Zonenwechsel im «Büro 4.0»

Die Bürolandschaft wird in verschiedene Zonen aufgeteilt, die sich den anstehenden Arbeiten anpassen. Bild: Aduno-Gruppe

Bürowelten.  Das gute alte Einzelbüro hat ausgedient. Neue Bürowelten halten Einzug, in denen man sich Tisch und Stuhl teilt. Die Arbeitsplätze sind geprägt von der Digitalisierung und der Mobilität, was wiederum neue Möbelkomponenten ins Spiel bringt.

Die Bürowelt erlebt derzeit einen Umbruch. Hand in Hand mit technologischen Innovationen wie zum Beispiel der Digitalisierung werden auch Büro- und Gewerbebauten neu ausgerichtet. Netzwerktechnologien, Cloud-Computing und Dokumenten-Management-Systeme ermöglichen es den Mitarbeitern, ihre Arbeit örtlich flexibel zu verrichten. Dazu kommt, dass mittlerweile Homeoffice, Teilzeitarbeit und Job-Sharing bei Unternehmen und Mitarbeitern weitgehend akzeptiert sind. Diese Neuausrichtung wird unter dem Begriff «Büro 4.0» zusammengefasst.

Weniger Platz und neue Vorlieben

Dieser Wandel hat Auswirkungen von den Bürolandschaften bis hin zu den kleinsten Möbelkomponenten. Der Platzbedarf pro Mitarbeiter schwindet, in den letzten 15 Jahren um über 30 Prozent. Rechnete man früher noch mit einem Platzbedarf von 20 Quadratmetern pro Mitarbeiter, sind es heute laut schweizerischem Arbeitsrecht im Grossraumbüro noch zwischen 7 und 9 Quadratmeter. Dieses verdichtete Arbeiten hat Vor- und Nachteile. Die Unternehmen sparen einerseits teure Mietkosten. Wer aber seine Mitarbeiter achtlos in ein Grossraumbüro pfercht, muss mit gesundheitsbedingten Ausfällen rechnen.

«Das klassische Grossraumbüro mit festen Arbeitsplätzen und ohne spezielle Ruhe- oder Telefonzonen ist die schlechteste aller Alternativen», sagt der Arbeitspsychologe Hartmut Schulze von der Fachhochschule Nordwestschweiz, der verschiedene Büroszenarien untersucht hat. Sitzen die Leute zu eng beieinander, werden sie oft in ihrer Arbeit unterbrochen. Sie werden in Gespräche verwickelt, obwohl sie sich auf die Arbeit konzentrieren möchten. Das kann zu Konzentrationsstörungen, Ermüdung und Kopfschmerzen wegen Überanstrengung füh- ren. Hinzu kommt, dass nun eine neue Generation Mitarbeiter die Büros bevölkert. Sie werden «Generation Y» und «Generation Z» genannt und sind mit der digitalen Welt aufgewachsen. Für sie sind Cloud-Lösungen und mobiler Zugriff auf ihre Daten selbstverständlich. Wer ein attraktiver Arbeitgeber für diese aufstrebenden Generationen sein will, muss sich zwangsläufig Gedanken über flexible Arbeitsplätze und -zeiten machen.

Veränderung mit Weitblick

Es sind also neue Bürowelten gefragt. Multi- oder Coworking Spaces sind in aller Munde. Doch was zeichnet eine solche neue Bürolandschaft aus?

Die Aduno-Gruppe stellte sich 2015 genau diese Frage. Die Zürcher Firma bietet Produkte und Dienstleistungen für das bargeldlose Bezahlen an. Das Unternehmen stand vor verschiedenen Veränderungen. Einerseits wurde eine Verdichtung der Arbeitsplätze diskutiert, weil die Anzahl der Mitarbeiter stetig wuchs, anderseits waren die Arbeitsverhältnisse im hauseigenen Callcenter nicht ideal, und es wurde ohnehin ein Umbau angestrebt. Der ehemalige Personalleiter, Rolf Arnet, sah diese Veränderungen in einem grösseren Zusammenhang und nutzte sie, um gleich das ganze Unternehmen auf «4.0» umzupolen. Mit viel Pioniergeist nahm er sich diesem Spezialprojekt an. Der Büro-Umbau war dabei nur ein Teil des Vorhabens. Daneben wurde auch ein Umdenken in der Personalführung angestrebt, und technologische Erneuerungen hielten Einzug.

Umbau auch in den Köpfen

Sieben Mitarbeiter aller Stufen wurden beauftragt, die verschiedenen Bedürfnisse zu eruieren. Sie stellten sich Fragen wie: Was braucht es an räumlichen Veränderungen? Welche technologischen Hilfsmittel fehlen uns? Welche Richtlinien braucht es zum Beispiel fürs Homeoffice? Daneben wurde auch die Auslastung aller Arbeitsplätze ermittelt. Es stellte sich heraus, dass die einzelnen Arbeitsplätze im Schnitt nur zu 49 Prozent belegt sind. Die restliche Zeit steht der Platz leer. Dies, weil die Mitarbeiter Ferien haben, nur Teilzeit arbeiten, häufig auf Kundenbesuchen sind oder vermehrt Homeoffice machen.

Mit einer so tiefen Belegung war es naheliegend, sich für ein Desk-Sharing-Konzept zu entscheiden. Als Erstes wurde die HR-Abteilung umgebaut, die festen Arbeitsplätze wurden abgeschafft. Die Mitarbeiter der Personalabteilung fungierten als Versuchskaninchen.

Ähnlich wie ein Wohnzimmer

Ganz ohne Privatsphäre geht es dann aber doch nicht. Jedem Mitarbeiter steht ein abschliessbarer Spind zur Verfügung. Darin finden vertrauliche Unterlagen und persönliche Sachen ihren Platz. Den Arbeitsplatz hingegen wählt man sich jeden Morgen aufs Neue. Je nach Arbeiten, die anstehen, kann man sich für verschiedene Zonen entscheiden. In der «Work-Zone» im hinteren Teil des Raumes gibt es Arbeitsplätze, welche die nötige Ruhe mit sich bringen, um konzentriert und ungestört arbeiten zu können. Der Raum gleicht eher einem Wohnzimmer als einem Grossraumbüro. Ein Bücherregal ziert die Wand, und über den Arbeitsplätzen sind stoffummantelte Leuchten angebracht.

Ein grosser Tisch auf Möbelrollen stellt die «Meeting-Zone» dar. Er lädt zu Teamsitzungen oder Gruppenarbeiten ein und ist mit einem grossen Bildschirm ausgestattet, auf dem Präsentationen und anstehende Arbeiten gleich zusammen diskutiert werden können. Steckdosen am Boden unter dem Tisch erlauben es, Laptops anzuschliessen. Für Besprechungen im kleineren Rahmen gibt es Nischen für bis zu sechs Personen. Sie erinnern in ihrer Form an ein Zugabteil. Zwei Bänke liegen sich gegenüber, in der Mitte steht ein Tisch. Dieser Rückzugsort lässt auch mal ein vertrauliches Gespräch oder konzentrierte Arbeit zu.

Die Telefonkabine ist zurück

Telefongespräche können in den Telefonkabinen geführt werden. Sie sind belüftet und haben ein integriertes Licht, das mit einem Bewegungssensor angesteuert wird. Zwei Seiten davon sind aus Glas, damit nicht klaustrophobische Gefühle ein längeres Gespräch verunmöglichen.

In der Personalabteilung fand auch eine kleine Sitzungszimmer-Box ihren Platz. Sie ist als Raum im Raum konzipiert und ebenfalls belüftet und zweiseitig verglast. Mit Vorhängen kann man sich, wenn nötig, vor neugierigen Blicken schützen.

Aus Kabuff wird Loft

Mit den Erfahrungen, die Rolf Arnet und sein Team in der HR-Abteilung sammeln konnten, wurde der Umbau des Callcenters in Angriff genommen. Speziell musste auf den höheren Geräuschpegel der Callcenteragenten Rücksicht genommen werden. Obwohl heute mehr Leute in der Abteilung arbeiten, gibt es weniger Arbeitsplätze auf dem Stock. Der Raum hat enorm an Luft gewonnen. Die Pulte sind nicht mehr rechtwinklig angeordnet, sondern in einer Zick-Zack-Linie in den Raum gestellt. Das hat den Vorteil, dass man seinem Gegenüber nicht mehr direkt ins Gesicht spricht. Zudem brechen Längs- und Querblenden aus Filz, die am Pult angebracht sind, den Schall und schützen vor Blicken.

Für eine gute Raumakustik sorgen ausserdem hängende Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen. Sie sind an Schienen angebracht und können wie ein Vorhang verschoben werden. Alle Pulte der Callcenteragenten sind höhenverstellbar und mit einem Kabelkanal ausgestattet, der sich der Tischhöhe anpasst. Auch in dieser Abteilung finden sich die verschiedenen Zonen wieder, wo die Mitarbeiter Sitzungen abhalten oder sich für ein problematisches Kundengespräch zurückziehen können.

Gärtchendenken ade

Wer seine Bürolandschaft dermassen auf den Kopf stellt, kann dies nicht ohne ein Umdenken seiner Mitarbeiter und der Führungskräfte machen. Denn wer von seinen Mitarbeitern mehr Autonomie und Flexibilität fordert, muss auch einen neuen Führungsstil entwickeln. Geführt wird vermehrt auf Distanz, was die Kontrolle erschwert. Darum muss sich die Rolle der Führungskraft ebenfalls wandeln: von einer kontrollierenden in eine motivierende Funktion. Das ist Rolf Arnet bewusst, und er macht nicht nur seine Büros «4.0»-konform, sondern auch seine Mitarbeiter.

Isabelle Spengler

www.aduno-gruppe.ch

Küchenbauer erschliesst neuen Markt

Die Veränderungen am Arbeitsplatz machen auch bei der althergebrachten Büro-Teeküche nicht halt. Diese bekommt eine ganz neue Bedeutung. Das hat auch die traditionsreiche Muotathaler Orea AG erkannt und auf die veränderten Bedürfnisse im Büromarkt reagiert. Seit Kurzem bietet der Küchenbauer «Orea connect» an, ein durchdachtes Teeküchenkonzept mit offenen Kommunikationszonen im Baukastensystem. Die Idee besteht darin, die Teeküche in multifunktionale Kommunikationszonen umzuwandeln. Dabei steht die Küche als Ganzes im Mittelpunkt. Ihr angeschlossen sind Zonen für Besprechungen oder für eine Pause. Das Konzept besteht aus verschiede- nen Kernelementen, die T-förmig angeordnet werden und beidseitig bespielbar sind.

Isabelle Spengler

www.orea-kuechen.ch

Veröffentlichung: 31. Mai 2018 / Ausgabe 22/2018

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