für ihre Möbelkollektion Wogg bekannt. Am Standort Dättwil im Kanton Aargau setzen 70 Mitarbeitende die Ideen der Crème de la Crème der Designerwelt um. Wogg ist ein Zusammenzug der Initialen der beiden Firmengründer und Cousins Otto und Willi Glaeser. Aktuell zählt das Sortiment 46 Klassiker, die meisten mehrfach ausgezeichnet. Motor von Wogg ist Willi Glaeser (Bild). Schreinermeister, Betriebstechniker, Master in Business Administration und optisch mit einer Prise Salvador Dalí versehen. Und weil man über ihn und Wogg Bücher schreiben könnte, hat er es gleich selbst getan. «25 Jahre Möbeldesign. Wogg – eine realisierte Vision», lautet der Titel (ISBN 978-3-7212-0667-8). Auf 149 Seiten erzählt der Autor Anekdoten rund um seine speziellen Produkte.

Designer sind spezielle Auftraggeber

Willi Glaeser kommt aus einer traditionsreichen Badener Schreinerfamilie. «Ich wollte nicht einfach normal schreinern», sagt er. Und so spannte er bereits als junger Mann mit weltberühmten Designern zusammen und wurde selbst weltberühmt. «Eine Zusammenarbeit macht nur Sinn, wenn sie den Designer und den Fertiger weiterbringt. Als Schreiner nützt es einem da wenig, wenn man wahnsinnig schön hobeln kann. Man muss etwas können, was andere nicht drauf haben. Es geht um Möbel im oberen Preissegment. Kein Designer will sich da mit minderwertigem Blödsinn blamieren. Da liegt der Hase im Pfeffer», erklärt Glaeser. Ein Beispiel dafür ist das Erstlingswerk Wogg 1, ein Regal mit Steckverbindungen. «Die engen Radien meisterten wir mithilfe der selbst entwickelten Postforming-Technik. Diese Erfindung beinhaltete irrsinnig viel gescheiterte Versuche und eine Investition von 15 000 Franken für ein dafür benötigtes Spritzgusswerkzeug. 1983 eine Menge Kohle», erzählt Glaeser. Kern des Postformings ist eine hochwertige Feinspanplatte, die in einem speziellen Verfahren mit der Kunstharzplatte verpresst wird. So erreicht man eine glatte, rundumlaufende Ausformung der Vorderkanten und verbesserte statische Werte. Das wiederum ermöglicht feinere Konstruktionen ohne Einbusse der Tragfähigkeit. Gestützt auf diese technischen Voraussetzungen, entwickelte der Designer Gerd Lange dann ein pyramidenförmiges Steckteil, das alle horizontal und vertikal aufeinanderstossenden Flächen von der Rückseite her verbindet und stabilisiert. Wogg 1 wurde unmittel- bar nach seiner Lancierung von der Zeitschrift «Schöner Wohnen» zum Möbel des Jahres gekürt, erhielt 1985 die VSI-Möbelauszeichnung und gleichzeitig von der Zeitschrift «md» den Titel «Bestes Regalsystem des Jahres».

Schreiners Fingerkuppen

Die Entwürfe des Schweizer Innenarchitekten und Designers Hans Eichenberger findet man zum Beispiel im Museum of Modern Art (MoMa) in New York, im Vitra Design Museum in Weil am Rhein (D) und im Museum für Gestaltung Zürich. «Als gelernter Schreiner hatte er ausserordentliche Ansprüche», berichtet Willi Glaeser.

Als die beiden 1983 die Elemente des Kofferschranks Wogg 8 kontrollierten, befühlte Hans Eichenberger diese, à la Schreiner, mit sensiblen Fingerkuppen. «Dann sagte er mir, dass für ihn die Feinkantenbearbeitung zu wenig genau sei», erzählt Glaeser. Daraufhin wurde das Runden – das Brechen der Kanten an den Türtablaren aus Mahagoniholz – zum Gegenstand längerer Diskussionen zwischen Designer und Schreiner. «Das ging so gut, weil wir auf gleicher Höhe argumentierten», sagt Glaeser.

Kult namens Rö

Auch Röthlisberger Kollektion aus Gümligen BE setzt seit Jahrzehnten die Ideen von namhaften Designern im Möbelbereich um. Aktuell zählt das Unternehmen 65 Mitarbeitende. Jan Röthlisberger und seine Brüder Mark und Beat führen es in vierter Generation. «Ein cooles Team. Schliesslich sind wir alle drei in der gleichen Schreinerei aufgewachsen», sagt Jan Röthlisberger. Auch bei der Röthlisberger Kollektion, kurz Rö, kommt der kreative Input von aussen. «Vergleichbar mit unserem Geschäftsbereich Röthlisberger Innenausbau, bei dem der Architekt den Entwurf macht und wir die Machbarkeit prüfen und ausführen, funktioniert das auch mit den Designern», sagt er. Und so brachte Rö im Laufe der Jahre einige Dutzend Möbelstücke hervor, die inzwischen Kultcharakter haben. Markantes Beispiel dafür ist der Schubladenstapel, bei welchem die Grenze zwischen Möbelstück und Skulptur fliessend ist. Das Kultmöbel entstand in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Susi Berger und deren Mann Ueli Berger, Innenarchitekt und Künstler. Röthlisberger erklärt, dass es ein Glücksfall sei, Dauerbrenner wie den Schubladenstapel in die Welt zu setzen. Das zeitlose Design erfordere extrem hohe Ansprüche an die Handwerkskunst.

Wer schon einmal die sieben verschiedenen grossen Schubladen des Stapels auf- und zumachte und mit Schreinerblick die Details erkennt, weiss, was Röthlisberger damit meint. Hochpräzise Gehrung von Korpus und Schubladenfront; diagonal über die einzelnen Schubladen verlaufendes Furnierbild, wahlweise in Santos-Palisander oder Eukalyptus – jedes Furnierbild ein Unikat und Klassiker, dessen Realisierung viel Zeit und Idealismus erforderte.

Produktives Pingpong der Ideen

«Die Zusammenarbeit mit dem Designer muss funktionieren wie Pingpong. Einer Idee folgt die Machbarkeitsstudie und unzählige Versuche. Viele scheitern. Das Beste setzt sich durch. Funktioniert dieses Pingpong, gibt es mit dem Designer über die Jahre immer neue Erfolge», sagt Röthlisberger. Ein Beispiel dafür ist das international bekannte Architekten- und Designerpaar Trix und Robert Haussmann, mit denen Röthlisberger schon mehrmals zusammenspannte. Es kommt aber auch vor, dass Newcomer die Erfahrung von Rö anzapfen. So suchte vor einiger Zeit Marc Gerber aus Bern, angehender Designer der Fachhochschule Basel, den Kontakt zu Jan Röthlisberger. Gerber hatte unzählige Ideen im Kopf und bat den erfahrenen Hersteller, ihn bei seiner Diplomarbeit zu begleiten. «Das forderte mich heraus. Ich sagte zu», berichtet Jan Röthlisberger. Herauskam der Stuhl Conte. Der Name entstand in Anlehnung an Graf Dracula, dessen hochstehender, schwarzer Kragen sich so nobel in Szene setzt, wie die Lehne des Stuhls. «Nach den ersten Prototypen merkten wir, dass es eine Herausforderung ist, die überhöhte Rückenlehne so zu konstruieren und zu befestigen, dass sie standhält. Anfangs lastete ihr Gewicht lediglich auf dem hinteren Beinpaar. Erst die zusätzliche Verbindung mit der Sitzfläche machte sie stabil», sagt Röthlisberger.

Inzwischen zeigte sich die markante Sitzgelegenheit des Designers Marc Gerber an der Milano Design Week und kürzlich auch an der Internationalen Interior Design Ausstellung «Neue Räume» in Zürich. Ein weiteres bekanntes Beispiel der kreativen Zusammenarbeit von Schreiner und Designer ist der Salontisch Campfire, der in Zusammenarbeit mit dem australischen Architekten, Designer und Musiker Tomek Archer entstand.

Campfire ist puristisch, einfach und gerade deshalb so schwer realisierbar. Er besteht nämlich lediglich aus drei übereinandergelegten, ineinander verkeilten Eichen- oder Schwarznussbalken. Die Konstruktion ist so ausgeklügelt, dass sie ohne Metallteile oder Klebstoff auskommt. Kerben und wenige Dübel sorgen für Stabilität. Jährlich stellt Rö rund 30 dieser Tischchen her. Weltweit wird der Tisch aber fleissig kopiert. «Das ist so. Darüber dürfen wir uns gar nicht aufregen. Was gut ist, wird kopiert», sagt Jan Röthlisberger.

Bündner spannen zusammen

Die Vereinigung «Mobiglias» gibt es seit 2015. Stark vereinfacht ist der Verein ein Zusammenschluss von Bündner Schreinereien, beflügelt durch eine kantonale Initiative zur Steigerung der Wertschöpfung der Ressource Holz im Bereich der Möbelproduktion. Die angeschlossenen Schreinereien bieten die branchenüblichen Dienstleistungen an, fördern aber auch die Arbeit von Designern. Dazu lanciert man Gestaltungswettbewerbe. 2019 wurde der erste ausgeschrieben, 2022 folgte die zweite Auflage. Zum Wettbewerb dürfen Designer und Designerinnen ihre Arbeiten einreichen. Grundbedingung ist, dass diese einen Bezug zum Kanton Graubünden aufweisen. Im Gegenzug verpflichten sich die Produktionsbetriebe, die preisgekrönten Arbeiten in Form von Prototypen zu realisieren. Diese werden dann an Designmessen gezeigt. Im Anschluss daran werden von einzelnen Möbeln und Objekten Serien im tiefen zweistelligen Bereich produziert und verkauft. Aktuell bringt «Mobiglias» ein gutes Dutzend Bündner Handwerksbetriebe, grösstenteils Schreinereien mit Designenden aus der ganzen Schweiz, zusammen.

Dank der Zusammenarbeit entstehen aus Schweizer Holz in kleinen Stückzahlen Dinge, die das Kennerherz höher schlagen lassen. So zum Beispiel das dreibeinige Beistelltischchen Trafögl des Luzerner Designers Fabian Weber, welches die Engadiner Falegnamaria Curdin Müller in Strada realisiert. Der Clou dieses Tischchens ist, dass die Platte auf verschiedenen Höhen fixiert werden kann und der Tisch auch auf einer unebenen Fläche sicher steht. Aber genau diese filigrane Multifunktion hatte bei der Realisierung so ihre Tücken. Als Ei des Kolumbus platzierte man nach einigem Überlegen dann unter der Tischplatte ein Stahlband mit Mutter, eine Art Bride, welche die drei Beine in der individuell gewählten Position zusammenhält. Ein weiteres Beispiel ist die Steinbockschaukel Macun, welche die Schreinerei Dalini von Linard Müller in Susch nach den Plänen der Designerin Sarah Khan produziert. Das «steinbockige» Tierli aus Fichtenholz, das formal reduziert mit Zapfenverbindungen und Dübeln zusammengehalten wird, wurde an der Messe «Neue Räume 22» prämiert.

Plan, Prototyp, Produkt

Auch der Sessel Plima stellte an die Handwerkskunst erhöhte Anforderungen. Man stelle sich nur vor – jeder der fünf Reifen des Sitzmöbels bestehe aus fünf verleimten Schichten dünnsten Eschenholzes. Im Prinzip war der Entwurf von Anfang an ziemlich ausgereift, denn der Luzerner Designer Florin Stettler verfügte über guten handwerklichen Hintergrund. Nimmt man auf Plima Platz, so bewegt sich das Sitzmöbel so flexibel wie ein Medizinball. Nach der Präsentation an der Messe stellten die Macher allerdings fest, dass sich an einigen Stellen die Holzschichten lösten. Daraufhin tüftelte die Engadiner Lehrwerkstatt für Schreiner in Samedan an der Leimmischung und der Statik und fand die optimale Lösung. Manfred Hager, Präsident des Vereins, formuliert das so: «Zwischen Plan, Prototyp und Produkt liegt eine lange intensive Phase. Natürlich wäre es einfacher, etwas zusammenzuleimen, in grossen Stückzahlen auf den Markt zu werfen oder im Ausland fertigen zu lassen. Aber ein Designerstück in der Schweiz entworfen, aus Schweizer Material, in der Schweiz gefertigt, hat seinen ganz besonderen Charme und Charakter. Es gibt eine Kundschaft, die das schätzt. Diese Wertschätzung motiviert Gestalter und Schreiner immer wieder aufs Neue.»

www.glaeser.chwww.roethlisberger.chwww.mobiglias.ch

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 03. November 2022 / Ausgabe 44/2022

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