Zeugnisse alter Handwerkskunst

Die Täferung im Spiesshof in Basel zeigt alte Schreinerkunst mit zahlreichen Architekturzitaten. Bild: Erik Schmidt

Täferzimmer.  Mittelalterliche Dachkonstruktionen und Täferstuben haben sich in Basel über Jahrhunderte erhalten. So prunkvoll diese Schmuckstücke aus Holz heute erscheinen, so konfliktreich war der Wettbewerb zwischen den Handwerkern.

Martin Möhle hat zehn Jahre lang ausnahmslos jedes einzelne Haus mit historischer Bausubstanz besucht, das sich in der mittelalterlichen Altstadt Grossbasels erhalten hat. Jedes einzelne hat er akribisch vom Keller bis zum Dachstuhl wissenschaftlich dokumentiert. Dabei ist er auf so manchen verborgenen Schatz alter Handwerkskunst gestossen.

Tatsächlich wurde ihm zu nahezu jedem dieser Häuser Zutritt gewährt – keine Selbstverständlichkeit. «Manchmal konnte ich im Gegenzug Rätsel für die Eigentümer lösen», sagt Möhle. Etwa zu auffallenden Löchern in den Balken im Dachwerk. «Sie sind Zeichen dafür, dass das Holz geflösst worden ist.» Die Flösserei hatte jahrhundertelang grosse Bedeutung für Basel. «Jegliches Holz, das durch Basel geflösst wurde, musste seit dem Mittelalter nach dem damals weitverbreiteten ‹Stapelrecht› acht Tage lang in der Stadt zum freien Handel angeboten werden», berichtet Wolfgang Loescher, Kunsthistoriker und Restaurator für Holzobjekte am Historischen Museum Basel. Der Grund: Den ortsansässigen Schreinern, Zimmerleuten und Tischmachern sollte die Möglichkeit gegeben werden, ausreichend Holz für ihren Bedarf zu beziehen. Nur was die ortsansässigen Handwerker nicht benötigten, durfte weiter rheinabwärts geflösst werden. Horten zum Weiterverkauf war verboten, kam aber immer wieder vor und wurde vom Rat der Stadt gerügt.

Schreiner und Zimmerleute im Streit

Zwischen den Holz verarbeitenden Handwerkern kam es auch sonst regelmässig zu Streit. So beklagten sich die Zimmerleute 1526, die Tischmacher griffen ihnen ins Handwerk, indem sie unerlaubt auch Treppen und Schweineställe bauten. Die Schreiner wiederum beschuldigten 1684 die Zimmerleute, wider alter Ordnung Fenster, Rahmen, Türen und Täferungen zu erschaffen. Schliesslich einigte man sich darauf, dass die Zimmerleute nur Arbeiten ausführen durften, für die sie nicht leimen mussten. Fensterrahmen, Türen und Täfer wurden ihnen nicht zugestanden. Das war Schreinerarbeit. Zudem wurden ihnen gewisse Werkzeuge verboten. Sie sollten nur Waldaxt, Breitbeil, Bundaxt und Falzhobel verwenden. Als die Zimmerleute sich beschwerten, wurden ihnen zusätzlich Schliff- und Glatthobel erlaubt, damit auch sie eine Chance hatten, glatte Flächen herzustellen.

Loescher: «Immer wieder übernahmen die Zimmerleute verbotene Aufträge und wiesen, wenn sie vom Zunftvorstand zur Rede gestellt wurden, darauf hin, dass sie dies ebenso gut könnten wie die Schreiner und die Kundschaft zufrieden sei. Auf der anderen Seite machten die Glaser den Schreinern den Bau von Fensterrahmen streitig.»

Zahlreiche Zeugnisse erhalten

Besonders harmonisch ging es also auch in der nur scheinbar so «guten alten Zeit» nicht zu. Vom handwerklichen Geschick der zerstrittenen Vorväter zeugen bis heute erhaltene hervorragende Beispiele ihrer Handwerkskunst, die Martin Möhle nun in einem Buch aufgearbeitet hat.

Dabei ist die Kunst der Schreiner ebenso beeindruckend wie jene der Zimmerleute. Zahlreiche gotische Dachstockkonstruktionen blieben bis heute erhalten. So findet sich in der Liegenschaft am Nadelberg 6 ein zimmereitechnisch anspruchsvolles Sparrendach aus dem Jahr 1271. Das Haus wurde «Schönes Haus» genannt, weil es für die Zeit seiner Erbauung eine ausgesprochen verschwenderische Ausstattung hatte. Das Sparrendach zeugt von hohen technischen Fertigkeiten und zeichnet sich dadurch aus, dass die Last vollständig auf die Aussenmauern abgetragen wird und im Dachraum keinerlei Stützen nötig sind.

Auch in den Räumen hat sich die Ausstattung erhalten, darunter die bemalten Balken im Festsaal. Sie sind mit geometrischen Mustern und Sagengestalten, Mischwesen aus der mittelalterlichen Mirabilienliteratur, bemalt. Möhle: «Das eindrückliche Haus ist reine Anspruchsarchitektur. Ein reicher Kaufmannssohn schaffte es, sich damit so viel Ansehen zu verschaffen, dass ihm später der Aufstieg in den niederen Adel glückte.» Heute befindet sich das Gebäude, wie so viele alte Adelssitze in Basel, die ihren ursprünglichen Zweck verloren haben, im Besitz der Universität.

Täferstuben herausgerissen

Ganz in der Nähe liegt der Engelhof, heute ebenfalls Unigebäude. Nachdem schon im 19. Jahrhundert viel verändert worden war, ist die gesamte Innenausstattung heute ein Kind der Achtzigerjahre. Umso verblüffender ist es, wenn man im ersten Geschoss die Tür zu einem kleinen Sitzungszimmer öffnet, das direkt zur Strasse gerichtet ist. Plötzlich tritt man in eine Täferstube aus der Zeit mit dem um 1500 ältesten Kachelofen Basels. Der Raum wirkt im moder- nen Umfeld fast befremdlich. Masswerk-friese und astwerkartige Verschlingungen ergänzen sich durch knorpeligem Blattwerk.

Vieles ging über die Jahrhunderte verloren, weil sich Geschmack und Mode änderten. So wurden etwa im Spiesshof am Heuberg zwei Täferstuben herausgerissen, als das Wohnhaus zum Bürohaus umfunktioniert wurde. Zum grossen Glück landeten sie nicht in der Mulde, sondern wurden dem Historischen Museum überwiesen, wo sie in die Dauerausstellung integriert wurden. Die kleinere der Stuben ist dort bis heute zugänglich. Die Decke des grösseren Zimmers befindet sich wieder an ihrem ursprünglichen Ort im Spiesshof. «Vor einigen Jahren kam das Haus wieder in private Hände. Für uns war es ein grosser Glücksfall, dass der neue Eigentümer eine der Stuben wieder einbringen wollte. Das Historische Museum willigte in die Rückführung ein. Heute dient das ‹Grosse Spiesshofzimmer› als Sitzungsraum», berichtet Möhle.

Färber behindern Schreiner

Im ersten Stock des Hauses «Zum Löwenzorn» am Gemsberg kann man in den Detailreichtum aufwendiger Intarsienarbeiten eintauchen. Die Arbeiten sind, weil sie zu einem Gasthaus gehören, öffentlich zugänglich und stammen aus der Renaissance.

Restaurator Loescher erzählt, dass die erstaunliche Farbigkeit der Intarsien allein auf die Holzauswahl zurückgeht, gebeizt wurde in Basel kaum. Daher blieb beispielsweise die Farbe Violett nur kleinteiligen Motiven vorbehalten, da Zwetschgenholz beim Trocknen gern reisst. Grün wiederum kommt teilweise vor, da es auf natürliche Weise aus Holz zu gewinnen war, das mit bestimmten Pilzen befallen war. «Man ging einfach in den Wald und suchte, bis man das entsprechende Holz fand», berichtet Loescher. Schattierungen waren möglich, indem man das Furnier in heissen Sand tauchte, bis es sich schwarz verfärbte.

Ob der Intarsiensaal im Löwenzorn ursprünglich grösser war, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Möhle stellt aber fest: «Es lassen sich im Raum unterschiedliche Intarsientechniken und Qualitätsunterschiede in der Ausführung feststellen. Es waren also mehrere Künstler beteiligt.» Das sei kein Einzelfall. Dass die Komposition etwas zusammengewürfelt erscheine, sei vielleicht das Resultat einer Saalverkleinerung, bei der nur die besterhaltenen Stücke wiederverwendet wurden.

«Ein Haus ist ein wunderbares historisches Zeugnis. Aber es ist auch ein schwieriger Zeuge, weil darin gewohnt wird und die Menschen das Haus nach ihren Bedürfnissen verändern», sagt Möhle. Umso schöner ist, dass sich in Basel noch reiche Spuren der Vergangenheit finden lassen.

Literaturhinweise

Die Kunstdenkmäler der Schweiz

Die Buchreihe «Die Kunstdenkmäler der Schweiz» ist ein Grundlagenwerk für Baukultur, Kunst und Geschichte. Ziel ist die Gesamtdarstellung aller architektonischen und kunstgeschichtlichen Besonderheiten der Schweiz. Sie erscheint seit 1927. Zum Kanton Basel-Stadt sind bereits acht Bände publiziert wurden.

  • Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt VIII. Die Altstadt von Grossbasel II, Profanbauten. Autor: Martin Möhle, 500 Seiten, ISBN: 978-3-03797-236-6

Möbel in Basel

Die Geschichte des Schreinerhandwerks in Basel ist vielfältig. Der reich illustrierte Band widmet sich der gewerblichen Organisation, der sozialen Stellung, den Konflikten von konkurrierenden Handwerken und Dorfschreinern. Erstmals veröffentlichte Lehrlingszeichnungen und spezielle Massstäbe zur Fertigung der Meister- stücke geben einzigartige Einblicke in die Schreinerausbildung.

  • Möbel in Basel. Kunst und Handwerk der Schreiner bis 1798. Historisches Museum Basel (Hg.) Stefan Hess, Wolfgang Loescher, 388 Seiten, ISBN 978-3-85616-545-1

AVA

Veröffentlichung: 08. März 2018 / Ausgabe 10/2018

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