Wie ein Bild an der Wand

Bild: Sarah Staiger Die Furnier-Fronten wurden auf Bild gesetzt. Die Küchen liegen auf Nord- oder Südseite der Wohnungen. Die kurze Seite wurde meist raumhoch ausgeführt. Ausnahme: Dachgeschoss.

Innenausbau.  Eichenfurnier dominiert das hochwertige Innere eines Basler Mehrfamilienhauses. Der Ersatzneubau inmitten Gründerzeit-Fassaden setzt auf schlichte Formensprache – und bietet dem Schreiner eine anspruchsvolle Spielwiese in Sachen Furnierhandwerk.

Die mutige Geometrie des Betonbaus fügt sich erstaunlich gut ein ins historische Strassenbild in Basel-Gundeldingen. «Mit unserem Entwurf eines Ersatzneubaus konnten wir die Erbengemeinschaft überzeugen», sagt Architekt Oliver Brandenberger. Der parallel-polygonale Grundriss interpretiert die charakteristischen Risalite der bestehenden Fassaden neu.

Gründerzeit neu interpretiert

Ursprünglich war die Sanierung des bestehenden Altbaus in dieser Schonzone geplant – unter den Vorgaben der Barrierefreiheit und einem Anbau der unternutzten Parzelle. Doch das hochwertige Neubaukonzept überzeugte die Bauherrschaft. Es besticht durch seine Kombination von Holz und Beton im Innenausbau. Wie ein Leitmotiv zieht es sich durch alle vier Wohnungen. Die Ausführung in Beton liess finanziellen Spielraum für die hochwertigen Schreinerarbeiten. Statt Gründerzeit-Ornamentik setzt der Architekt auf schlichte, raumhohe Furnierbahnen, wie eine Tapete flächenbündig auf Beton aufgesetzt. «1,6 mm starkes Furnier», so der Schreiner Camille Weber.

Massives Eichentäfer auf rohem Beton

Die Schreinerei Weber aus Seewen führte die gesamten Innenausbauten durch. Neben Wandverkleidungen und Türen handelt es sich um Einbauschränke und Küchen. Im Flur zeigt sich das Zusammenspiel der Materialien Eiche und Beton eindrücklich. An den rohen Betonwänden zeichnen sich die Verschalungen als horizontaler Maserungsverlauf ab, vertikal dazu verläuft die Maserung der Eingangstür. Von hier aus gelangt man in die offene Küche. Sie bildet einen L-förmigen Grundriss, wobei die kürzere Seite in der Regel raumhoch ausgeführt wurde. «Wir hatten zwei Eichenstämme ausgesucht für einen durchgehenden vertikalen Maserungsverlauf der gesamten Fronten bis zu einer Höhe von 2,46 m», erklärt Fachmann Weber. Rund 350 m2 Furnier kamen zum Einsatz. Für die je 60 cm breiten Fronten wurden jeweils zwei Furnierblätter gestossen und auf Bild zusammengesetzt.

Präzise Furnierarbeiten

Die Furniere setzte und leimte man alle von Hand. So etwa bei den liegenden eingefrästen Griffleisten der Unterschranktüren; das innen liegende Furnier zuerst. Dank der Leisten entstand eine flächenbündige Ansicht ohne störende Griffe. «Für manche Ausführungen braucht es das Auge des Schreiners», sagt Architekt Oliver Brandenberger und bezieht sich damit auf die integrierten Lüftungsschlitze in den Sockelleisten und seitlich am Korpus. Auch die Oberflächenbehandlung war Schreinersache: «Wir behandelten das Furnier mit einem 2-Komponenten-Stumpfmattlack, um die Maserung des Holzes nicht zu verfälschen», so der Schreiner.

Flächenbündige Verarbeitung

Ein weiteres formschönes Detail bilden die Muschelgriffe an den Schiebetüren, welche die Schlafräume abgrenzen. «Dafür mussten die tragenden Spanplatten zuerst an dieser Stelle ausgefräst und ein Stück massive Eiche eingesetzt werden. Im weiteren Schritt frästen wir die Vertiefung aus», weiss der Schreiner. Die Details verlangten viel Hand- und Massarbeit, so auch bei den flächenbündigen Einbauschränken und Wandverkleidungen in den Fluren. Mithilfe eines Tip-on-Beschlags öffnen sie sich kinderleicht. «Arbeitsvorbereitung, Planung und Einkauf konnten mit der anfallenden Materialmenge auf ein gewisses Mass reduziert werden», so Camille Weber über seine wirtschaftliche Rechnung.

Optische Reduktion

Die vier Mieteinheiten bestehen im Hochparterre sowie unter dem Dach aus jeweils zwei Etagen. Zum charakteristischen Innenausbau zählt auch das Eichenholzparkett, das die grosszügige Raumwirkung der Einbauten sowie die horizontalen Sichtachsen verstärkt. Das durchgehende Parkett verstärkt den optischen Eindruck der Reduk-tion und wurde fast immer rechtwinklig zu den Fenstern hin verlegt. So zeichnen sich die stumpfen Längsfugen im Lichteinfall nicht ab. In wenigen Fällen musste es aus gestalterischen Gründen parallel angeordnet werden. Die Riemen sind 15 cm breit und 150 cm lang; die Nutzschicht des Klebeparketts ist 7 mm dick und wurde farblich auf die schlichten Innenausbauten abgestimmt.

Spannender Findungsprozess

Für die Kostenermittlung zeichnete und errechnete man die anstehenden Schreinerarbeiten in Variationen. Optimierungszeichnungen erfolgten in Absprache mit dem Schreiner sowie auch Furniereinteilungen und Werksplanung.

«Bei diesem Projekt haben wir viel über Befestigungsarten und Furnierrhythmen gesprochen, so als würde man an der Entwicklung eines Musikinstruments arbeiten», sagt der Architekt. Die Planungen umfassten rund ein Vierteljahr, die Bauzeit dann nochmals 15 Monate. «Hier konnte das Schreinerhandwerk aufblühen», fügt Camille Weber an. Es sei schliesslich der Stolz des Schreiners, sämtliche Arbeiten selbst ausführen zu können.

www.oliverbrandenberger.comwww.schreinerei-weber.chwww.bernasconi.ch

mz

Veröffentlichung: 26. Mai 2016 / Ausgabe 21/2016

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