Wie am Schnürchen statt im Zickzack

Während die Mitarbeiter bisher nach Zuschnittlosen kommissionierten, tun sie dies nun nach Wochentagen. Bild: Stefan Hilzinger

Optimierung.  Ein störungsfreier, schlanker Materialfluss ist gerade in grösseren Betrieben ein wichtiger Erfolgsfaktor. Anstehende Investitionen in neue Anlagen bieten Gelegenheit, diesen Fluss zu verbessern, wie aktuell bei der Schreinerei Loosli in Wyssachen BE.

«Jedes Ding an seinem Ort, erspart viel Müh’ und böse Wort’.» – So abgedroschen, wie das Sprichwort klingen mag, so sehr enthält es einen Funken Wahrheit. Wer als Unternehmer Ordnung, Abläufe und Strukturen im Produktionsprozess im Auge behält und laufend überprüft, ob sie noch zu den Zielen der Firma passen, der wirtschaftet langfristig besser. Das sagt nicht nur der Schreiner und Unternehmensberater Stephan Zürcher im Interview (Seiten 12 bis 14). Basierend auf diesen Erkenntnissen investieren auch die Verantwortlichen der Schreinerei Loosli AG in Wyssachen BE in diesem Jahr 1,7 Millionen Franken in die innerbetriebliche Logistik. Damit will die Firma ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken sowie langfristig Arbeitsplätze und «Swiss made» sichern.

Technik ist nur eine Seite der Medaille

Der Anlass zum Veränderungsprozess bei Loosli und finanziell der grösste Brocken davon ist die Anschaffung einer neuen CNC-Maschine. «Doch wesentlich für den Erfolg der Investition sind die Verbesserungen beim Warenfluss in der Produktion», sagt Manfred Howald. Er ist seit gut einem Jahr Leiter Produktion und Mitglied einer vierköpfigen Arbeitsgruppe. Deren Ziel ist es, die Produktionsprozesse zu verbessern. Howald hat einst Schreiner gelernt, danach eine Technikerschule besucht und Betriebswirtschaft studiert. Bevor er zu Loosli kam, war er unter anderem Produktionsleiter in einer Kosmetikfirma. «Ich bringe die Aussensicht ein», sagt er. «Im Betrieb herrscht in gewissen Bereichen noch zu viel Hin und Her statt kontinuierlicher Bewegung in eine Richtung», sagt Howald und deutet auf den Plan der weitläufigen Produktionshalle, der vor ihm auf dem Sitzungstisch liegt.

Um die Abläufe zu verbessern, brauche es eigentlich keine grossen Investitionen, sondern es gehe darum, die «low hanging fruits» – also die tief hängenden Früchte – zu ernten. Das bedeutet, selbst genau hinzuschauen, was wo wie abläuft, und dann auch das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter abzuschöpfen. «Häufig weiss das Personal an den Arbeitsstationen genau, wo es klemmt und welchen Leerlauf sie im buchstäblichen Sinn täglich machen müssen.»

Zuerst bei der Endmontage angesetzt

Mit den kleinen Schritten zur Verbesserung haben Howald und sein Team dann bei der Endmontage angefangen. «Wir haben bewusst zuerst hinten angesetzt. Denn es ist besser für den Materialfluss, wenn von hinten gezogen wird, statt von vorne gestossen, und es dann möglicherweis zu Materialstau in der Produktion kommt», formuliert es Howald. Die Firma arbeitet in der Produktion neu nach dem sogenannten Pull-Konzept. Das Konzept soll für sinkende Lagerbestände, kürzere Lieferzeiten und geringeren Planungsaufwand sorgen. Loosli fertigt unter anderem Bade- und Küchenmöbel. Die beiden Produktionen liefen bisher in der Endfertigung getrennt, nun werden die beiden Stränge synchronisiert, um Synergien besser nutzen zu können, weg von Bad- oder Küchenmöbeln hin zum «Loosli-Möbel».

Nach Produktionstagen kommissioniert

Bei einem Gang durch die Werkhalle fallen blaue Wägelchen mit Nummernschildern auf: 18, 19, 21 ist da etwa zu lesen. Jeder Ziffer ist eine deutliche Farbe zugeordnet. «Die Mitarbeiter kommissionieren die Werkstückte neu nach Produktionstagen und Aufträgen und nicht mehr nach Zuschnittlosen», erklärt Howald. Anhand der Nummer und der Farbe weiss der Mitarbeiter genau, wohin das Material als Nächstes muss. Die 18 etwa steht für die Dübelmaschine, ein entsprechendes Schild befindet sich auf der Maschine auf der linken Seite der Werkhalle – in Richtung Warenfluss gesehen. Bis zur Umstellung lagerten in den Wägelchen Werkstücke von verschiedenen Produktionstagen. «Die Mitarbeiter mussten sich die Teile immer nach Auftragslisten aus mehreren Wägelchen zusammensuchen.» Dank der neuen Ordnung gibt es weniger Sucharbeit, der Warenfluss ist klarer, und die Wege werden kürzer. «Es gibt weniger Leerläufe», sagt Howald. «Jetzt sieht man schon von Weitem, was wo steht und was wohin muss.» Die Neuorganisa- tion brachte für die Mitarbeiter zwar Änderungen mit sich, aber der Nutzen sei rasch erkannt worden. Der neu organisierte Warenfluss funktioniere bereits gut. Dass es vor der Endfertigung dennoch zu Rückstau komme, hange mit der sehr guten Auftragslage zusammen und nicht mit organisatorischen Mängeln, stellt Howald klar.

Mobile Tische statt feste Werkbänke

Nebst der Fertigung von Bad- und Küchenmöbeln gehört auch der Innenausbau zu den Standbeinen der Firma. Die Mitarbeiter hier arbeiten an fest eingerichteten Werkplätzen in Nischen auf der rechten Seite der Halle. Hier soll ebenfalls einiges verändert werden: Die Nischen werden aufgelöst und durch mobile Montagetische ersetzt, die mit dem Auftrag mitwandern. Bereits baumeln die neuen Zuleitungen für Elektrizität und Druckluft von der Decke. Auch hier soll der Warenfluss verbessert und das Hin und Her auf ein Minimum reduziert werden. Wie bei allen Veränderungen seien die Mitarbeiter herausgefordert, mitzudenken und mitzuziehen.

Langfristiger Prozess

Die geschilderten Beispiele sind erst der Anfang eines längeren Prozesses, das Produktionslayout insgesamt zu verbessern. «Ich gehe von einem Zeitraum von vier bis fünf Jahren aus», sagt Howald. Einiges wird zum Beispiel erst möglich werden, wenn dann gegen Ende Jahr die neue CNC-Maschine installiert ist.

Nicht nur die Produktion ist in den Prozess eingebunden und gefordert, sondern auch die Avor. So habe sich im Gespräch gezeigt, dass Handarbeit eliminiert und Störungen auf den Maschinen reduziert werden können, wenn man Teile leicht anpasst. Angedacht und in Vorbereitung sind auch Verbesserungen beim Plattenlager, das bisher auf zwei Orte verteilt ist. «Die zentrale Aufgabenstellung ist doch die: Was braucht es wo, wann und in welchen Stückzahlen, ohne dafür Zeit oder Material zu verschwenden?», sagt Howald.

Loosli AG

Nächste Generation steht bereit

Mit dem Bau eines Schreinereigebäudes im Jahr 1956 legte Paul Loosli den Grundstein für das heutige Unternehmen. 1985 trat Manfred Loosli, Sohn von Paul Loosli und derzeitiger Geschäftsführer, in die Firma ein und führte den Betrieb zukunftsorientiert und innovativ weiter. Nebst Holz verarbeitete die Firma als erster Schweizer Badmöbelhersteller thermisch verformbare Laminate (Postformingelemente). Die Bearbeitung von Corian ist bis heute eine der Spezialitäten der Firma. Loosli setzt den Schwerpunkt auf die Geschäftsfelder Küchen, Bäder, Innenausbau und Produktion von Halbfabrikaten. Die Firma beschäftigt rund 150 Mitarbeitende. Mit Matthias Loosli, Sohn von Manfred Loosli, wird in naher Zukunft die vierte Generation die Verantwortung für den Betrieb übernehmen.

www.loosli.swiss

Stefan Hilzinger, hiL

Veröffentlichung: 29. Juli 2021 / Ausgabe 31-32/2021

Artikel zum Thema

16. Mai 2024

Mit optimalen Mitteln produzieren

Betriebsmittel.  Das grösste Kapital einer jeden Firma sind die Mitarbeitenden und die Betriebsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen. Der eigenverantwortliche und umsichtige Umgang mit diesen Mitteln bedarf auch einer guten Koordination seitens der Leitung.

mehr
16. Mai 2024

Gezogen, nicht gedrückt

Zwischenlager.  Chronischer Platzmangel in der Werkstatt hat seinen Ursprung nicht immer in zu kleinen Räumen. Oftmals wird der vorhandene Platz einfach nicht optimal genutzt. Deshalb kann es sich lohnen, einen genauen Blick auf den Materialfluss zu legen.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Betriebseinrichtungen