Zwei Filetstücke und Ghackets mit Hörnli

Die Schranktürchen im Kaminzimmerwerden nicht auf den ersten Blick als solche erkannt. Bild: Micha Steinmann

Grossauftrag.  Das Appartementhaus Kloten-Milano unweit des Flughafens sticht schon wegen seiner bunten Fassade aus Keramik ins Auge. Auch im Gebäude dominieren edle Materialien, wozu der Innenausbau der Klotener Schreinerei Nyffenegger seinen Teil beiträgt.

Ein Langstreckenflug mit einem versierten Piloten und einer flexiblen Crew: Das war der Auftrag für den Innenausbau des Appartementhauses Kloten-Milano. Der Pilot, das waren in diesem Fall die Architekten des Klotener Büros Züst, Gübeli, Gambetti. Die Crew, das war das Team der Schreinerei Nyffenegger, ebenfalls aus Kloten, um Markus Waldner, Leiter Schreinerei, und Projektleiter Simon Rausch.

Für den mittelständischen Betrieb Nyffenegger war «Kloten-Milano» ein ausserordentlicher Grossauftrag mit knapp einer Million Franken Volumen. Obwohl die Schreinerei schon des Öftern mit der Specogna Immobilien AG als Bauherrin zusammenarbeitete, fiel Markus Waldner die Auftragssumme nicht so einfach in den Schoss. «Wir waren nur ein Bewerber unter vielen und mussten uns im Einladungsverfahren durchsetzen.»

Was sich beim Ersatzneubau eines Mehrfamilienhauses aus den 1970er-Jahren am Waldeggweg 2 in Kloten schon am Äussern abzeichnet, setzt sich im Innern fort: Opulenz in der Wahl der Materialien. Nebst der markanten, herauskragenden Fassade verleihen die Werkstoffe dem Bau seinen besonderen Charakter. Die Architekten verstehen «Kloten-Milano» als «Stadt im Gebäude» und als Referenz an die Architektur im Mailand der 1950er-Jahre.

«Der Architekt hatte genaue Vorstellungen, auch was den Innenausbau angeht», sagt Projektleiter Rausch. Doch das sei kein Nachteil gewesen. Im Gegenteil: «Er machte seinen Job sehr gut», sagt Rausch. So sei klar gewesen, dass das Design nicht Aufgabe der Schreinerei ist. Denn es gab sonst genug zu tun. Der Grossauftrag forderte die Schreinerei in allen Bereichen – auch zeitlich, denn zwischen Auftragserteilung und Fertigstellung lag nur gerade ein Jahr.

Ständige Suche nach Kompromissen

Die Filetstücke und gleichzeitig Aushängeschilder des Auftrags sind die Bibliothek und das Kaminzimmer, zwei der vielen Gemeinschaftsräume im Gebäude. Hier bestimmt gebeiztes Eichenfurnier das edle Ambiente. «Eine Herausforderung war etwa die Vorgabe, dass Türen nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sein sollten», sagt Rausch. Bis Architekt und Bauherrschaft das erhielten, was sie sich vorstellten, waren manche Sitzungen und Besprechungen notwendig, zeitweise sogar wöchentlich. Muster wurden vor Ort angeschaut. «Wie sieht es aus? Passt es?» Solche und andere Fragen klärten die Verantwortlichen vor Ort ab, auch ob die gewünschten Materialien überhaupt in der benötigten Menge und rechtzeitig verfügbar seien.

Es galt für die KMU-Schreinerei, einen Spagat zu meistern: «Unsere Rolle bestand darin, die gewünschte Gestaltung zu realisieren und gleichzeitig den Kostendruck aufzufangen», sagt Waldner. Das sei dank unkonventionellen Ideen und guter Zusammenarbeit nach innen wie nach aussen geglückt. Ein Beispiel dafür ist laut Waldner die Wandtäfelung im Eingangsbereich. Die ist mit MDF-Platten ausgeführt, in die Nuten gefräst wurden, sodass sie einer Lat- tung ähnelt. «Die Wandtäfelung effektiv als Lattung auszuführen, das wäre viel zu aufwendig gewesen», sagt Waldner. Die Schreinerei habe die Platten bei einem Lieferanten bearbeitet gekauft und dann montiert. Die schmalen Oberflächen hat dann ein Malergeschäft in der von den Architekten bestimmten Farbe gestrichen.

Vom Protoypen zur Serie

Den Grossteil das Auftrags machten aber nicht die beiden Filetstücke aus, sondern «Ghackets mit Hörnli»: Das sind 70 Schränke für die Appartements und die rund 400 Fensterfutter sowie Arbeiten im Fitnessstudio, in der Waschküche und im Hallenbad des Gebäudes. In den Nassbereichen setzten die Klotener Schreiner spezielle CDF-Platten ein, hochverdichtete Faserplatten, die feuchtebeständig sind. Obwohl die Wahl der Materialien im Spiel zwischen gewünschtem Design und anvisierten Kosten ein wichtiger Faktor ist: Für Projektleiter Rausch sind es vor allem die aufwendigen planerischen Vorleistungen, die das Projekt auszeichneten. «Für die Schränke haben wir in der Werkstatt einen Prototyp gebaut», berichtet er. Und weil auch die Schranktüren eben nicht wie Türen aussehen sollten und sie auch als Trennwände dienen, seien mit dem örtlichen Schlosser eigens Beschläge entwickelt und angefertigt worden, die es so nirgendwo zu kaufen gab. «Es kam uns entgegen, dass die Bauherrschaft frühzeitig eine Musterwohnung einrichten wollte. Das ermöglichte uns, das eine oder andere auszuprobieren», sagt der Schreinereileiter Markus Waldner. Nachdem der Prototyp abgesegnet war, galt es, diesen auf die gewünschte Stückzahl zu skalieren und die Arbeitsabläufe optimal einzurichten: von der Avor (in 3D), über die daraus gezogenenen Pläne und errechneten Stücklisten für den Zuschnitt bis zur CNC-Maschine und dem Kantenleimer.

Hart erarbeiteter Erkenntnisgewinn

Kein Pappenstiel war beim Auftrag auch die Logistik, die von der Werkstatt bis in die Baustelle möglichst schlank sein sollte. Das betraf vorerst die Lagerung der grossen Menge an Halbfertigprodukten in der Werkstatt. «Unsere Werkstatt ist in einer Lagerhalle eingemietet, dort konnten wir zusätzlichen Stauraum vorübergend zumieten», sagt Waldner. Die Werkstücke seien gruppiert zwischengelagert worden, um sie so auf der Baustelle später zu einem Schrank zusammenzubauen.

Doch auch die Logistik auf der Baustelle selbst war anspruchsvoll, denn das Gebäude ist über vier getrennte Treppenhäuser erschlossen. «Wir lieferten über einen mobilen Kran auf eine Plattform in den vierten Stock an, von da wurde das Material von Hand verteilt, auf dem Stockwerk selbst und auf dem darunter und dem darüber», berichtet Rausch – und dies jeweils separat für jedes der vier Gebäudeteile und nach Fahrplan getaktet, damit auf der Baustelle kein Durcheinander entstand. «Der ganze Auftrag war ein schönes Stück Kopfarbeit», sagt Projektleiter Simon Rausch. «Doch daraus ergibt sich Erkenntnisgewinn für Folgeaufträge.» Da ist er sich sicher.

«Für unseren Betrieb sind Volumen von 200 000 bis 300 000 Franken Grossaufträge. Ein Ding wie ‹Kloten-Milano› können wir nicht im alltäglichen Betrieb stemmen», sagt Markus Waldner. Der Auftrag habe zeitweise das ganze Team der Schreinerei in Beschlag genommen. Während der Projektdauer von rund einem Jahr beschäftigte die Schreinerei zusätzlich zwei Temporäre, zeitweise gar mehr. Die Montage von Schränken und Fensterfuttern wurde extern vergeben an die Firma Dietsche. Doch alles in allem ist Waldner zufrieden, wirtschaftlich habe man einen normalen Deckungsbeitrag erzielt. «Wir durften uns einfach keine Fehler und Leerläufe leisten», sagt Waldner. Und das – «Holz aalange» – sei geglückt.

www.schreinerei-kloten.ch

www.kloten-milano.ch

www.z2g.ch

Schreinerei nyffenegger

Ladenbau und Innenausbau

Die Klotener Schreinerei Nyffenegger ist aus einer anfänglich auf Beschriftungen spezialisierten Firma entstanden. Heute bilden die Sparten Ladenbau (vor allem Tankstellenshops) und die eigentliche Schreinerei die beiden Standbeine der Firma direkt am Bahnhof Kloten. In der Schreinerei arbeiten elf Personen, wovon eine Innenarchitektin, dazu kommen zwei Lernende. Serien von Schränken und anderen Möbeln für den Innenausbau sind eine der Spezialitäten, so wie derzeit ein Auftrag für die Raiffeisen-Filiale im Geschäftskomplex «Circle» am Flughafen Kloten.

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 27. August 2020 / Ausgabe 35/2020

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