Auf die Schwingungen kommt es an

Freie Gestaltung mit Trockenbauwänden: Die Schalldämmung darf aber nicht vergessen gehen. Bild: Samvaz SA

Schallschutz.  Durch den vermehrten Einsatz von Holz im Hochbau wächst auch der Erfahrungsschatz bezüglich Schallschutz. Die daraus entstandenen, neuen Erkenntnisse kann sich der Schreiner im Neu- und Umbau zunutze machen.

Die Holzbranche wird bezüglich Schallschutz stetig sensibler. Bei zahlreichen Bauteilen wie Türen, Fenstern und Wänden geben die Hersteller Schalldämmwerte an. Diese gilt es richtig zu interpretieren, denn eine Tür mit hohem Schalldämmwert alleine ist nur die halbe Miete. Gerade im Bereich von Umbauten und Sanierungen, aber auch bei Neubauten spielt die Einbausituation eine entscheidende Rolle. Das heisst: Wände, Decken und Böden müssen ebenfalls einen adäquaten Schalldämmwert aufweisen, damit möglichst wenig störende Geräusche vom einen in den anderen Raum gelangen können. Dies fällt umso stärker ins Gewicht, wenn die Fläche der Wand grösser ausfällt als jene der Tür.

Bei gemauerten oder betonierten Wänden hat der Schreiner natürlich nur wenig Einfluss auf deren Beschaffenheit. Durch das steigende Interesse an Holzbauten sind aber Holzständerkonstruktionen wieder vermehrt ein Thema. Auch in Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten sind Trockenbauwände aufgrund der Flexibilität in der Grundrissgestaltung schon seit Langem weitverbreitet. In diesen Bereichen kann und sollte der Schreiner Einfluss nehmen.

Tiefe Töne stören

Früher reichten relativ einfache Ständerkonstruktionen mit einer Beplankung aus Holzwerkstoffen meistens noch aus. Heute genügt dies aufgrund der gestiegenen Anforderungen in vielen Bereichen nicht mehr. Dies hat zur Folge, dass weitere, bisher wenig beachtete Faktoren plötzlich eine wesentliche Rolle spielen.

Aufgrund dieser Entwicklung haben sich die Werkstofflieferanten, Schallschutzexperten und Branchenverbände vermehrt Gedanken und Versuche zu solchen Trennwänden gemacht. Dabei herausgekommen ist, dass insbesondere die Masse sowie die Biegeweichheit von Werkstoffen einen entscheidenden Einfluss auf die Schalldämmwirkung eines Elementes haben. Gemäss Bruno Kaufmann, zuständig für Holzbausysteme bei der Knauf AG in Reinach BL, geht es dabei insbesondere um die tieffrequenten Bereiche, wie zum Beispiel Basstöne: «Geräusche aus dem höherfrequenten Bereich wie Stimmen lassen sich einfacher dämmen und stören die Bewohner erfahrungsgemäss weniger als ein dumpfes Wummern», sagt Kaufmann.

Für die Konstruktion von Trennwänden bedeutet dies, dass für die Beplankung möglichst schwere, aber biegeweiche Materialien verwendet werden sollen. Mit diesen Eigenschaften können sie Schallwellen gut absorbieren. In der Praxis erfüllen insbesondere Mineralfaser- und Gipskartonplatten diese Anforderungen. Inzwischen gibt es sogar spezielle Schalldämmplatten, welche eine höhere Rohdichte und Biegeweichheit aufweisen.

Frequenzen und ihre Einflüsse

Diese Materialien müssen dann richtig eingesetzt werden. So zeigen Messungen, dass eine beidseitig doppelt beplankte Schale einen besseren Schalldämmwert bringt, weil dadurch die Masse erhöht wird. Aufpassen muss man aber, wenn man beispielsweise zwei 12,5 Millimeter dicke Platten durch eine 25 Millimeter dicke ersetzt. Dadurch steigt zwar ebenfalls die Masse, aber es verändern sich auch die Schalldämmeigenschaften: Die Messungen zeigen, dass dann die Werte bereits bei niedrigeren Frequenzen schlechter ausfallen.

Dieser Einbruch hat mit der sogenannten Koinzidenzfrequenz zu tun. Das ist jene Frequenz, bei der die Wellenlänge des Luftschalls genau der Biegewelle des Bauteils entspricht. An diesem Punkt bricht die Schalldämmung eines Bauteiles ein. Das klingt sehr technisch, lässt sich in Diagrammen aber einfach darstellen (siehe Grafik).

Ebenfalls darin aufgeführt ist die Resonanzfrequenz . Diese zeigt die Eigenschwingung eines Bauteils, bei welcher hohe Amplituden auftreten können. Hier ist es ebenfalls so, dass Schalen mit grösserer Masse bessere Werte erzielen.

Für das Beplanken bedeutet dies, dass zwei dünne Platten in der Regel bessere Werte erzielen als eine dicke. Die Kombination von unterschiedlichen Plattendicken kann einen weiteren positiven Einfluss haben. «Zudem sollte man darauf achten, dass die Masse nicht nur auf einer Seite verbaut wird», sagt Bruno Kaufmann.

Zu steife Konstruktionen vermeiden

Nicht nur die Beplankung hat einen Einfluss auf die Koinzidenz- und Resonanzfrequenz eines Bauteils. Auch die Konstruktion des Ständers kann negative Auswirkungen auf die Schalldämmeigenschaften haben. Ein oft unterschätzter Umstand sind dabei die Anzahl und die Abstände der Ständer. Die Hersteller und Verbände empfehlen meistens einen Achsabstand von 600 Millimetern und mehr. Kleinere Abstände versteifen die Konstruktion, wodurch der Effekt von biegeweichen Beplankungen wieder verloren geht.

Braucht es aus statischen Gründen trotzdem zusätzliche Ständer, empfiehlt es sich, die Abstände nicht einfach zu halbieren, sondern die Ständer versetzt einzuplanen. Dadurch lassen sich negative Auswirkungen auf die Plattenschwingung reduzieren.

Zudem gilt: Je weicher die Schalen mit dem Ständer verbunden sind, desto besser fällt der Schalldämmwert aus. Der Einsatz von Gummi oder Filz zwischen dem Ständer und der Schale bringt hier die nötige Entkoppelung. Alternativ gibt es auch spezielle Ständerkanteln, die in der Mitte durch spezielle Einlagen komplett getrennt sind.

Dämmen ohne Schallbrücken

Wichtig ist ausserdem, dass die Hohlräume gedämmt werden. Welches Dämmmaterial dafür verwendet wird, spielt eine untergeordnete Rolle. Die üblichen Faserdämmstoffe sind dafür in der Regel ausreichend. «Viel entscheidender sind die Details, hier passieren am meisten Fehler», sagt Bruno Kaufmann. Dazu gehören insbesondere durch Konstruktions- oder Montagefehler verursachte Schallbrücken. Mögliche Fehlerquellen sind in der Wand verbaute Leitungen, Steckdosen, Anschlüsse oder Durchbrüche. Auch dass während der Montagephase irgendwelche Fremdkörper in die Hohlraumebene gelangen, kommt manchmal vor. Solche Schallbrücken im Nachhinein zu eruieren und zu beheben, ist meistens mit viel Aufwand verbunden.

Nebenwege kappen

Ein weiterer Aspekt, der nicht genug erwähnt werden kann, ist die Abdichtung. Nur luftdichte Konstruktionen sind auch schalldicht. Das heisst, die Anschlüsse an den Baukörper, aber auch die Plattenstösse müssen entsprechend abgedichtet werden. Um Schallübertragungen von Bauteil zu Bauteil oder über Nebenwege zu vermeiden, sollte man entsprechende Entkoppelungen vorsehen. Dabei darf die Trennung der durchlaufenden Bodenbeläge nicht vergessen gehen, wenn erhöhte Anforderungen bestehen. Je nach Situation kann dies sogar so weit gehen, dass der Estrich und die Trittschalldämmschicht ebenfalls getrennt werden müssen.

Informationen sammeln

Der Schreiner kann durchaus zuverlässige Konstruktionen mit guten Schalldämmwerten erstellen. «Wichtig dabei ist das Zusammenspiel der Materialien. Egal ob Holz oder Metall, man muss sie am richtigen Ort einsetzen», sagt Bruno Kaufmann.

Interessant für den Schreiner ist ausserdem, dass bestehende, schlecht gedämmte und leichte Wände mit einer Vorsatzschale teilweise ertüchtigt werden können. Entsprechende Konstruktionen, Details und Unterlagen finden sich bei den Werkstofflieferanten und im Ordner «Schallschutz und Akustik im Innenausbau» des VSSM. Eine interessante Quelle ist zudem der digitale und öffentlich zugängliche Bauteilkatalog «Lignumdata» der Lignum. Dies ist ein Hilfsmittel zur Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus Holz und gibt schalltechnische Kennwerte von Bauteilen an.

www.knauf.chwww.lignumdata.chwww.samvaz.ch

VSSM Fachanlässe

In diesem Jahr führt der VSSM Fachanlässe zum Thema «Schallschutz und Raumakustik» durch. Insgesamt 14 Anlässe finden an verschiedenen Standorten in der Schweiz statt. Die Veranstaltungsreihe startet am 22. August in Visp VS und endet am 24. Oktober in Worb BE. Die Anlässe sind kostenlos und dauern jeweils von 15.30 bis 18 Uhr.

www.vssm.ch/fa2019

ph

Veröffentlichung: 02. Mai 2019 / Ausgabe 18/2019

Artikel zum Thema

09. Mai 2024

Schwungvolle Radien, fliessende Formen

Umbau.  Für die Raiffeisenbank in Olten wurde die Innenarchitektur im bestehenden Rundbau realisiert. Beratung und Empfang konzentrieren sich kreisförmig um das Zentrum. Radiale Konstruktionen in Holz, Gips, Glas und Metall forderten die beteiligten Schreiner heraus.

mehr
29. Februar 2024

Grosses Kino unterm Dach

Typisch britisch.  Den Dachausbau einer Villa in Burgdorf BE hat die Schreinerei Werthmüller ganz nach dem persönlichen Geschmack des Bauherrn umgesetzt. Das Heimkino und die Bibliothek sind geprägt durch britische Stilelemente, allen voran die Ölfarbe auf profilierten Flächen.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Umbauen