Den Flow gefunden

Im Winter bietet Pius Nietlispach (57) Skatingkurse in Goms an. Bald auch in Rothenthurm. Bild: PD

Leute. Sein Langlaufmekka ist das Goms. Über 100 Kilometer präparierte Loipen erstrecken sich über das Hochtal von Ober- bis Niederwald. Diesen Winter hat die Sportleruhr von Pius Nietlispach bereits 900 geskatete Kilometer aufgezeichnet.

An einem Wochenende legt der 57-Jährige mit seinen Langlaufski locker 120 km zurück. «Es ist ein fantastisches Gefühl, fast lautlos über die Loipe zu gleiten, meinen Blick über die verschneite Landschaft schweifen zu lassen, die frische Luft einzuatmen und dabei die fast meditative Wirkung der fliessenden Bewegung zu spüren.» So könne er den durchgetakteten Alltag schnell hinter sich lassen. «Dieser Sport entschleunigt, auch wenn der Körper aktiv ist.» In jungen Jahren war der Schreiner Ruderer. Im Winter habe man sich da mit Langlaufen fit gehalten. «Langlauf trainiert Ausdauer, Kraft und Koordination gleichermassen.» Zehn- mal hat er den Engadiner Skimarathon, den zweitgrössten Langlaufevent weltweit, absolviert. Seine beste Zeit lässt sich sehen: Zwei Stunden und zwei Minuten. Heute müsse er sich nicht mehr mit anderen messen. «Wettkämpfe gehören zur Vergangenheit.» Vielmehr verspürt er die Lust, sein Können weiterzugeben. «Ich möchte Menschen für den Langlaufsport gewinnen und mit ihnen meine Begeisterung teilen.» Nietlispach bietet in Goms Grundkurse an, nimmt die Frischlinge an der Hand und führt sie sachte in diese komplexe Sportart ein.

«Langlauf kann man nicht in einem Monat lernen. Es braucht ein paar Jahre, bis die Technik so greift, dass man in den Flow kommt.» Komplex sei Langlaufen deshalb, weil man auf vieles gleichzeitig achten müsse, wie die Bewegungsabläufe von Armen und Beinen, das aufrechte Stehen, Oberkörperspannung halten, perfekte Gewichtsverlagerung, koordinierter Stockeinsatz und den Puls nicht zu hoch werden lassen. Es sei wichtig, dass er als Lehrer erst einmal gut beobachte und dabei so wenig wie nötig korrigiere, sodass beim Anfänger keine Frustration entstehe. Er trainiert die Kursteilnehmenden in kleinen Schritten, damit sie die Freude nicht verlieren. Dabei legt er bewusst ab und zu Pausen am Loipenrand ein, um mit ihnen die zauberhafte Winterlandschaft zu geniessen. Über die immer weniger ausgeprägten Winter äussert sich Nietlispach pragmatisch: «Wir müssen uns dem Schnee anpassen.» Flexibilität sei angesagt. «Langlaufen geht man, wenn es Schnee hat.» Die künstliche Beschneiung von Loipen mache nur Sinn, wenn sich der Schnee über eine bestimmte Zeit halten könne.

«Ich habe Lust, Menschen für den Langlaufsport zu gewinnen und mit ihnen meine Begeisterung für diesen Sport zu teilen.»

Nietlispach ist Besitzer der Ennetsee Schreinerei in Cham ZG. Er bewegt sich langsam auf die dritte Lebenshälfte zu und plant, sein Geschäft einer neuen Geschäftsleitung zu übergeben. Mit der frei werdenden Zeit möchte er sich künftig noch mehr seiner Passion widmen. Ab nächstem Winter wird er einem Kollegen in Rothenthurm SZ bei den Skatingkursen aushelfen. Im letzten Jahr baute er für diesen die alte Bahnhofsschalterhalle zu einem Langlaufgeschäft um und überlegt bereits, wie er das Wintergeschäft seines Kollegen durch ein Sommerangebot ausbauen könnte. «Mit Rollski oder Cross-Skate-Kursen könnten sich Freizeitsportler auf die Langlaufsaison vorbereiten», sinniert der umtriebige Unternehmer.

Caroline Schneider

Veröffentlichung: 27. März 2023 / Ausgabe 12/2023

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