Zeit erfassen ohne Zeitverlust

Eine Touchscreen-Oberfläche vereinfacht das korrekte Eingeben der Daten ins System. Bild: Triviso AG

Zeitrapportierung.  Der von Hand ausgefüllte Rapportzettel hat in Schreinereien zwar noch nicht ausgedient. Immer mehr Betriebe rüsten aber die Computersysteme auf, so dass die Mitarbeiter ihre Rapporte direkt in die Datenbank eingeben können. Hoch im Kurs sind mobile Lösungen.

Fast 1000 Büchlein mit je 100 Tagesrapportzetteln hat der Shop des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) 2014 ausgeliefert. Hinzu kamen rund 250 Blöcke à 50 Wochenrapportzetteln. Klar, die Zahlen sind über die Jahre gesehen etwas rückläufig. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung in Schreinereien erscheinen sie dennoch hoch. Viele Betriebe erfassen die Arbeitszeiten und deren Verteilung auf einzelne Aufträge und Kostenstellen immer noch manuell mit Papier und Bleistift.

Weniger Fehler in der Datenbank

Bis vor Kurzem gehörte auch die Schreinerei Röthlin AG in Kerns OW dazu. Das 175-jährige Familienunternehmen verwendete einen selbst konzipierten Rapportzettel. Darauf trugen die elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auftragsbezogen die Arbeitszeiten ein. Einmal in der Woche tippte jemand im Betrieb die Zettel ab, damit die Daten in der Branchensoftware für die Weiterverarbeitung verfügbar wurden. In der Regel erledigte dies Maria Röthlin, Ehefrau des Seniorchefs Lukas Röthlin. Eine undankbare Aufgabe. «Manchmal waren die Handschriften nicht lesbar, und man musste bei den Mitarbeitern nachfragen», sagt Sohn Lucky Röthlin, der im Unternehmen für Administration und Technik zuständig ist. «Jetzt ist das einfacher.»

In der Schreinerei Röthlin ist unlängst ein neues Zeitalter angebrochen. Rund 100 000 Franken hat das Unternehmen in die Erneuerung der gesamten Computerinfrastruktur investiert, Hardware ersetzt und neue Programme angeschafft. Weil man sich beim ERP für «Evo» von der WDV-Informatik AG entschied, wählte man für die Zeiterfassung ein Produkt des gleichen Unternehmens, das zur Schwyzer Borm-Gruppe gehört. Die Lösung basiert auf einem Touchscreen-Monitor, der in der Werkstatt stationiert ist und an dem die Mitarbeiter jeden Arbeitsschritt über eine übersichtliche Oberfläche eingeben können. Die Mitarbeiter-Accounts sind passwortgeschützt, so dass kein Angestellter seine Zeiten irrtümlich unter dem falschen Namen erfasst. Generell sei die Fehlerquote zurückgegangen, sagt Lucky Röthlin. Das Kopfrechnen beim Zusammenzählen der Stunden entfällt. Und nur schon dadurch, dass jeder Arbeitsschritt sofort erfasst wird, erhält man genaue Resultate – während früher beim Ausfüllen des Zettels die Zeit eher nach Gefühl auf die Aufträge verteilt worden war.

Das Führen des Betriebs wird einfacher

Hier sieht auch Hans-Peter Ruepp, Unternehmensberater und diplomierter Schreinermeister, die Vorteile der Direkt-Zeiterfassung durch die Mitarbeiter. Für den Inhaber und Geschäftsleiter der Ruepp & Partner AG in Rotkreuz ZG führt kaum ein Weg an einem solchen System vorbei. «Es ermöglicht eine viel bessere Führungsqualität.» Ruepp meint etwa die Nachkalkulation, die sehr präzis durchgeführt werden kann. «Der Betriebsleiter stellt sofort fest, wo die Kosten aus dem Ruder laufen.» Zudem werde die Lohnabrechnung einfacher, und der Chef habe stets den Überblick, wer wie viele Überstunden auf dem Konto habe.

Auch Ruepp stellt aber fest, dass noch vor allem in kleineren Betrieben die Erfassung mit Bleistift und Rapportzettel verbreitet ist. Das könne durchaus gut gehen, auch wenn «der administrative Aufwand bisweilen ad absurdum geführt wird». Und er habe auch schon Schreinereien gesehen, die keine Branchensoftware besitzen, sondern sich irgendwie mit Word und Excel durchschlagen. Dann bringe natürlich auch eine Direkt-Zeiterfassung nicht viel.

Nach Einschätzung von Ruepp sind moderne Erfassungssysteme inzwischen auch für kleine Betriebe erschwinglich. Die Investition lohne sich. «Die Schreinereien, die ich kenne, würden ihre Lösung nicht mehr hergeben.» Kostspieliger wird es, wenn die IT-Infrastruktur ihr Lebensalter erreicht hat.

Online-Datenerfassung liegt im Trend

Wobei Josef Föhn, Inhaber und Geschäftsführer der Borm-Gruppe, betont: «Mir ist keine Schreinerei bekannt, die allein wegen eines neuen Zeiterfassungssystems die Hardware austauschen musste.» Mit einigermassen aktueller Hardware bringe man solche Software eigentlich immer zum Laufen. Die Firma Borm zählt rund 700 Schweizer Schreinereien zu ihren ERP-Kunden, wovon viele auch eine Direkt-Zeiterfassung nutzen. Die einen verwenden einen Touch-screen wie Röthlin, andere schwören auf ein System mit Barcodes auf den Auftragsblättern, die mit einem Scanner bei Beginn jedes Arbeitsschritts eingelesen werden. Wie genau das System mit Daten gefüttert wird, ist für Föhn aber gar nicht so entscheidend. «Wichtig ist, dass Instrumente wie Touchscreen oder Strichcode-Scanner der Belastung in einer Werkstatt oder auf einer Baustelle standhalten.»

Von den grossen Anbietern wie der Borm-Gruppe und der Triviso AG in Solothurn wird im Moment die browserbasierte, mobile Datenerfassung via Internetverbindung stark propagiert. Diese Neuentwicklung hat den Vorteil, dass weder ein stationäres Terminal installiert noch ein Strichcode- Lesegerät bei der Arbeit mitgeführt werden muss. Mit jedem internetfähigen Gerät können Daten erfasst werden – egal ob mit Smartphone, Tablet oder Desktop-Computer. «Die Daten sind sofort verfügbar, man muss nicht einmal warten, bis der Monteur von der Baustelle zurück ist», sagt Stefan Cotting, Geschäftsführer von Triviso. Aus-serdem sei die Bedienung sehr intuitiv, also auch für Mitarbeiter anderer Muttersprachen problemlos zu handhaben. Die Anbieter versichern, dass im Prinzip auch Funklöcher überbrückt werden können. Die Anschaffungskosten für ein solches Erfassungssystem betragen je nach Ausführung zwischen 300 und 800 Franken pro Mitarbeiter. Unterschiedlich geregelt sind die zusätzlichen Gebühren für Updates und Support.

Dass in Schreinereien für effiziente Zeiterfassungssysteme noch Potenzial vorhanden ist, hat auch Stephan Murer von der Firma Murer EDV in Dübendorf ZH festgestellt. Er ist ursprünglich in der Holzbaubranche zu Hause, erfreut sich aber wachsender Beliebtheit bei Schreinereien und Mischbetrieben. Sein System ist ebenfalls internetbasiert. Die Daten werden in eine Cloud gespeist. Anschaffungskosten fallen keine an, der Kunde zahlt lediglich eine Mietgebühr für Software und Serverplatz. Diese beträgt beispielsweise für Betriebe mit zehn Mitarbeitern 140 Franken im Monat. Hinzu kommen einmalige Kosten von 160 Franken fürs Einrichten der Datenbank.

Kombinationen sollten möglich sein

Voll auf Strichcode-Scanner setzt die Firma AK-Soft GmbH in Walzenhausen AR. Sie zählt 245 Schreinereien zu ihrer Kundschaft und hat etwa 2300 Scanner im Umlauf. Laut Geschäftsführer und Inhaber Kurt Bischofberger kostet der Kauf des Systems pro Mitarbeiter rund 600 Franken, die zusätzlichen Gebühren für Service und Updates seien «eher symbolisch».

Alle angefragten Anbieter von Direkt-Erfassungssystemen betonen, dass die Schnittstelle zur Software von anderen Anbietern funktioniert. Das ist wichtig, denn manche Schreinerei möchte wohl die Zeiterfassung vereinfachen, ohne gleichzeitig noch das zuverlässig arbeitende ERP austauschen zu müssen. Allerdings hört man auch, dass je nach Kombination der Programme doch ein Effort geleistet werden muss, bis diese ideal miteinander harmonieren. Für Unternehmensberater Hans-Peter Ruepp ist deshalb klar: «Bei der Evaluation eines neuen Systems für die Zeiterfassung sollte man immer von der Branchensoftware ausgehen und zuerst abklären, was an diese angebunden werden kann.» Sonst könne man sich viel Ärger einhandeln.

Umtriebe mit Zeiterfassungsprogrammen sind für Markus Jakob von der Schreinerei Pianorm Innenausbau AG im zürcherischen Illnau ein Graus. Er hatte sich vor gut zwei Jahren die Anschaffung einer Direkt-Zeiterfassung überlegt, kam dann aber rasch wieder davon ab. «Grundsätzlich gibt es gute Systeme. Diese sind aber für uns nicht geeignet, weil sie für grosse, fast schon industrielle Betriebe konzipiert sind», sagt er. Die 17 Mitarbeiter seiner Schreinerei seien meistens an mehreren Aufträgen gleichzeitig, da könne man die Daten gar nicht so genau erfassen, wie das ein solches System verlange. «Ausser man tippt wirklich nach jedem Bauteil, das man zuschneidet, die aufgewendete Zeit ins System.» Doch dann sei der Effizienzgewinn ja gleich wieder dahin. Pianorm arbeitet heute noch mit Rapportzetteln. Und daran wird sich so schnell nichts ändern.

www.schreinerei-roethlin.chwww.borm.chwww.ruepp.chwww.triviso.chwww.mureredv.chwww.aksoft.chwww.pianorm.ch

mf

Veröffentlichung: 08. Oktober 2015 / Ausgabe 41/2015

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