Anpacken, wo man gebraucht wird

Ernst Leimbacher (68) arbeitet ehrenamtlich beim Schweizer Spielwarenhersteller Stokys. Er stanzt die Metallteile und berät Kunden bei besonders kniffligen Montagen. Bild: PD

«Da sein, wenn man gebraucht wird», das sei der rote Faden in seinem Leben. Ernst Leimbacher, heute pensioniert und ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Spielwarenhersteller Stokys, war in gut zehn verschiedenen Berufen tätig und absolvierte auch fast so viele Ausbildungen: Vom Schreiner zum Landwirt, über das Studium am Theologischen Seminar zum Busfahrer. Weil sich einige Türen schlossen, andere dafür öffneten. Und weil er stets anpackte, wo es nötig war. Als er den technischen Betrieb einer Missionsgesellschaft an der Elfenbeinküste leitete, fand sich für die Metallwerkstatt kein Mechaniker; die Autos streikten trotzdem. Deshalb bildete sich Leimbacher in der Schweiz kurzerhand zum Automechaniker aus. Von da an reparierte er die Fahrzeuge selber und schulte Einheimische in dieser Fertigkeit. Dabei bauten sie auch mal aus alten Autoeinzelteilen einen Rasenmäher. 14 Jahre lebte er im westafrikanischen Land und kehrte erst in die Schweiz zurück, als die drei Kinder im Schulalter waren. Ein altes Haus im Zürcher Oberland, ererbt und renovationsbedürftig, erwartete die Familie in der Schweiz. Nach dem Umbau, bei dem Leimbacher mangels Reserven viele Arbeiten selber ausführte, übernahm er die Leitung des technischen Dienstes im Spital Rüti. Dort war er zuständig für das gesamte Mobiliar; kleinere Reparaturen nahm er in der zugehörigen Schreinerwerkstatt vor. Parallel dazu fuhr er auch Einsätze mit dem Rettungswagen.

Als das Spital neun Jahre später schloss, schulte er sich zum Hauswart um. «Schon im Militär war ich als Feldweibel die Kompanie-Mutter, als Hauswart im Altersheim wurde ich bald ‹Bewohner-Götti› genannt.» Eine Stelle haben und mit Begeisterung arbeiten, das sei ihm immer wichtig gewesen. Zuletzt als Buschauffeur bei den Verkehrsbetrieben Zürichsee und Oberland, nachdem das Altersheim verkauft worden war.

Mit damals fast 60 Jahren machte er die Ausbildung zum Busfahrer – eine neue Tür, die aufging. Und ein Bubentraum, der sich damit erfüllte. Wegen den unregelmässigen Schichten als Buschauffeur hatte er zwischendurch plötzlich viel Zeit. Leimbacher holte die alten Stokys-Baukästen aus der Kindheit wieder hervor und begann in den freien Stunden zu schrauben und eigene Modelle aus den Metallbauteilen zu kreieren. Auf der Suche nach Ersatzteilen traf er bei Stokys auf einen alten Studienfreund. Und nicht lange darauf gehörte auch Leimbacher dem Team der ehrenamtlichen Mitarbeiter an.

Die Firma stand damals nicht gut da, die Umsätze waren im Keller und die Zukunft ungewiss. Doch dank den beiden Freunden, die tageweise unentgeltlich arbeiten, konnte sich der Spielwarenhersteller über Wasser halten. Heute weht ein neuer Wind bei Stokys: Mit den Einnahmen aus einem Crowdfunding wird eine Onlineplattform realisiert und ein neues Geschäftsmodell aufgebaut. «Das Medienecho auf diese Aktion war gewaltig», erzählt Leimbacher.

Er hofft, dass sich die Kinder für das «Schräubeln» wieder begeistern. Denn beim Konstruieren von Modellen

– vom einfachen Traktor bis zu komplexen Bauten – lerne man, wie etwas funktioniert. Wie die Seilbahn vom Stanserhorn: Leimbacher hat lange daran getüftelt, bis die Seilbahn detailliert nach den Konstruktionsplänen nachgebaut war. Anhand von seinem Modell wird den Besuchern der Stanserhorn-Bahn nun erklärt, wie das neue Seilbahnsystem funktioniert.

Wenn Leimbachers Enkelkinder zu Besuch kommen, dann bauen sie zusammen aber an etwas kleineren und einfacheren Modellen. Wie am Stokys-Traktor, an dem haben die Kinder am meisten Freude.

«Als Hauswart im Altersheim wurde ich bald ‹Bewohner-Götti› genannt.»

ho

Veröffentlichung: 23. November 2017 / Ausgabe 47/2017

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