Lean ist kein kurzfristiges Projekt

Diesen Montageplatz für Schubladen entwickelten die Mitarbeitenden während des Lean-Prozesses. Bild: Beatrix Bächtold

Auch die Schreinermanufaktur Röthlisberger in Schüpbach BE setzt auf Lean-Management. Der Familienbetrieb blickt auf drei Millionen Arbeitsstunden Erfahrung zurück. 155 Mitarbeitende, grösstenteils Schreiner, lassen tagtäglich Material flies-sen. Und das auf engstem Raum. Im Verhältnis der Anzahl Mitarbeiter zum Umfang des Outputs ist die Schreinerei flächenmässig klein. «Sobald es irgendwo staut, wird es noch enger», sagt Christoph Schmid (Bild), gelernter Schreiner und unter anderem Verantwortlicher Lean-Management. Bei einer Betriebsbesichtigung 2019 fing alles an. «Ein Teilnehmer schaute sich unsere Abläufe an und meinte, dass wir extrem von Lean profitieren könnten», erzählt er. Doch «Lean» ist kein Projekt, das man startet und nach einer gewissen Zeit abgeschlossen ist. «Wenn man es als kurzes Projekt sieht, ist es zum Scheitern verurteilt. Vielmehr greift diese Philosophie in alle Bereiche ein. Das raubt erst mal Kräfte, sorgt für Diskussionen, der eine hält es für nötig, der andere will am Bewährten festhalten», sagt er. Deshalb sei es ganz wichtig, die Mitarbeitenden miteinzubeziehen.

Eigentlich logisch …

«In Workshops mischte sich dann die Erfahrung der langjährigen Mitarbeiter und die Energie der Lean-Coaches. Das ergab einen erfrischenden Cocktail von neuen Ideen, die sich auf die Arbeit positiv auswirkten und mit denen wir den Warenfluss schlanker und effizienter gestalten konnten», berichtet Schmid. Als Beispiel eines Resultates nennt er den von den Mitarbeitenden entwickelten Montageplatz für Schubladen. Früher lief man drei Mal hin und her, bis man Schubladenteile und Beschläge vor Ort hatte. Neu präsentiert sich der Montageplatz so eingerichtet, dass man sich mit einem Griff alles Nötige schnappen kann.

Wichtig sei es auch gewesen, künftig Prioritäten so zu setzen, dass sie für den ganzen Betrieb stimmen. «Warum lassen wir alles andere liegen, nur damit wir 500 Schränke gleichzeitig produzieren, die das Montageteam gar nicht auf einmal verarbeiten kann?» Deshalb teile man heute die Losgrösse, die Menge von Produkten, die hintereinander am Stück produziert werden, in Häppchen ein. Nur so viel werde hergestellt, wie das Montageteam in einer Etappe brauche. «Dem Montageteam nützt es nämlich nichts, wenn unzählige Schränke vor Ort stehen. Und besser wird das Material dadurch ja auch nicht. In der Werkstatt kann man nun nebenbei noch so andere Aufträge fertig machen. Dadurch ist der Warenfluss viel, viel besser», sagt Schmid. Zentrale Erkenntnis zur Verbesserung des Warenflusses ist auch, dass man erst anfängt zu arbeiten, wenn alles Benötigte vor Ort ist. Heute fertigt man zum Beispiel eine Küche nicht nach Termin, sondern nach Verfügbarkeit des Materials. Speziell in Zeiten von Corona ist das anspruchsvoll. Während man früher auf ein Küchengerät eine Woche wartete, seien es aktuell bis zu 25 Wochen. «Trotzdem, wir halten durch und legen erst los, wenn alles da ist. Aber dann sind wir ohne grosse Rückfragen und Umwege sehr schnell.»

… und doch unglaublich schwierig

Erzählt Schmid im Kreis seiner Bekannten oder Berufskollegen davon, sagen alle, dass das ja logisch sei. «Es ist schade, dass nicht alle Betriebe den Lean-Gedanken in sich tragen. Das ist keine Frage der Betriebsgrös-se, auch Kleine können profitieren. Klar, es ist knifflig, alte Abläufe aus den Köpfen zu streichen, um schlanker und damit effizienter zu werden. Wenn unsere Mitarbeitenden aber in andere Betriebe sehen, wie man fünfmal hin- und herläuft und das Teil fünfmal in die Hand nimmt, müssen sie schmunzeln», sagt Schmid. Es brauche halt einen Kick und gutes Beobachten und irgendwann könne man gar nicht mehr anders. Aber: «Man kann nicht einfach einen Schalter umlegen. Den Mitarbeitenden muss man genügend Zeit lassen, um sich an die neue Kultur zu gewöhnen. Alle Kräfte müssen sorgfältig und sinnvoll zusammenwirken.»

www.schreinermanufaktur.ch

BEB

Veröffentlichung: 30. Juni 2022 / Ausgabe 26/2022

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