Der langersehnte Traum vom Fliegen

Mit der «Beechcraft Bonanza V35B» ist Schreiner und Pilot Andreas Schrag (33) ins serbische Niš geflogen. Bild: PD

Als Kind spielte er lieber mit Flugzeugen und Helikoptern als mit Traktoren, Baggern oder Feuerwehrautos. «Seit ich denken kann, wollte ich Pilot werden», sagt Andreas Schrag. «Ich wusste überhaupt schon früh, was ich wollte. Erstens Pilot werden, zweitens Schreiner lernen und drittens Panzer fahren.» Heute hat der ausgebildete Schreiner all das erreicht. «Den Traum vom Panzerfahren konnte ich im Militär ausleben», sagt er und lacht. «Ich träumte aber jede Nacht vom Fliegen», erinnert er sich. Doch dieser Traum lag vorerst weit weg. Mit 22 Jahren sass er zum allerersten Mal in einem Flugzeug nach Gran Canaria. «Es fühlte sich genauso an, wie ich es mir bisher erträumt hatte.» Zwei Wochen nach seinen Ferien begann er mit der Ausbildung zum Privatpiloten. «Ich sagte mir: ‹Wenn ich es jetzt nicht tue, sitze ich später einmal frustriert und enttäuscht vom Leben im Altersheim und bereue es.›» Für seinen Traum hat er lange gespart. Die Ausbildung zum Piloten kostet rund 120 000 Franken. Er musste sich zusätzlich Geld von Verwandten leihen, was ihm grosse Mühe bereitete. Die Ausbildung zum Privatpiloten war eine strenge Zeit. Sie erforderte eine Menge Theorie in neun verschiedenen Fächern und mindestens 45 Flugstunden.

Auf die Privatpilotenlizenz folgte die Berufspilotenlizenz. Die immer komplexer werdenden Theoriemodule fanden jeweils am Wochenende statt. «In 14 Fächern wie Luftrecht, Meteorologie, Navigation, Aerodynamik oder Flugfunk wurden wir auf Herz und Nieren geprüft. Nach der Arbeit setzte ich mich jeweils hin und büffelte bis in die Nacht hinein, um den Schulstoff zu verarbeiten.» Parallel zur Theorie lernen die angehenden Piloten auf einem einmotorigen Kolbenflugzeug zu fliegen. Das Einhalten der Sichtflugregeln und das richtige Reagieren in Notsituationen wird von der Pike auf trainiert. «Für den Instrumentenflug, der für die Linienpilotenlizenz unerlässlich ist, folgten unzählige und anstrengende Stunden im Flugsimulator eines zweimotorigen Flugzeuges, bevor es ans Eingemachte ging und das Erlernte im echten Flugzeug geprüft wird.» Kurz vor Ausbruch der Coronapandemie hatte Schrag seine Ausbildung zum Piloten abgeschlossen. «Corona hat mir einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Niemand stellte mehr Piloten ein.» Deshalb ist er vorerst noch bei der Schreinerei Fredy Bieri AG in Schötz LU als CNC-Maschinist und stellvertretender Werkstattleiter tätig. Doch einige Bewerbungen sind offen. «Mein Chef hat mir ermöglicht, meinen Lebenstraum umzusetzen. Er hat mir den Rücken freigehalten. Ich durfte mein Pensum reduzieren, meine Arbeitszeit flexibel einteilen. So einen Chef kannst du lange suchen.»

Schrag ist nach wie vor stolzer Schreiner. «Der Schreinerberuf ist breit gefächert. Ein Schreiner kann mit allen Materialien arbeiten.» Besonders gefällt ihm die Verschmelzung von Technik und Handwerk. Noch hat Schrag aber nicht ausgeträumt. «Ich will ins Weltall. Ich möchte die Erde einmal von oben sehen.» Er findet es wichtig, dass jeder seinen Träumen nachgehe. Seine Botschaft an alle Träumenden: «Kämpfe für dich, glaube an dich, steh wieder auf, wenn du fällst. Es gibt für alles eine Lösung. Alles ist möglich, weil der eigene Geist stark genug ist.»

«Ich wusste schon früh, was ich wollte. Erstens Pilot werden, zweitens Schreiner lernen und drittens Panzer fahren.»

Caroline Schneider

Veröffentlichung: 18. August 2022 / Ausgabe 33/2022

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