Aus dem Rahmen

Typisch Schweiz: grosszügige Glasfronten mit rahmenlosen Schiebefenstern in der zeitgemässen Architektur. Bild: Sky-Frame AG, Lorenz Frey

Rahmenlose Schiebefenster.  Trennen und verbinden lassen sich aussen und innen in besonders eleganter Weise mit rahmenlosen Schiebefenstern. Dem ungestörten Blick nach draussen samt Barrierefreiheit und mehr Licht im Raum steht aber auch ein höherer Aufwand gegenüber.

Sie sehen einfach toll aus. Sind minergiezertifiziert, einbruchhemmend und auch hochpreisig. Planung und Montage sind aufwendig. Und sie sind die Domäne der Metallbauer. Oder besser gesagt, der Schweizer Metallbauer. Es geht um rahmenlose Schiebefenster ohne Hebemechanismus. Erfinder, Hersteller und Produktionsbetriebe findet man vor allem in der Schweiz. Das Kundenklientel aber findet sich weltweit.

Unsichtbare Helden

Die Konstruktionen sind die wahren Helden, wenn es darum geht, die werblichen Platitüden vom «Verschmelzen zwischen drinnen und draussen» mit Leben zu erfüllen, denn rahmenlos heisst zunächst einmal unsichtbar. Damit bleibt mehr Platz für das Glas und den nahezu ungestörten Blick nach draussen. Deshalb sind die rahmenlosen Schiebefenster aktuell in der hochstehenden Architektur kaum mehr wegzudenken. Die Bauteile entsprechen dem Wunsch nach Reduktion, klarer Linienführung und Benutzerkomfort.

Was genau «rahmenlos» heisst, wurde offensichtlich bislang noch nicht eindeutig festgelegt. Da jedes Fenster einen Rahmen für die Funktionalitäten und Aufnahme der Beschläge benötigt, beschreibt Thomas Achermann, der Bereichsleiter Metallbau von der Senn AG, die Rahmenlosigkeit wie folgt: «Wenn die eingesetzte Glasscheibe, welche als Flügel funktioniert, nicht in einem sichtbaren Rahmen eingesetzt wird, kann von einer rahmenlosen Konstruktion gesprochen werden.» Wortklauberei? Nein, denn im Internet findet man häufig das rahmenlose Versprechen. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich dann manchmal um verdeckt liegende Flügelrahmenprofile oder schlicht schlanke Konstruktionen, was freilich nicht das Gleiche ist. Der grosse Vorteil von echten rahmenlosen Schiebefenstern: der schwellenfreie und somit barrierefreie Übertritt zwischen innen und aussen. Und natürlich die Optik, wenn Glas visuell direkt an den Baukörper anzuschliessen scheint und man im Glaslicht keinen Rahmen sieht.

Scheinbar schwerelos

Durch den boden-decken-bündigen sowie nahezu wandbündigen Einbau sind rahmenlose Elemente bauphysikalisch jedoch anspruchsvoll. Manche Anbieter beschränken sich deshalb mit ihrem Angebot auf Neubauten und neue Anbauten, denn bei Umbauten würden die Decken-Boden-Aufbauhöhen oft nicht ausreichen. Die thermisch getrennten, hochisolierenden Profile aus Aluminium und faserverstärktem Polyamid brauchen mit Entwässerung und Abdichtung Platz. Als Daumengrösse kann man für rahmenlose Konstruktionen mit 150 mm Einbautiefe rechnen. «Bei Renovationsmassnahmen sind rahmenlose Systeme kostenintensiver, da für eine gute Lösung, sprich eine Rahmen kaschierende Massnahme, mit erhöhtem Aufwand gerechnet werden muss», weiss Achermann. Die Experten sehen zumindest die Machbarkeit bei einer nachträglichen Ausführung infrage gestellt und abhängig von der jeweiligen Situation vor Ort.

Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die Schiebeflügel raumseitig oder aussen geführt werden. Die Schweizer Metallbauer teilen sich in diesem Punkt in zwei Gruppen auf. «Die angebotenen Systeme funktionieren alle, egal ob aussen oder innen geführt», sagt ein Branchenkenner, der nicht genannt werden möchte. Die Profile bestehen mehrheitlich aus einem Verbund von Aluminium und verstärktem Kunststoff. Bei «SOREG-glide» der Alu-System AG gibt es eine Variante, die gänzlich in glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) ausgeführt wird. Vorteilhaft hierbei sind die dem Material innewohnenden guten Dämmeigenschaften. Da in GFK-Rahmen die Gläser verklebt werden, ist ein Glastausch dafür aber aufwendiger als bei «trockenen» Systemen.

Füller für geschlossenes Profil

Gemeinsam ist allen Konstruktionen der rahmenlosen Schiebelösungen die stehende Führung auf wartungsfreien und langlebigen Laufwagen in rostfreiem Metall. Kein Wunder, wenn Flügelgewichte je nach eingesetztem Glasverbund schnell 400 Kilogramm und mehr wiegen können. Dank der hochwertigen Laufwagen lassen sich auch solche Flügelgewichte ohne motorischen Antrieb, den es jeweils optional gibt, aber noch leicht bewegen.

Was zunächst banal klingt, ist im Detail interessant. Denn noch besser als schwellenlose Übergänge sind ebene Flächen ohne Profil. Mit einer offenen, u-förmigen Profilschiene zur Aufnahme der Laufwagen muss man beim Übertritt des geöffneten Flügels in der Regel leben. Unterschiede bestehen in der Tiefe und der Ausformung der Führung. Beim «SOREG-glide» hat man sich darüber Gedanken gemacht und einen Schienenfüller entwickelt. Zwar nicht in jeder Kombination von festen und beweglichen Flügeln anwendbar, bietet die Idee eine bis auf zwei Millimeter reduzierte Höhendifferenz der Lauffläche. Bei der Öffnung des Schiebeflügels wird unter der Abdeckung der inneren Schiene des daneben liegenden Festteils ein auf Rollen gelagertes Strangpressprofil aus Aluminium automatisch herausgezogen. Das Ergebnis: Im Bereich des geöffneten Flügels erhält man eine echte Barrierefreiheit durch die mitlaufende Abdeckung des Führungsprofils.

Konstruktiv vorteilhaft

Dem höheren Preis gegenüber Hebe-Schiebe-Lösungen mit sichtbaren Rahmen stehen bei den rahmenlosen Lösungen konstruktiv bedingt auch vorteilhafte Eigenschaften gegenüber. Etwa «bis zu 20 % mehr Licht im Raum», weiss Brigitte Ritzi von Alu-System AG. Bei den bauphysikalischen Kennwerten gibt es beim Herstellervergleich natürlich jeweils Stärken und Schwächen. Aber im Grundsatz bieten die Schiebesysteme hervorragende Werte in allen Belangen. Dreifach-Isoliergläser vorausgesetzt, erreichen die Systeme den Minergie-P-Standard.

Die U-Werte erreichen je nach Anbieter und verwendetem Glas Tiefstwerte bis zu 0,6 W/m2K. Bei der Luftdurchlässigkeit und der Widerstandsfähigkeit gegen Windlast liegt man ebenfalls in der jeweils besten Klasse 4. Schalldämmwerte von etwa 44 dB und Schlagregendichtheit bis zur Klasse E 1500 sind möglich. Konstruktiv im Vorteil ist man aber vor allem beim Thema Einbruchschutz. «Da die Profile verdeckt sind, sind die sogenannten Angriffspunkte für ein gewaltsames Eindringen so gering, dass die Widerstandsklasse RC 2 ohne zusätzliche Massnahmen erreicht wird», so Thomas Achermann.

Detailliert unterschiedlich

Verschieden präsentieren sich die Systeme vor allem bei den Details. Etwa bei den ausgeklügelten Labyrinthsituationen der Dichtungsebenen, gerade bei Eckanschlüssen ohne Rahmen und mehrgleisigen Lösungen. Die Verriegelungen können meist händisch duch einen Schubgriff betätigt werden oder optional mit elektrisch gesteuerten Bolzen ausgestattet sein.

Da Bürsten und Gleitdichtungen auch immer Reibung und damit mehr Kraft beim Schieben erfordern, hat man sich bei der Krapf AG mit «air-lux» eine besondere Lösung einfallen lassen. Eine am beweglichen Flügel umlaufende aufblasbare Dichtung wird nach dem Schliessen durch Taster, Haussteuerung oder mobiles Gerät aktiviert. Dadurch wird die Verriegelung ausgelöst und die Dichtung mittels einströmender Luft an das Profil gepresst.

www.sky-frame.chwww.sennag.chwww.alusystem.chwww.soreg.chwww.air-lux.chwww.swissfineline.ch

ch

Veröffentlichung: 09. April 2015 / Ausgabe 15/2015

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