Zwischen Artenschutz und Authentizität

Dank seiner Transparenz kann Schildpatt farblich hinterlegt werden. Jede Schildkrötenart hat ihr eigenes Muster.Bild: Cornelius Mosberger

Werkstoffe.  Über Jahrhunderte wurde Schildpatt aus den südlichen Regionen der Erde nach Europa verschifft, um damit Gebrauchsgegenstände und Möbel herzustellen. Aufgrund des Artenschutzes ist der Handel heute verboten – ein Problem für Möbelrestauratoren.

Als Schildpatt wird die verhornte Oberhaut der Rücken- und Bauchschilde von Schildkröten bezeichnet. Das im Kunsthandwerk verwendete Schildpatt wird ausschliesslich von drei Arten der Meeresschildkröten gewonnen. Dabei handelt es sich um die echte Karettschildkröte, die unechte Karettschildkröte und die Suppenschildkröte.

Um das begehrte Material von den Schildkrötenpanzern zu lösen, wurden gemäss Schriften aus dem 16. bis 20. Jahrhundert, die lebenden Tiere entweder in kochendes Wasser gelegt oder über ein Feuer gehalten. Durch die Wärme liess sich dann das Schildpatt mit einem Messer vom Panzer lösen.

Einzigartige Eigenschaften

In erster Linie wurde Schildpatt aufgrund seiner unterschiedlichen Farbgebung und seiner Transparenz geschätzt. In den meisten Fällen hat man den Leim eingefärbt oder gefärbte Papiere hinter das Schildpatt gelegt. Cornelius Mosberger aus dem sankt- gallischen Azmoos kennt sich mit der Verarbeitung dieses Materials aus: «Auch die thermischen Eigenschaften machen Schildpatt zu einem sehr interessanten Material», sagt der Möbelrestaurator Mosberger. Erhitzt man Schildpatt, lässt es sich in fast jede beliebige Form pressen und biegen. Ausserdem kann man auch mehrere Stücke miteinander verschweissen.

Die Sache mit dem Artenschutz

Allerdings ging aufgrund des Handels mit Schildpatt und der Zerstörung des Lebensraumes der Bestand von Meeresschildkröten massiv zurück. Deshalb wurden sie in die Liste der von der Ausrottung bedrohten Tierarten aufgenommen. Somit darf weltweit mit den Tieren oder Erzeugnissen davon kein Handel betrieben werden. In derselben Kategorie befindet sich zum Beispiel auch Elfenbein.

Dieser Umstand erschwert allerdings die fachgerechte Restauration von historisch wertvollen Möbeln. Cornelius Mosberger hat zwar noch alte Bestände von seinem Grossvater. «Dieser geht aber langsam zur Neige und dann muss ich weiterschauen.» Manchmal befinden sich solche Materialien noch in alten Schreinereien, oder es wird Schildpatt von nicht mehr restaurierbaren Möbeln wiederverwertet. Mosberger würde es begrüssen, wenn diese Werkstoffe für Restaurationen im Kunsthandwerk verfügbar wären: «Weltweit werden ja immer wieder ganze Schildkrötenpanzer beschlagnahmt. Statt diese zu vernichten, könnte man sie auf kontrolliertem Weg an Restaurationsfachbetriebe abgeben».

Authentisch soll es sein

Adäquate Alternativen zum echten Schildpatt gibt es kaum. Teilweise wird Kuhhorn oder auch synthetisch hergestelltes Material als Ersatz verwendet. «Dieses lässt sich aber in Textur und wegen der thermischen Eigenschaften nicht mit echtem Schildpatt vergleichen», bringt es Mosberger auf den Punkt. In Kunsthandwerkerkreisen ist es ausserdem verpönt, historisch wertvolle Stücke mit nicht authentischen Materialien zu verschandeln.

www.cmosberger.ch

ph

Veröffentlichung: 20. November 2014 / Ausgabe 47/2014

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