Das Zuhause mit der Sprache steuern

Spiegelschränke mit integrierten Bildschirmen sind heute bereits realisierbar. Bild: Digital Strom AG

Smart Home.  Die Digitalisierung macht auch vor dem Innenausbau nicht halt. Ein Experte erklärt im Interview mit der SchreinerZeitung, wo der Schreiner in Kontakt mit dem Smart Home kommt, was es dabei zu beachten gilt und in welche Richtung die Entwicklung geht.

SchreinerZeitung: Wo haben der Schreiner und andere Holzverarbeiter bereits heute Kontakt mit dem Smart Home?
Martin Vesper: Das Ziel im Smart Home ist ja die Automatisierung, um verschiedene Dinge bequemer zu ermöglichen. Dazu braucht es drei Voraussetzungen: Die Geräte müssen elektrisch betrieben, digital und vernetzt sein. Im Innenausbau bedeutet das, dass man überall dort mit dem Smart Home in Berührung kommt, wo etwas elektrisch betrieben wird. Das wären zum Beispiel Türen oder höhenverstellbare Möbel.
Gibt es noch andere Berührungspunkte?
Der ganze Beleuchtungsbereich gewinnt ebenfalls mehr an Bedeutung. Im Smart Home wird mehr mit Licht gearbeitet, weil man es individuell ansteuern kann. Dazu beigetragen hat natürlich auch die Entwicklung der LED-Technik, die heute ganz andere Möglichkeiten bietet, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Ikea hat beispielsweise erst kürzlich beleuchtete Küchenfronten ins Sortiment aufgenommen.
Die Vernetzung und das Smart Home ist aber schon länger ein Thema. Es gab ja bereits verschiedene Versuchshäuser. Woher kommt der neue Schub?
Das stimmt, viele Elemente gab es in ähnlichen Formen auch schon vor zehn Jahren. Wichtig ist aber, dass sich viele dieser Bauteile wie die Farb-LED seither zu einem massenmarktfähigen Produkt entwickelten und dadurch viel günstiger geworden sind. Den letzten Entwicklungsschub hat die Sprachsteuerung wie «Echo» von Amazon oder «Home» von Google gebracht.
Wie steht es denn um die Zulieferer der Schreiner, besteht ein grosses Angebot an Komponenten?
Bei der Beleuchtung gibt es viele Produkte, die sich mittlerweile ansteuern lassen. Auch unter den höhenverstellbaren Möbeln sind Produkte erhältlich, die sich über eine Sprachsteuerung bedienen lassen. Alle Hersteller von Küchengeräten bauen ihr Angebot laufend aus. Ebenfalls gibt es für die Küche und das Bad vermehrt elektronisch gesteuerte Armaturen. Hinzu kommen Monitore, die sich in Spiegel oder Duschen integrieren lassen. Auch Fensterlüftungen lassen sich so steuern.
Ihr Kerngeschäft ist es, alle diese verschiedenen Geräte miteinander zu vernetzen. Geht das überhaupt?
Viele der vorhandenen Komponenten wie Lichtschalter oder Beschattungssysteme sind natürlich immer noch analog gesteuert. Dafür haben wir spezielle Klemmen entwickelt. Diese ermöglichen es auch, analoge Geräte anzusteuern und in einem System zusammenzufassen. So kann man die Geräte über eine Sprachsteuerung bedienen. Es lassen sich aber auch gewisse Abläufe programmieren.
Inwiefern?
Man kann beispielsweise den Backofen mit dem Licht koppeln, damit es ein optisches Signal gibt, wenn die Backzeit abgelaufen ist. Solche und ähnliche Funktionen sind zum Beispiel für gehörlose Personen sehr hilfreich.
Kristallisiert sich denn für die Kommunikation zwischen den Geräten ein Standard heraus?
Die Entwicklung in diesem Bereich findet so unterschiedlich statt, dass wohl nie alle dasselbe Protokoll haben, also dieselbe Sprache sprechen werden. Das liegt nur schon an den unterschiedlichen Lebenszyklen. Eine Heizung, die vor zehn Jahren installiert wurde, hatte damals ganz andere technische Voraussetzungen als heute. Und an die Steuerung einer Heizung werden andere Ansprüche gestellt als an ein Fernsehgerät, das nach wenigen Jahren sowieso erneuert wird. Für uns als System-Anbieter ist das die Herausforderung, der Kunde soll davon aber nichts bemerken.
Das heisst, solche Smart-Home-Systeme lassen sich auch nachrüsten, zum Beipiel bei einem Umbau?
Ja, man muss sie sogar nachrüsten können. Nur auf Neubauten zu setzen wäre aufgrund der schnellen und permanenten Entwicklung der Smart-Home-Systeme nicht sinnvoll. Dabei hilft uns auch eine neue Technologie für das Verbinden der Geräte über das Internet: Kabel aus polymer optischen Fasern (POF) lassen sich einfacher verarbeiten, weil sie dünner und flexibler sind als Glasfaserkabel. Das macht sie besonders für den Innenausbau interessant, weil sie sich auch gut in bestehenden Bauteilen sowie Möbel verlegen und somit nachrüsten lassen. Denn viele Einbaugeräte wie ein Backofen benötigen solche Anschlüsse für die Vernetzung.
Worauf muss der Innenausbauer achten, wenn er mit dem Thema konfrontiert wird?
Die erste Frage ist, wo es überall einen Stromanschluss braucht. Und dann muss man sofort daran denken, dass dort auch ein Netzwerkanschluss eingeplant wird. Nehmen wir wieder die Küche als Beispiel: Je nach Ausbaustandard gibt es vier bis acht Stromanschlüsse für Küchengeräte. Geht man davon aus, dass in Zukunft jedes Gerät ans Internet angeschlossen wird, muss dort auch ein Netzwerkanschluss eingeplant werden. Und natürlich gehört es auch dazu, dem Kunden die vorher genannten Möglichkeiten der Automatisierung aufzuzeigen, um einen Mehrwert zu generieren.
Was gibt es bei der Wahl der Geräte zu beachten?
Die Hersteller müssen die Schnittstellen offenlegen, damit man die Geräte vernetzen kann. Und natürlich spielt die Sicherheit auch immer eine Rolle. Die bekannten Marken sind sich dessen bewusst und arbeiten stetig daran. Man darf aber andere, weniger bekannte Hersteller nicht ausser Acht lassen. Gerade aus dem asiatischen Raum kommen viele Innovationen, beispielsweise im Bereich der Robotik.
Was hat die Robotik mit dem Smart Home zu tun?
Ich gehe davon aus, dass schon in wenigen Jahren Roboter gewisse Aufgaben in einem Haushalt übernehmen werden. Natürlich noch nicht flächendeckend, aber die Entwicklung geht klar in diese Richtung. Dann werden auch automatische Türen noch stärker ein Thema, damit sich Roboter selbstständig in einer Wohnung bewegen können.
Und wie verhält es sich mit der Sicherheit?
Man muss zwei Arten von Sicherheit unterscheiden. Die eine ist die persönliche Unversehrtheit. Im Alltag verletzen sich oder sterben viele Personen bei Unfällen oder Bränden. Hier kann ein Smart Home sogar dabei helfen, die Sicherheit zu verbessern.
Die Datensicherheit ist ein relativ neues Risiko, das noch ungewohnt ist und deshalb auch mehr Aufmerksamkeit erhält. Tatsächlich gibt es aber im Alltag heute schon zahlreiche Sicherheitssysteme, die eine gute Sicherheit der Daten gewährleisten . Das wird vom Staat auch gefordert. Wir sind als Systemanbieter in der Pflicht und müssen zusammen mit dem Kunden daran arbeiten. Datensicherheit hat auch viel mit dem Verhalten des Benutzers und dessen Umgang mit Daten zu tun.
Dennoch hegen viele ein gewisses Unbehagen, weil man über vernetzte Geräte auch überwacht werden könnte.
Das wird immer wieder angesprochen. Wichtig ist vor allem, dass keine Datenmonopole entstehen. Bei unserem System ist es so, dass Google weiss, dass es sich um ein System von uns handelt und mehr nicht. Wir geben keine Daten dazu heraus, welche Geräte angeschlossen sind und wie diese genutzt werden.
Und was ist mit den Daten, die im System gespeichert werden?
Wir analysieren die Nutzungsdaten nicht, diese sind geschützt. Auch ein Vermieter kann diese nicht einsehen. Denn der Mieter hat ein Anrecht auf seine Privatsphäre, und diese ist in der Schweiz sehr hohes Gut. Dasselbe gilt für andere Bewohner im gleichen Haushalt, da müssen wir technisch sicherstellen, dass die Eltern nicht einfach so ihre Kinder oder sich gegenseitig rund um die Uhr überwachen können.
Muss denn der Schreiner in Zukunft auch ein IT-Experte sein?
Nein, ich bin der Meinung, dass gerade im Handwerk die jeweiligen Berufsleute in ihrem Metier Spezialisten sein sollen. In manchen Bereichen macht es vielleicht Sinn, dass auch ein Schreiner einmal ein Gerät montieren und ans Netz anschliessen kann. Mehr sollte er aber damit nicht zu tun haben, weil die Inbetriebnahme und Konfiguration möglichst automatisch oder durch den Benutzer selbst erfolgen sollte.
Zum Schluss noch ein Blick in die Glaskugel. Was wird in zehn Jahren beim Smart Home Standard sein?
In zehn Jahren wird es für uns völlig normal sein, dass man in jedem Raum Musik hören und die Geräte über eine Sprachsteuerung bedienen kann. Und wir werden Roboter haben, die uns bei den täglich anfallenden Arbeiten wie der Reinigung und dem Kochen helfen.

Fakten

Zur Person

Nach seinem Studium der Wirtschaftsmathematik an der Universität Ulm und einem MBA an der University of Illinois in Chicago begann Martin Vesper seine berufliche Karriere beim Telefonanbieter Ameritech Services in den USA. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland bekleidete er verschiedene Führungspositionen sowohl auf technischer als auch auf Vertriebsebene bei Firmen aus dem Energiesektor. Seit September 2011 ist Martin Vesper CEO der Digitalstrom AG. Martin Vesper gilt als Experte für digitale Transformation und Vernetzung, Prozessoptimierung, optimale Kundenorientierung und starke Marken.

Zum Unternehmen

Die Smart-Home-Plattform von Digitalstrom vernetzt herstellerunabhängig analoge Technik, IP-Geräte, Audio und Multimediaanwendungen, Gebäudetechnik sowie Sensoren untereinander oder mit dem Internet. Die Technologie rückt den Menschen im Smart Home in den Vordergrund – es entwickelt sich mit der individuellen Lebenssituation weiter.

www.digitalstrom.com

ph

Veröffentlichung: 18. Januar 2018 / Ausgabe 3/2018

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