Dem Himmel so nah

Bild: Jonas Wagell Die Frage ist nur, ob es aufgestellt werden darf: Das «Minihouse» aus Schweden ist transportabel und bietet alles, was es zum Leben und Wohnen braucht.

Minihäuser.  Der Traum vom eigenen Haus im Grünen, möglichst transportabel und überschaubar hinsichtlich aller daraus entstehenden Verpflichtungen: Mit einem Minihaus wird er womöglich Wirklichkeit. Unter dem Strich werden aber nur wenige davon verkauft.

Die Meinungen sind so vielfältig wie die Entwürfe selbst. Kleine Häuser, oft in selbsttragender Holzbauweise konstruiert, faszinieren die einen und stossen auf Ablehnung bei den anderen. Rund um den Globus gibt es inzwischen solche Minihäuser zum Wohnen, Arbeiten oder einfach für die Auszeit zwischendurch. Schon der Anschein, es könne sich dabei um einen Trend handeln, scheint manchem die Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Architektur und Raumplanung sind ernste Themen. Die Macher von Kleinhäusern postulieren Freiheit und Lebensfreude. Während «20 Minuten» den Trend schon deutlich vor Augen hat, sieht sich die «Neue Zürcher Zeitung» offenbar genötigt, die Leserschaft alle paar Monate vor einer solchen Entwicklung zu warnen, bis hin zur dann breitenwirksam herrschenden «Platzangst» der Minihaus-Bewohner. Offenbar ist die Idee gut, und demnächst wird also jeder sein Häuschen gerade dort hinstellen, wo es ihm gefällt. Denn das Minihaus ist ein Stoff, aus dem Träume entstehen, was freilich manchem die erwähnten Falten zufügen kann. Dabei scheint ein Markt für die «Kleinen» noch gar nicht wirklich vorhanden, auch nicht in der Schweiz. Viele Entwürfe kommen über dieses Stadium deshalb kaum hinaus. Dabei wäre das Gegenteil wünschenswert, treffen die Ideen doch ins Mark der Architekturschaffenden und werfen Fragen auf. Etwa dazu, wie wir leben wollen und warum, oder dazu, was nachhaltiges Bauen sein kann. Die Faszination der Reduktion, wichtig für ein Minihaus, hat schon viele erfasst. Den Architekten Renzo Piano etwa, der ja nicht gerade für Kleinprojekte steht. Seine Idee «Diogene» misst gerade mal sechs Quadratmeter Grundfläche. Aber immerhin steht ein Exemplar davon auf dem Vitra-Campus in Weil am Rhein. Und auch Ikea hat sich am Thema schon versucht. Aber nicht nur aus dem hohen Norden kommen deutlich bessere Ideen als vom Möbelriesen. Meist von jungen, unabhängigen Architekten, Designern, Ingenieuren, Holzbauern und Schreinern, und dies aus aller Herren Ländern. Inzwischen hat sich eine ganze Gemeinschaft rund um das Thema im Internet gebildet. Sogar Anleitungen zum Eigenbau finden sich im Netz. Neben den Realisierungsanleitungen für willige Aussteiger und Wagenmodellen für das Wohnen auf Rädern finden sich viele Entwürfe von gestandenen Fachleuten.

Wie etwa das «Minihouse» von Jonas Wagell, das als vollwertiges Domizil dienen kann. Der schwedische Designer wollte auch das nationale Baurecht ausloten, an die Grenzen gehen, dessen, was erlaubt ist. Denn «nicht kompakte Strukturen» werden in Schweden baurechtlich anders angesehen, weshalb der Entwurf eine ausladende Pergola hat, die das Haus mit gerade einmal 15 m2 optisch deutlich vergrössert.

Baurecht der Schweiz

Da die Häuschen meist einfach abgestellt und wieder lösbar mit dem Grund verbunden sind, gelten manchmal besondere Vorschriften. Etwa unter dem Begriff «fliegende Bauten» in Deutschland. In der Schweiz ist das Ganze ebenfalls komplex, Kantone und Gemeinden nutzen die Spielräume unterschiedlich aus. Die werden aber spätestens dann eng, wenn das abstellbare Gebäude ans Netz angeschlossen wird. «Dann wird wie ein Einfamilienhaus bewertet. Es gibt keine Erleichterungen für die Baueingabe. Die Definition ‹fest verbunden› ist erfüllt, wenn Wasser und Abwasser angehängt sind», weiss Baubiologin Tanja Schindler, die mit ihrem realisierten Projekt «Ökominihaus» zeigt, wie es gehen kann (siehe Seite 47). «Deswegen sind schon einige Projekte gescheitert, weil die Vorschriften und Gebühren dann verhältnismässig hoch waren und der Wunsch, günstigen und zahlbaren Wohnraum zu schaffen, so nicht erfüllt werden konnte.»

www.minihouse.se

Wohl temperiertes Campieren

«Cauma» heisst die Camping-Box vom Architekturbüro Bellevue Studio. Nicht nur der gleichnamige See liegt im Kanton Graubünden, das Häuschen wird auch dort durch die Schreinerei Tarcisi Maissen in Trun gefertigt. Im Romanischen bedeutet «Cauma» auch Mittagshitze und Schlafstätte. Und darauf haben die Planer besonderes Augenmerk gelegt. Denn isoliert ist die «Hütte» mit reiner Wolle. Diese sorgt nicht nur für eine gute Wärmedämmung, sondern vermeidet auch ein Überhitzen im Inneren bei intensiver Sonneneinwirkung. Ein sonst nur allzu wohlbekanntes Phänomen bei Camping-Unterkünften. Mit der komplett aus Bündner Holz hergestellten Camping-Box wollen es die Macher den «Cauma-Bewohnern» ermöglichen, sich voll und ganz der schönen Natur und der Umgebung zu widmen. Und das in wohngesunder und relativ komfortabler Umgebung.

Alles drin und erst noch geheizt

Auf acht Quadratmetern finden im Inneren ein Doppelbett und ein ausklappbares Einzelbett sowie ein Regal und ein ausklappbarer Tisch ihren Platz. Für kalte Tage ist ein Ofen installiert. Eine Raumlunge soll dabei für ein frisches Klima trotz der starken Dämmung sorgen. Standardmässig ist die «Cauma» mit Solarpaneelen auf dem Dach ausgerüstet, die den Akkumulator speisen. Auch der direkte Anschluss an die Stromversorgung ist möglich, um die LED-Beleuchtung zu versorgen.

Es besteht weiter die Möglichkeit, die Camping-Box mit einer Trockentoilette auszustatten. Ein Wasseranschluss oder gar eine Küche sind im Entwurf dagegen nicht vorgesehen. Transportabel und selbsttragend konstruiert, wird die Camping-Box direkt mit dem Kran vom Lastwagen auf vier höhenverstellbare Stahlfüsse abgestellt und ausgerichtet. Da die «Cauma» handwerklich produziert wird, können auch Änderungen und Varianten nach persönlichem Wunsch umgesetzt werden. Zielgruppengerecht ist das Häuschen nicht nur einfach käuflich erwerbbar, sondern wird vom Architekturbüro auch zur Miete und mit einer Leasingvariante angeboten.

www.cauma.chwww.maissen-sa.ch

In alle Richtungen gedacht

Mit der kubischen äusseren Form stellt das «Smallhouse» eine Verbindung vom Kleinhaus zur Modulbauweise her. Das Grundelement ist 4,40 m breit, 11 m lang und mit zwei Geschossen 6,50 m hoch. Das ergibt eine Netto-Wohnfläche von 75 m2.

Mit diesen Massen ist das Haus zwar nicht mehr mobil, wird aber komplett in Holz vorgefertigt und bietet darüber hinaus vielfältige Varianten eines kleinen, aber vollwertigen Wohnhauses.

Das Hauskonzept wurde bereits 1999 von «Bauart Architekten» und «Planer AG» entworfen, auch in Serie gebaut und im Laufe der Jahre den Anforderungen angepasst und an Varianten bereichert. Heute sind ein, zwei oder drei Stockwerke möglich, Flach-, Sattel- oder Pultdach genauso wie Kombinationen von «Smallhouses» miteinander, entweder über Eck oder verschoben aneinander platziert, auch als Anbau dienend oder selbst mit Anbauten versehen, wozu aber der Grundentwurf entsprechend angepasst werden muss. Das macht Holzbauer Marcel Kopp in Täuffelen BE, der seit 2013 die Realisierung für «Smallhouse» inne hat.

Grosse Wirkung auf kleinem Raum

Das Hauskonzept sieht auf jeder Seite ein grosses Fenster vor, das längsseitig ins Eck gerückt ist. Dadurch wollen die Macher dem Raum im Inneren eine grosszügige Wirkung verleihen. «Die vier Hauptraumzonen von jeweils 3,60 m × 3,60 m bleiben sinngemäss frei», erklärt Architektin Marianne Kopp. «Für den Einbau von Küche und Badezimmer stehen die 3,00 m × 2,60 m grossen Mittelbereiche neben der Treppe zur Verfügung. Diese werden je nach Wunsch ausgestaltet.» Raumtrenner, Einbauschränke, ein Dachfenster im Badezimmer, Windfang, eine Terrasse oder ein Sonnenschutz stellen weitere Optionen für den Kunden dar. So mausert sich der konzeptionelle Entwurf zu einem individuellen Bau.

Hauptsächlich Holz

Die Holzkonstruktion aus ökologischen Materialien besteht ganz überwiegend aus heimischer Fichte. Die Aussenschalung ist wegen der Beständigkeit in Lärche ausgeführt. Die U-Werte des Holzbaus liegen im Bereich zwischen 0,13 und 0,16 W/m2K. Dazu gehören auch Holz-Alu-Fenster mit Dreifachverglasung.

«Durch die gute Wärmedämmung der Gebäudehülle kann auf einfache Art, etwa mit einem Stückholzofen, geheizt werden», so Kopp. Auf Wunsch kann die Gebäudetechnik aber auch mittels Wärmepumpe, Photovoltaik und Komfortlüftung ausgestattet und automatisiert werden.

www.koppmarcelbaut.chwww.smallhouse.ch

Nachhaltige Bildung verpflichtet

Über mangelnde Resonanz kann sich Tanja Schindler mit ihrem «Ökominihaus» in Nänikon ZH wahrlich nicht beklagen. Seit vier Jahren steht es nun dort, und «etwa jeden Monat wird in einem Medium darüber berichtet», so Schindler. Die regelmässigen Führungen für Interessierte sind ebenso regelmässig ausgebucht. Darin zeigt Schindler nicht einfach das Haus, sondern erklärt den Besuchern, wie nachhaltiges Wohnen und Leben umgesetzt werden kann. Als Baubiologin ist es ihr eine Herzensangelegenheit. Und das Projekt war die Erfüllung eines lange gehegten Traums. «Aus persönlichen Gründen wollte ich mir ein eigenes Reich schaffen zum Rückzug, und das so minimal, ökologisch und günstig wie möglich. Ein weiteres, wichtiges Anliegen war, die Baubiologie erlebbar zu machen. Den Menschen zu zeigen, das auch Natürlich-Bauen eine Option ist», erklärt Schindler. Es sei dabei nicht um «klein und günstig», sondern um ein gesundes und schönes Wohnerlebnis gegangen. «Die Reduktion erhöht die Entspannung im Leben», ist sich die Expertin sicher.

Konsequent ökologisch

Das Haus ist in Holzständerbauweise konstruiert und mit Holzwolle gedämmt. Nur natürliche, recyclingfähige und gesunde Baustoffe sollten verwendet werden, die wenig graue Energie benötigen. Deshalb sind Holz, Lehm und Glas die wichtigsten Bestandteile. Auch die Inneneinrichtung ist in Vollholz und mit Naturstoffen wie Wolle, Leinen und Baumwolle gestaltet. Die Fassade ist mit witterungsbeständigem Lärchenholz verkleidet. «Die dünneren Lamellen sind grau lasiert, was aber nur optische Gründe hat», so Schindler. Mit den Aussenmassen von 12 × 3,75 m ist das «Ökominihaus» transportabel, sodass auch ein Umzug mit dem Haus machbar ist. Auf der Wohnfläche von 35 m2 ist alles untergebracht, was es zum Leben braucht: Bad, Küche, Heizung und auch eine Waschmaschine.

Pflanzenkläranlage und Regenwasser

Mit den Photovoltaik-Anlagen samt Speichermedium ist das Haus autark. Wasser und Abwasser sind dagegen erschlossen. «Ich habe eine Trenntoilette, ein Kompost-WC, das kein Wasser verbraucht und das Abwasser praktisch nicht verschmutzt.» Eine Pflanzenkläranlage auf dem Dach ist derzeit in Planung. Auch über die Regenwassernutzung hat Schindler nachgedacht. Solche Optionen sind zwar integrierbar, kosten aber auch erheblich. «Ich brauche in allen Bereichen eine minimale Lösung, die zahlbar, mit vorhandenen Materialien auf dem Markt machbar und transportabel ist und schön aussieht. Nach diesen Kriterien passe ich das Projekt laufend an. Nur etwas einzubauen, damit bewiesen ist, dass es geht – das stimmt für mich nicht», erklärt Schindler.

Geheizt wird mit einem Stückholzofen, der aufgrund der guten Wärmedämmung und den dreifach verglasten Fenstern das Objekt auch in der kalten Jahreszeit angenehm erwärmt. Wichtig seien dabei auch die solaren Wärmegewinne durch den hohen Glasflächenanteil.

Neues braucht manchmal seine Zeit

Ein weiteres Projekt gibt es bislang nicht. «Die Bauvorschriften und Gebühren sowie die Finanzierung über Banken ist sehr schwierig und verhinderte schon mehrere Projekte», so Schindler. Trotzdem soll es weitergehen, auch neue Konstruktionen mit Massivholzwänden sind in Planung. Dabei geht die Baubiologin auch neue Wege, um andere für das «Ökominihaus» zu interessieren. Etwa indem sie Menschen mit grossen, ungenutzten Grundstücken mit den potenziellen Bauherren zusammenzubringen versucht. «Wer will seinen zu grossen Garten teilen oder sein Bauland für die ungenutzte Zeit zur Verfügung stellen?» Warum nicht ein «Ökominihaus» platzieren und vermieten? Auch allfälliges Umziehen ist ja kein Problem.

www.oekologische-raumgestaltung.ch

ch

Veröffentlichung: 25. Mai 2017 / Ausgabe 21/2017

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