Bierbrauer am Wendepunkt

Martin Ruprecht (55) ist stolz auf die Frutigbiere – elf verschiedene Sorten produziert die Brauerei. Bild: Franziska Gertsch

Leute. Grosse Chromstahl-Tanks, Schläuche, Anzeigen und Instrumentarien – über allem liegt heisser Dampf, und die Luft ist geschwängert mit dem Duft von Hopfen. Mittendrin steht Martin Ruprecht und erklärt das Brauen Schritt für Schritt.

Die Leidenschaft für Bier ist ihm anzumerken. Malz aufbrechen, einmaischen, Hopfen kochen, abfüllen, etikettieren und immer wieder waschen, putzen und desinfizieren. Der Entstehungsprozess von Bier ist hochkomplex, die Hygienevorschriften sind streng. «Ziel ist es, beim Brauen gleichbleibende Qualität zu bieten. Und dennoch ist Bier ein Naturprodukt und sorgt ab und zu für Überraschungen», erklärt er. Der Schreiner ist Mitbesitzer der Brauerei Frutigbier, in der pro Jahr 60 000 Flaschen und 10 000 Dosen Bier abgefüllt werden. Neben sechs Standardbieren mit Namen wie «Chrampfer», «Schtüürmi» oder «Plöffer» produzieren die Brauer fünf saisonale Spezialitäten, die frech und verspielt daherkommen. Mit ihrem Bier treffen sie den Geschmack der Konsumenten – es wird etwa in diversen Coop-Filialen im Berner Oberland und sogar in Bern verkauft. Trotzdem ist die Brauerei inmitten des Dorfes Frutigen zu klein, um Martin Ruprecht und seiner Lebenspartnerin Ginette Pernet eine Existenzgrundlage zu bieten. Während die ehemalige Event-Managerin einen Mini-Lohn für die Arbeit als Geschäftsführerin, Diplom-Biersommelière und Brauerin erhält, ist für ihn immer noch die Schreinerei das Hauptstandbein. Die hat er vor bald 30 Jahren gegründet und baut heute vor allem Küchen. Die Arbeiten in der Brauerei erledigen die beiden weitgehend selbst – von der Produktion über Werbung und Verkauf bis hin zur Auslieferung. Gerade im Sommer sind die Tage daher lang.

«Brauen ist ein Knochenjob und körperlich enorm anstrengend», erklärt der 55-Jährige. Auch fällt viel Büroarbeit an. Jeder Produktionsschritt muss genauestens dokumentiert sein. «Wenn wir unsere Arbeitsstunden richtig einrechnen, kommen wir noch nicht einmal auf eine schwarze Null.» In die Brauerei haben sie eine beträchtliche Summe investiert – zu viel, um das Handtuch einfach hinzuwerfen. Doch eine Steigerung ist nur über die Menge und eine rationellere Produktionsweise möglich. An diesem unternehmerischen Wendepunkt hat das Paar diesen Sommer entschieden, weiter zu wachsen und erneut zu investieren – etwa in eine effizientere Abfüllanlage und grössere Räume. «Einfach aufzugeben, entspricht nicht unserer Art. Neben Geld haben wir viel Arbeit und Herzblut in unsere Brauerei gesteckt», erklärt Ruprecht. «Und wir glauben an den Erfolg von Frutigbier.» An Ehrgeiz fehlt es dem Unternehmer nicht: Früher spielte er Volleyball in der Nati B. Bevor er im Jahr 2021 einen Skiunfall erlitt, der ihn für über zwei Jahre an die Krücken zwang, ging er während Jahren beim Bergsteigen ans Limit. Nach der Besteigung aller Viertausender der Schweiz unternahm er 2017 eine Expedition in den Himalaja, wo er den Manaslu besteigen wollte. Die Gipfelbesteigung blieb ihm vergönnt, dafür stellte das frisch verliebte Paar in den anschliessenden Ferien in Tel Aviv die Weichen für die Zukunft: In einem trendigen Hafenlokal mit eigener Brauerei entschieden die Bierliebhaber spontan, sich als Bierbrauer zu versuchen. Zurück in der Schweiz besuchten sie Braukurse. Beim ersten Versuch flog ihnen das angesetzte Bier um die Ohren. Doch bereits ein Jahr später bezogen sie die Räume ihrer heutigen Brauerei.

«Ein bisschen verrückt waren wir ja schon, aber wir hatten Freude, etwas zu erschaffen, das ankommt», sagt Ruprecht und strahlt vor Freude. «Und wir sind immer noch stolz auf unsere Biere.»

«Bier ist ein Naturprodukt und sorgt ab und zu für Überraschungen.»

Franziska Gertsch

Veröffentlichung: 04. September 2023 / Ausgabe 35/2023

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