Der Schreiner, der Tore macht

Basil Stillhart (27) hat im Cupfinal eine starke Leistung gezeigt, trotzdem hat es dem FC St. Gallen nicht zum Titel gereicht. Bild: FC St. Gallen 1879

Kurz vor 17 Uhr fällt am Pfingstmontag im Berner Wankdorfstadion der Schlusspfiff: Der FC Luzern gewinnt den Schweizer Cup. Während die Blau-Weissen jubeln, macht sich bei den Grün-Weissen – dem FC St. Gallen – die Enttäuschung breit. Auch bei Mittelfeldspieler Basil Stillhart. «Wir haben zu wenig Chancen kreiert und waren zu schlecht, um den Match zu gewinnen», resümiert er nach der bitteren 1:3-Niederlage selbstkritisch. Er selber wird vom Kommentator als «Alleskönner» gelobt, was er mit zweimaligem Wechsel der Spielposition während des Spiels untermauert. Im Interview zeigt er sich als fairer Verlierer und gibt unumwunden zu, dass Luzern den Sieg verdient habe. An Stillharts Beispiel zeigt sich, wie nah Freud und Leid beieinanderliegen. Noch vor knapp drei Wochen schoss er den FCSG mit einem herrlichen Tor gegen den Servette FC ins Finale und wurde als Held gefeiert. «Schreiner Stillhart zimmert die Espen ins Glück», titelte der «Blick». Der Claim «Der Schreiner, Ihr Macher» erhielt eine ganz neue Bedeutung. «Daran habe ich gar nicht gedacht», sagt Stillhart und lacht. Als «Macher» hingegen sehe er sich durchaus: «Ich mache viel Fitness, schaue gut zu meinem Körper, bin sehr aktiv.» Dass er «seinem» FCSG den Einzug ins Finale bescherte, war für den Sirnacher doppelt erfreulich.

Erstens, weil er schon seit seiner Kindheit beim FC St. Gallen spielen wollte. «Davon träumt jeder Ostschweizer Fussballer», sagt er. In seinem Fall ging der Traum nach Stationen beim FC Wil und FC Thun im September 2020 in Erfüllung. Und zweitens, weil sein Körper dazu überhaupt in der Lage ist. Denn am letzten Tag seiner Schreinerlehre hätte er um ein Haar seinen Arm verloren: «Eine Glaswand krachte auf meinen rechten Arm und durchtrennte sämtliche Sehnen. Wenn nicht im entscheidenden Moment ein Handchirurg die Operation notfallmässig hätte übernehmen können, wäre es wohl zur Amputation gekommen.» Ein Berufstrauma habe er deswegen aber nicht. Zwar war besagter letzter Tag in der Lehre bisher auch sein letzter als Schreiner, doch dafür gibt es andere Gründe: Der FC Wil bot ihm einen Profivertrag an. Das war 2013. Seither ist der 27-Jährige von Beruf Fussballer und glücklich dabei: «Mir gefällt der Mannschaftssport, ich bin gerne Teil eines Teams, das miteinander um den Sieg kämpft.» Ob er jemals wieder in seinen Ursprungsberuf zurückkehren wird, steht in den Sternen.

Ganz verschwunden ist das Schreinern aber nicht aus seinem Leben. Hie und da macht er noch kleinere Arbeiten. «Alles habe ich noch nicht verlernt.» Die Schreinerlehre komme ihm auch beim Fussball zugute. Er habe gelernt, sich durchzubeissen und nicht aufzugeben. «Die Tage auf dem Bau können lang und kalt sein, da ist Durchhaltevermögen gefragt.» Und noch etwas hat er aus der Lehre mitgenommen: Ordnung halten. «Jeden Abend musste ich meinen Arbeitsplatz in der Werkstatt aufräumen und putzen. Mein Platz in der Spielergarderobe sieht entsprechend ordentlich aus.» Dort ist dafür sein auffälliger und bunter Kleiderstil ein Thema. «Ich mag einfach nicht anziehen, was alle anderen tragen», sagt er. Abgesehen vom Mannschaftstrikot auf dem Spielfeld.

Und auch wenn die Enttäuschung über den verpassten Titel gerade gross ist, weiss Stillhart, der wieder bei seinen Eltern in Sirnach bei Wil wohnt, dass er immer auf sein Umfeld zählen kann. Auch für ihn ist sakrosankt: «Für meine Familie, meine Freundin und meine Kollegen habe ich immer Zeit.»

«Der Mannschaftssport gefällt mir, ich bin gerne Teil eines Teams, das miteinander um den Sieg kämpft.»

Franziska Hidber

Veröffentlichung: 27. Mai 2021 / Ausgabe 22/2021

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