Wenn die Wand was kann

Licht, hier reflektiert von ausgeformten Kupferblechelementen, ist inzwischen eine häufiger anzutreffende zusätzliche Funktion. Bild: Quasar

Wandpaneele mit extras.  Wandverkleidungen sind weiter auf dem Vormarsch, wenn auch nicht in Form von Täfern mit Nut und Kamm. Immer mehr Produkte sind dabei nicht nur dekorativ, sondern bieten auch faszinierende Zusatzfunktionen.

Die Designschmiede Pininfarina hat kürzlich ein System für Casalgrande Padana kreiert: Wandverkleidungen, antibakteriell oder selbstreinigend, für den Innenraum und für aussen, für alle, welche das Besondere möchten. Schon seit Jahren läuft die Entwicklung, immer mehr Materialien auch als dekorative Wandverkleidung zu verwenden. Anfänglich waren es Parkett- oder Bodenelemente, welche die Wände hochkletterten. Mit den strukturierten Oberflächen kamen dann immer mehr Designplatten dafür auf: geprägte, gefräste oder geschrubbte Oberflächen, meist auf einem Trägermaterial, seltener in massivem Holz. Jetzt geht die Reise weiter in Richtung zusätzlichen Nutzen durch die Wand, die sonst nur «rumsteht». Wandverkleidungen als angestammtes Betätigungsfeld für Schreiner können immer mehr. Ob es nun um Materialien geht, die spannend zu verarbeiten sind, oder um fixe Elemente, die nur noch montiert werden – die Wände von morgen bieten, so scheint es derzeit, vor allem zweierlei: ansprechende Gestaltung und einen zusätzlichen Nutzen.

Licht, Klang oder alles zusammen

Zum Beispiel das Wandpaneelsystem «Lum», das Designerin Estefania Johnson für den niederländischen Leuchtenhersteller Quasar geschaffen hat. Die 18 × 42 cm messenden Kupferplatten werden auf ein Schienensystem an der Wand befestigt. Beliebig platzierbar sind dabei gebogene und hinterleuchtete Elemente, welche den Raum und die lebhafte Oberfläche des in mehreren Ausführungen erhältlichen Kupfers in ein zauberhaftes Licht tauchen. Erstmals am letztjährigen Salone del Mobile in Mailand präsentiert, erzeugt das System durch die metallenen Elemente ein Wandbild, das nicht nur schön ist, sondern auch sanft Stimmung erzeugt.

Vor sieben Jahren zeigte Schreiner Klaus Wangen an der IMM in Köln erstmals Wandpaneele aus gespaltenem Massivholz und löste damit einen Trend aus. Nun hat Wangen nach drei Jahren Tüftelei seine Wände in Klangkörper verwandelt. Dünn gespaltenes Tonholz aus Fichte wird dabei mittels Körperschallwandler (Exciter) in Schwingung versetzt. Im Gegensatz zu anderen Produkten mit Excitern funktioniert die Holzwand im Prinzip wie eine Gitarrendecke. Durch die noch vergrösserte Oberfläche des gespaltenen Holzes auf grossformatiger Fläche und der abgestimmten Technik dahinter klingt es, «als ob man live dabei ist», so Wangen. Dabei ist es egal, ob es sich um Musik von Johann Sebastian Bach, von Keith Jarrett oder David Bowie handelt. «Wir haben uns bei der Entwicklung an dem Musikinstrumentenbau orientiert. Denn um einen guten Klang zu erzeugen, braucht man eine grosse Fläche, sonst wären Resonanzböden von Konzertflügeln deutlich kürzer», erklärt Wangen, der neben einem Tontechniker auch einen Klangforscher im Entwicklerteam hatte. Das Ergebnis war an der Messe in Köln zu hören: Der Klang begeistert besonders durch seine wohltuende und entspannende Wirkung, welche die Musik am ganzen Körper erfahrbar macht. Die Spaltart-Klangwände und -körper werden handwerklich massgefertigt und sind je nach Grösse des Raumes und der gewünschten Paneelfläche mit einer akustischen Planung versehen.

Akustisch auf ganz andere Art und Weise wirksam zeigt sich das textile Wandpaneelsystem «Wall Cover» von Acousticpearls. Das Paneelformat ist frei wählbar, um eine «echte» Wandverkleidung zu erhalten und natürlich auch, um die gewünschte akustische Wirkung erzielen zu können. Im Vergleich zu den oft eher technisch anmutenden Lösungen, etwa durch die sogenannte Mikroperforierung von Holz-Verbund-Werkstoffen, setzt man bei «Wall Cover» mit einer breiten und abgestimmten Stoffkollektion deutlich auf die optische Wirkung der «Wandbilder» mit Zusatznutzen. Technisch gesehen sind dabei zwei Paneelstärken mit unterschiedlichen Absorptionsgraden möglich, die bis zur Klasse A, höchstabsorbierend, reichen. Das Schienensystem für die Befestigung der textilen Schallabsorber zur Verbesserung der Raumakustik trägt lediglich 10 mm auf. Für die Umsetzung der wirksamsten Klasse beträgt die Dicke der Wandelemente dann jedoch stattliche 51 mm.

Textil in die dritte Dimension

Tiefenwirksam ist auch die Akustikwandpaneele vom schwedischen Hersteller Abstracta. Auch hier steht neben dem Zusatznutzen der besseren Raumakustik die gestalterische Wirkung im Fokus. Dazu bedient sich der Hersteller eines dreidimensionalen dreieckigen Querschnitts für die Wandplatten, die so verhindern, dass Schallwellen «springen» können. Die reliefbildenden Wandpaneele sind formgepresst, mit Stoff überzogen und werden natürlich verdeckt montiert.

Die Tapete ist zwar kein Material für Schreiner, doch das «LED Wallpaper» vom Designer Ingo Maurer ist auch alles andere als eine normale Tapete. Erstmals 2011 gezeigt, kann das Wandpapier wie eine herkömmliche Tapete verklebt werden. Aber die Bahnen können mehr: Sie leuchten dank 840 LEDs pro 320 cm Bahn in Weiss, Blau und Rot – und verbrauchen so stattliche 60 Watt für diese Fläche mit 60 cm Standardbreite. Ein LED-Wallpaper-Set besteht aus programmierbarem Vorschaltgerät und einer Sockelleiste aus Aluminium. Kürzbar ist eine Rolle jedoch nur in den Rapportmassen, also auf 64 cm genau. Dafür sind auch Sonderanfertigungen mit individuellen Designs möglich.

Wie aus der Wand gewachsen

Das Bemühen um eine Verschmelzung von Wand und Nutzobjekt zeigt sich auch beim aktuellen Entwurf von Antoniolupi aus Italien, der am nächsten Salone del Mobile in Mailand gezeigt wird. «Strappo» ist aus Corian hergestellt und schafft mit den geschweiften Flächen die nahtlose Verbindung zwischen der Wand und – in diesem Fall – dem Waschbecken. Fast scheint es durch die flächig geschweiften Platten so zu sein, als ob der Waschtisch aus der Wand herauswächst. Das ausserordentliche Design hat auch seinen Preis, zumal die Paneele mit Blattsilber oder -gold beschichtet sind. Und auch hier ist es so, dass andere Handwerker die Arbeit ausführen, da die Platten nach der Montage verspachtelt und gebürstet werden.

Aber: Die Produkte zeigen die Richtung an. Die Verschmelzung von Wand und Nutzobjekt schreitet voran; die Lösungen dafür sind vielfältig und für alle Lebensraumgestalter interessant.

www.quasar.nlwww.spaltart.comwww.acousticpearls.comwww.ingo-maurer.comwww.antoniolupi.it

ch

Veröffentlichung: 03. März 2016 / Ausgabe 9/2016

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