Das Hotel zu Hause

Das reale «So-bin-ich-eigentlich-Bad» braucht viel Platz und deshalb Kompromisse. Bild: Kaldewei

Bad und Bett.  Die Einheit von Bade- und Schlafzimmer schafft einen äusserst persönlichen Raum, dessen Verbundenheit nicht immer gewünscht ist. Dafür gibt es Lösungen. Der entscheidende Punkt beim Bad der Zeit scheint weniger die Verbindung als die persönlichen Vorlieben.

Von einem Trend zu sprechen, wäre wohl zu viel des Guten. Freilich rufen die Wohnmagazine, Trendscouts und Raumausstatter so etwas regelmässig aus. Die Integration des Badezimmers in den Schlaf- oder gar Wohnbereich zu einem offenen Raum wird zwar gemacht, ist aber längst keine breitenwirksame Entwicklung und schon gar nicht die Regel. Ist dies in südlicheren Ländern häufiger anzutreffen, scheinen Herr und Frau Schweizer demgegenüber etwas zurückhaltender. «Das Badezimmer ist in der Regel eine abgeschlossene Zone. Anscheinend ist das Bad für die Schweizer eher ein intimerer Bereich, als dass man es offen haben wollte», sagt Anja Kappeler, Designerin und Architektin bei WB Architekten in Bern. Allerdings würden immer häufiger funktionale Elemente wie die Waschmaschine und – falls möglich – auch die Toilette aus dem Wohlfühlbad verbannt, so sieht der Badausstatter Kaldewei die Entwicklung. Kappeler macht deshalb vor allem einen Trend bei der Individualisierung der Ausstattung und Einrichtung des Badezimmers aus, was auch die Materialisierung mit einschliesst.

Es geht um etwas anderes

«Derzeit begegnet uns der Wunsch von Bauherren nach einer persönlichen und individuellen Wohlfühloase durch eine grosszügige Anordnung von Schlafbereich, Ankleidezimmer und Bad», sagt Till Thomschke, Architekt und Bauleiter bei der Künzli Holz AG in Davos GR. Von einem Trend, ähnlich wie bei der integrierten Küche, wolle er jedoch nicht sprechen. Das Thema sei deutlich vielschichtiger. Es gehe nicht nur um eine einfache räumliche Verschmelzung der beiden Bereiche, sondern auch um einen möglichst grosszügigen Raum für das persönliche Wohlbefinden.

Der Badezimmerausstatter Kaldewei bezeichnet das Phänomen als «So-bin-ich-eigentlich-Raum». Eine persönliche Genusszone, die recht unterschiedlich aussehen und bestückt sein kann. «Es fängt damit an, dass im Einfamilienhausbau die Badezimmer grösser werden und meist zwei davon geplant werden», erklärt Thomschke. Weiter komme es generell auf die verfügbare Fläche an. Je grösser, desto eher würden ganze Landschaften unter Einbezug von typischen Elementen aus dem Badezimmer gewünscht. Bei einem Umbauprojekt in Davos etwa hat Thomschke auch schon auf Wunsch der Bauherrschaft eine Badewanne im Wohnbereich geplant.

Die Hotels haben es vorgemacht

Zuerst waren es die gehobenen, designorientierten Hotels, welche die Mauern zwischen Schlaf- und Feuchtbereich eingerissen haben. Oft wird die Wand durch Glas ersetzt und mit Schiebetürlösungen oder offenen Durchgängen gearbeitet. Die Raumzellen in Glas ermöglichen die optische Verbindung und gleichzeitig die bauphysikalische Trennung, damit es nicht zu Schwierigkeiten mit dem Raumklima in der ganzen Hotel-Suite kommt. So können Lüfter im Bad effizient arbeiten und den Dampf beseitigen, ohne dass Kleidung und Bettwäsche viel davon aufnehmen.

Was im Hotelzimmer elementar wichtig ist, weil man dem Gast nicht unbedingt das Stosslüften überlassen kann, ist im privaten Bereich durchaus bei richtigem Gebrauch zu lösen. In Internetforen kann man nachlesen, dass die Verbindung vom Bad zum Schlafbereich in der Praxis recht gut funktioniert und die persönlichen Erfahrungsberichte eher positiv ausfallen. Entscheidend für das Funktionieren der zumindest auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Räume sind offensichtlich die Nutzergewohnheiten auch entgegen mancher Vorurteile. So raten Architekten den Hausbesitzern recht häufig von Parkettböden im Bad ab, obwohl dies bei richtigem Gebrauch gut erprobt ist.

Prima Klima hie und da

Bei 16 bis 18 °C schläft der Mensch im Allgemeinen am Besten. Das hat die Universität Bern herausgefunden. In Wohnräumen empfinden wir 20 bis 21 °C überwiegend als angenehm, und im Badezimmer darf es mit 23 °C für die meisten gut und gerne noch etwas wärmer sein. Mit zunehmender Idealtemperatur steigt auch die als optimal angesehene, relative Luftfeuchtigkeit an. Während diese in Wohn- und Schlafzimmer zwischen 40 und 60 % liegt, rangiert sie mit 50 bis 70 % im Bad doch spürbar höher.

Immer wieder kann man lesen, dass sich Schimmelpilze bereits ab 70 % relativer Luftfeuchtigkeit vermehren. Diese oder ähnliche Aussagen sind grober Unfug. Denn: Pilze können über ihre Oberfläche kein Wasser aus der Luft aufnehmen. Das vermögen nur Flechten und Moose. Pilze wachsen dann, wenn das Substrat, also das Material, in dem sie siedeln, ausreichend Feuchtigkeit enthält. Diese einfache biologische Erkenntnis hilft auch für die Planung von Bädern und Wohnräumen. Nicht der kurzfristige Wasserdampf ist entscheidend, sondern vielmehr, dass dieser entweichen und die Materialien trocknen können. Wer also gut lüftet, wird auch bei gelegentlich hoher Luftfeuchtigkeit kein Problem mit Schimmelpilzen bekommen.

Der schlafende Mensch gibt im Schnitt pro Nacht etwa einen halben Liter Flüssigkeit ab. Bei starkem Schwitzen, bei Krankheiten oder im Hochsommer kann es auch wesentlich mehr sein. Dadurch erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer bis zum Morgen massiv.

Was aufgrund der unterschiedlichen Wohlfühl-Temperaturen von Bad und Schlafzimmer zunächst bauphysikalisch als eher unvereinbar anmutet, folgt jedoch dem gleichen Rhythmus. Nach dem Benutzen sollte gut gelüftet werden, weil jeweils der Taupunkt erreicht oder überschritten wird. Wer also das Badezimmer offen zum Schlafzimmer hat, am Morgen duscht und anschliessend beide Zonen gut durchlüftet, wird mit der Lösung gut leben können, während die Schimmelpilze ausbleiben.

Wer allerdings gerne in einer sehr kühlen Umgebung schläft, aber es im Badezimmer ziemlich warm bevorzugt, für den ist die Verbindung der beiden Bereiche wohl auch nicht die richtige Lösung.

Die Wand auf Zeit hilft

Grössere Unterschiede zwischen den beiden Zonen bezüglich Umgang mit Feuchtigkeit finden sich bei der als angenehm empfundenen Temperatur und dem Aspekt, dass Geräusche den anderen im offenen Schlaf-Bad-Bereich stören können.

Eine Lösung dafür ist der leichte, transparente Raumtrenner. Mit Schiebeelementen, die schmale Rahmen und transluzente Flächen haben, lassen sich offene Grundrisse gestalten, ohne dabei auf den Schutz und die Diskretion geschlossener Räume verzichten zu müssen. Wenn es gilt, Blicke, Geräusche oder Gerüche auszusperren, wird der Raum im Handumdrehen geteilt, ansonsten sind beiden Zonen optisch und gefühlt verbunden. «Wir haben viele Anfragen von Schreinern für die temporäre Trennung vom Bad zum Schlafzimmer. Vor allem für private Bauherren im oberen Preissegment», erklärt Christian Bühlmann, Geschäftsführer der Raumplus Schweiz AG in Grellingen BL. In der Regel stünden die Gleitwände offen, wenn aber ein Partner am Morgen unter die Dusche oder einfach für sich sein wolle, könne die Wand dafür geschlossen werden.

Aus einer Konsumentenstudie im Auftrag von Kaldewei ging hervor, dass komfortsteigernde Technik, sofern sie nicht aufdringlich ist, sowie neuartige Konzepte und Raumgestaltungen durchaus erwünscht sind. Die Benutzung von internetbasierten Endgeräten im Bad stiess allerdings auf Ablehnung. Stattdessen wird das Bad laut Unternehmen als Ort des persönlichen Ausgleichs, der Intimität und Individualität als «Ich-Raum» gesehen. Damit lägen Herr und Frau Schweizer dann doch irgendwie im Trend.

www.kuenzli-davos.chwww.wbarchitekten.chwww.kaldewei.chwww.raumplus.ch

Christian Härtel

Veröffentlichung: 08. Oktober 2020 / Ausgabe 41/2020

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