Weniger dick auftragen

Füller ist keine Universalgrundierung und sollte mit Bedacht eingesetzt werde. Bild: Philipp Heidelberger

Lackaufbau.  Oft werden im Handwerk vor dem eigentlichen Lackieren dicke Füllerschichten aufgetragen. Wirtschaftlich gesehen macht das aber nicht in jedem Fall Sinn und manchmal kann sich das sogar negativ auf die Qualität auswirken.

Was bei der Möbelmontage der Sockel ist, ist beim Lackieren die Grundierung – oder oft auch das Füllern. Stimmt die Basis nicht, dann rächt sich das bei den späteren Arbeitsschritten mit erhöhtem Aufwand oder mit Problemen. Denn beim Verarbeiten von Farben und Lacken laufen komplexe physikalische sowie chemische Prozesse ab, die durch viele Faktoren beeinflusst werden. Hinzu kommt auch noch die Thematik des Wasserlackes, dessen Eigenschaften sich nicht unwesentlich von jenen des Lösemittellackes unterscheiden.

Füller ist nicht gleich Füller

Aus diesen Gründen lohnt es sich, schon beim Grundieren zu wissen, was damit überhaupt erreicht werden soll und welche Lacke nachher zum Einsatz kommen.

Gemäss Beat Rüedi, Verkaufsleiter bei der Lack- und Farbenfabrik Rupf & Co. AG aus Glattbrugg ZH, beginnt dies schon bei der Wahl des Füllers: «Je nach Situation muss bereits hier ein anderes Produkt gewählt werden.» Die meisten Lackhersteller haben verschiedene Füller im Angebot – solche für die normale Anwendung im Innenbereich, und speziell für den Aussenbereich geeignete Produkte.

Der Hauptunterschied liegt aber nicht etwa in der Wasserbeständigkeit, sondern in der Elastizität des Füllers. Diese ist nötig, damit die Oberfläche die starken Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und Temperatur aushält. Beat Rüedi empfiehlt deshalb, auch im Badezimmer oder in der Küche auf elastischere Füller zu setzen. Der Nachteil von diesen Produkten ist allerdings die längere Trocknungszeit. Diese beträgt ungefähr fünf bis sechs Stunden, während normale Füller etwa zwei bis drei Stunden benötigen – je nach Produkt, Verarbeitungs- und Trocknungstemperatur versteht sich.

Aufgrund der höheren Elastizität stauben diese Füller beim Schleifen oft weniger als die etwas spröderen Standardprodukte. «Manch ein Anwender hat dann das Gefühl, es stimmt etwas nicht, weil es beim Schleifen von Füller richtig schön stauben sollte», sagt Beat Rüedi. Dabei sei genau dies ein Qualitätsmerkmal. Denn je flexibler und zäher eine solche Grundierung ist, desto weniger gibt es feinen Staub.

Zweimal dünn, statt einmal dick

Ein weiterer Irrglaube beim Füllern ist die Annahme, viel helfe viel. Je mehr Material man auf einmal aufbringt, desto mehr muss in der Regel nachher geschliffen werden. Ausserdem besteht bei dicken Schichten die Gefahr, dass die Vernetzung und Aushärtung nicht vollständig stattfindet. Dies, weil der Füller auf der Oberseite bereits getrocknet ist und die darunter liegenden Lösemittel und Additive nicht mehr entweichen können. Das macht sich dann nicht nur beim Schleifen bemerkbar, sondern kann auch einige Zeit später noch zu Problemen führen, wenn der Decklack schon aufgetragen wurde. Die Lösemittel und Additive diffundieren dann langsam nach oben und können so ungewünschte Veränderungen auf der Oberfläche zur Folge haben.

Experten empfehlen deshalb lieber zwei dünne Schichten Füller aufzutragen statt einer dicken. Ganz wichtig dabei: Die vorgegebenen Trockenzeiten sind unbedingt einzuhalten.

Füllern hinterfragen

Enorm viel Erfahrung in diesem Bereich hat die Novex AG aus dem bernischen Huttwil. Das Unternehmen stellt selber Büro- und Schuleinrichtungen her, bietet aber auch Lohnlackierungen von Klein- bis hin zu Grossaufträgen an. Dazu stehen mehrere Lackierräume sowie eine moderne Beschichtungsanlage von Cefla zur Verfügung. Hans Keller leitet den Oberflächenbereich und sagt, man müsse auch mal hinterfragen, ob ein Füllern tatsächlich notwendig sei. «Sollen wirklich Unebenheiten ausgeglichen werden, oder geht es nur darum, die Oberfläche abzusperren?» Für Hans Keller, der ursprünglich aus dem Industrielackierbereich der Automobilbranche kommt, ist der Fall klar: «Wir füllern nur noch dort, wo es absolut nötig ist.»

Die Rechnung scheint relativ einfach zu sein – weniger Schichten bedeuten einen geringeren Arbeits- sowie Materialaufwand, die Durchlaufzeiten reduzieren sich und es gibt weniger potenzielle Fehlerquellen. Dieses Konzept versucht man bei Novex mit allen Materialien durchzuziehen, egal, ob es sich um eine Sitzschale aus Formsperrholz oder um einfache Teile aus MDF handelt. Das heisst, auch die stark saugenden Kanten werden nicht gefüllert, sondern mit einer dünnen Lackschicht grundiert, um das Aufquellen der Fasern und das Absinken beim Aufbringen der folgenden Schichten zu unterbinden. Bei Farblacken kann die Grundierung bereits in der Farbe der Deckschicht geschehen. Dies hat den Vorteil, dass bei Kratzern oder sonstigen Beschädigungen keine weisse Füllerschicht zum Vorschein kommt.

Das Trägermaterial kennen

Dieses Vorgehen funktioniert aber nur, wenn das Trägermaterial eine ausreichende Qualität aufweist und dessen Oberfläche perfekt geschliffen ist. «Insbesondere bei schwarzem MDF gibt es je nach Hersteller grosse Unterschiede in der Dichte der Deckschicht. Aber auch bei MDF mit Grundierfolie gibt es qualitative Unterschiede, die man einfach kennen muss», sagt Hans Keller. Um den jeweiligen Lack ideal auf das Trägermaterial einzustellen, arbeitet man bei Novex mit schnellem, mittlerem und langsamem Härter.

Den Lack testen

Der erfahrene Lackierer bemerkt Feinheiten teilweise schon bei der Applikation. Gewissheit erlangt man aber nur mit entsprechenden Tests. Mit dem sogenannten Gitterschnitt kann man beispielsweise auf einfache Art die Adhäsion des Lackes überprüfen (siehe Box «Gitterschnitt-Prüfung»). Bei Novex führt man immer wieder solche Prüfungen durch, insbesondere, wenn neue Lacke verwendet oder neue Trägermaterialien beschichtet werden müssen. Beim heutigen Kostendruck sei das Risiko eines Schadens aufgrund einer mangelhaften Oberfläche einfach zu gross, sagt Keller und fügt an: «Interessanterweise zeigen diese Versuche, dass Oberflächen ohne Füllergrund oft besser oder zumindest nicht schlechter sind als jene mit.»

Durchschleifen vermeiden

Ein weiterer wichtiger Faktor stellt der Zwischenschliff dar. Entscheidend beim Schleifen von Füller oder Grundierungen ist, dass man an keiner Stelle durchschleift. Obwohl dies auf den ersten Blick oft nicht der Rede wert ist und beim Aufbringen der nächsten Lackschicht keine Probleme auftauchen, kann ein Durchschleifen zu Spätfolgen führen. «An solchen Stellen kann der Lack auch Wochen oder Monate später noch absinken», sagt Beat Rüedi. Deshalb empfiehlt es sich, solche Stellen nochmals nachzubehandeln. Dafür gibt es extra Spraydosen, die sich für das Ausbessern kleiner, durchgeschliffener Stellen eignen.

Teilweise auch empfehlenswert ist das Annebeln des weissen Füllers oder der Grundierung mit einer dunklen Farbe. Beim Schleifen erkennt man dann sofort, ob alle Stellen bearbeitet wurden. Sofern bei Novex Füller zum Einsatz kommt, setzt man deshalb nicht auf ein weisses, sondern gleich auf ein beiges Produkt.

Der Zwischenschliff sollte unmittelbar vor dem nächsten Lackierdurchgang erfolgen, um eine bestmögliche Adhäsion zwischen den beiden Schichten zu erreichen. Denn obwohl moderne Lacke schon nach wenigen Stunden grifffest sind, ist der Vernetzungsprozess zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht abgeschlossen. Dieser chemische Vorgang kann mehrere Tage bis Wochen dauern. Wenn die Teile nach dem Schleifen längere Zeit liegen bleiben, kann dies deshalb die Adhäsion negativ beeinflussen.

Abläufe ständig hinterfragen

Sind die Arbeitsabläufe richtig eingestellt, lassen sich so auch ohne Füller und mit zwei oder drei Lackschichten sehr gute Ergebnisse erzielen. Hans Keller räumt aber ebenfalls ein, dass spiegelglatte Hochglanzoberflächen entsprechend mehr Aufwand und Material benötigen. Aber am Ende müsse der Auftrag auch im Oberflächenbereich rentieren. «Das heisst, man muss sich immer wieder fragen, wie man mit möglichst kleinem Aufwand das Optimum herausholen kann und zu welchem Preis.»

Dies bedingt allerdings, dass man ständig an diesen Prozessen arbeitet und sich mit der Materie auseinandersetzt. Es braucht den Willen zur Veränderung und manchmal auch den Mut, einen Auftrag aufgrund des zu grossen Risikos abzulehnen.

www.ruco.chwww.novex.ch

Gitterschnitt-Prüfung

Bei der Gitterschnitt-Prüfung wird die Adhäsion eines Lackes überprüft. Dafür werden mindestens sechs parallele Schnitte mit einem speziellen Gitterschnittmesser angebracht, die bis auf den Untergrund gehen, ihn jedoch nicht verletzen.

Der Abstand der Schnitte beträgt ein bis drei Millimeter, abhängig von der Schichtdicke der Beschichtung. Für Schichtdicken < 60 Mikrometer ist ein Rasterabstand von 1 Millimeter zu wählen. Bei Schichtdicken zwischen 60 und 120 Mikrometer sind 2 Millimeter Rasterabstand erforderlich. Ab einer Schichtdicke > 120 Mikrometer verwendet man 3 Millimeter. Danach werden sechs weitere Ritzschnitte im rechten Winkel angebracht, sodass ein gleichmässiges Quadratmuster entsteht. Auf das entstandene Quadrat wird ein Klarsicht- oder ein Kreppklebeband mit einer Klebkraft von 8 bis 10 N / 25 mm aufgeklebt. Dieses wird in einer Zeit von 0,5 bis 1 Sekunde in einem Winkel von 60° abgezogen. Dies ist aber lediglich bei harten Untergründen, wie zum Beispiel Metall, vorgeschrieben. Zuletzt wird das verbliebene Gitter begutachtet. Je nach Zustand unterscheidet man Gitterschnitt-Kennwerte von 0 (sehr gute Haftfestigkeit) bis 5 (sehr schlechte Haftfestigkeit), abgekürzt Gt 0 bis Gt 5.

ph

Veröffentlichung: 01. März 2018 / Ausgabe 9/2018

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