Zwei Ziele, ein Weg

Hohe Konzentration bei der Arbeit: Gianluca Walpen an der Kreissäge. Bild: PD

Spitzensportlerlehre.  Gianluca Walpen lernt Schreiner und will gleichzeitig den Sprung ins nationale Langlauf-Kader schaffen. Der 17-Jährige aus Samedan erhält vom Lehrbetrieb Zeit fürs Training und wiederholt das zweite Lehrjahr, um fit für die Prüfungen zu sein.

Von der Arbeit geht es direkt ins Training. Für Gianluca Walpen (Bild) ist das Alltag. Er ist ambitionierter Langläufer. Sein Traum: Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen und dort eine Medaille zu gewinnen. Der Weg dahin ist jedoch steinig und weit. Dem ist sich der 17-Jährige bewusst, und er investiert viel in seine sportliche Zukunft. Gleichzeitig will er aber nicht nur aufs Langlaufen setzen, sondern absolviert eine Lehre als Schreiner EFZ. «Ich habe mich gegen die zweijährige Ausbildung zum Schreinerpraktiker entschieden, weil die vierjährige Lehre besser ist, um daran anzuknüpfen», begründet er.

Damit der Bündner Sport und Beruf besser unter einen Hut bringen kann, macht er eine sogenannte Spitzensportlerlehre. «Das bedeutet, dass ich von meinem Lehrmeister frei bekomme, wenn es für den Sport nötig ist», erklärt er. «Das klappt ohne Probleme.» Voraussetzung für diese Form der Ausbildung ist, dass ein Nachwuchssportler im Besitz einer Talent Card Regional oder National von Swiss Olympic ist oder einem Nationalkader angehört. Ein Betrieb wird als leistungssportfreundlich anerkannt, wenn er den Auszubildenden grösstmögliche Flexibilität zusichert. Zudem muss auf die Belastung von Sport, Lehre und Berufsschule geachtet und auf die Wettkämpfe Rücksicht genommen werden.

Sehen, was er geleistet hat

Gianluca Walpen befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr und ist in der Engadiner Lehrwerkstatt für Schreiner in Samedan angestellt. Zuvor hat er die Sportschule in Champfèr besucht und dort die Realschule abgeschlossen.

«Für die Lehre als Schreiner habe ich mich entschieden, weil ich kein Typ bin, der den ganzen Tag an einem Schreibtisch sitzen kann. Zudem finde ich es schön, wenn man am Ende des Tages sieht, was man gemacht hat», erzählt er. Nach dem Schnuppern war er sich seiner Berufswahl sicher. Die Lehrstelle hat er dank einer Liste von Swiss Olympic gefunden, auf der leistungssportfreundliche Betriebe aufgeführt sind. «Nach dem Schnuppern habe ich mich beworben.»

In Absprache mit seinem Berufsbildner hat Gianluca Walpen im Sommer abgemacht, dass er das zweite Lehrjahr wiederholt. «Um die wichtigen Teilprüfungen im dritten Jahr zu schaffen, müsste ich so viel lernen, dass ich beim Training zurückschrauben müsste», erzählt er. «Das möchte ich aber nicht.» So hätten sie gemeinsam entschieden, dass er das zweite Ausbildungsjahr nochmals absolviert und so genug Zeit hat, den Stoff nachzuholen, um bereit für die Prüfungen zu sein. «Das ist für mich ideal. Genau diese Flexibilität hatte ich mir erhofft.»

Früh mit der IPA beginnen

Wenn er zwei bis drei Wochen fehlt, werde es schon schwierig mit dem Schulstoff, sagt der Lernende. «Ich versuche deswegen, so wenig wie möglich dem Unterricht fernzubleiben. Die Trainingslager finden zum Glück eigentlich immer in den Schulferien statt, und ins Training gehe ich abends. So geht es auf.» Im Betrieb sei er hingegen wegen des Sports zusammengezählt bis zu sechs Wochen abwesend. Betreffend der Individuellen Praktischen Arbeit (IPA) plant er, dass er diese schon möglichst früh in Angriff nimmt, um rechtzeitig fertig zu werden. «Das wird schon klappen», ist er überzeugt. Das Gleiche plant er für die Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung.

In der Engadiner Lehrwerkstatt für Schreiner ist Gianluca Walpen derzeit der einzige, der eine Spitzensportlerlehre macht. «Mir kommt entgegen, dass im Betrieb der Fokus stärker auf die Ausbildung und nicht auf die Produktion gelegt wird.» In einem anderen Unternehmen wäre es wahrscheinlich schwieriger, Sport und Beruf unter einen Hut zu bringen. «Die Belastung ist schon hoch, und es ist nicht einfach», gibt er zu. «Es braucht schon eine grosse Motivation, und ich muss mich manchmal recht antreiben und mich durchbeissen.» Klar würde er manchmal lieber schlafen oder feiern gehen, statt zu trainieren.

Start in verschiedenen Kategorien

Der Aufwand von Gianluca Walpen lohnt sich. Er ist gut in die neue Saison gestartet. «In einem der ersten Rennen war ich der beste Schweizer», sagt er stolz. Mit Jahrgang 2002 kann der Bündner in verschiedenen Kategorien wie den U18, den U20 oder den Erwachsenen starten. Gegen Ältere sei es natürlich schwieriger, nach vorne zu laufen. «Das ist auch bei den Kadern so. Es sind immer zwei Jahrgänge zusammen. Wenn man älter und theoretisch etwas stärker ist, hat man die grösseren Chancen, in die nationale statt in die regionale Auswahl zu kommen. Da geht es um Punkte.» Es ist deshalb sein nächstes Ziel, ins nationale Kader von Swiss Ski aufgenommen zu werden.

Muss im Rhythmus bleiben

Während des Winters ist der Engadiner an fast jedem Wochenende an einem Wettkampf anzutreffen. «Das ist wichtig, um im Rhythmus zu bleiben.» Die Schweizer Meisterschaften stellen für ihn jeweils ein Highlight dar. «Cool ist, dass wir dort auch als Team des Clubs und nicht nur einzeln antreten können», sagt Walpen.

Die Kosten für den Sport übernehmen hauptsächlich die Eltern des Langläufers. Dank der Talentkarte erhält er von Swiss Olympic 1000 Franken sowie einen Langlaufpass. «Langsam muss ich mir aber Sponsoren suchen, vor allem wenn ich dann zu den Erwachsenen komme. Ich möchte meine Eltern entlasten.»

Seine Ausrüstung bezieht er seit Jahren bei Peltonen, einer finnischen Marke. «Schon mein Vater ist mit diesen Skis gelaufen, und ich bekomme etwas Rabatt», erzählt er. Pro Saison verbraucht er zwischen 15 und 20 Paare. Im Langlauf gibt es zwei Disziplinen: Klassisch und Skating, für die unterschiedliche Bretter benötigt werden.

Er mag die weiten Strecken

Die klassischen Rennen mag er übrigens lieber. «Das ist wie normales Laufen, einfach mit Skis», sagt Gianluca Walpen. Und die weiten Distanzen liegen ihm mehr als die Sprints. «Dennoch bestreite ich alle Rennen. Das gehört dazu, und man kann sich ja immer verbessern.»

Der Ehrgeiz zeigte sich beim Engadiner schon früh. «Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, bestritt ich meine ersten Rennen. Ich wollte dabei immer besser als mein älterer Bruder sein», sagt er und schmunzelt. «Ohne diesen Ansporn geht es natürlich nicht. Das braucht ein Sportler.»

www.lehrwerkstatt.ch

ndo

Veröffentlichung: 09. Januar 2020 / Ausgabe 1-2/2020

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