Der Schreiner und Bestatter

Der Tod gehört für Schreiner Erich Jakob Graf (46) zum Leben. Als Bestatter hilft er den Hinterbliebenen bei der Trauerarbeit. Bild: Beatrix Bächtold

Alle Menschen, die im Rafzerfeld wohnen, machen früher oder später «Bekanntschaft» mit Erich Jakob Graf. Man könnte auch sagen: An diesem Schreiner führt kein Weg vorbei, obgleich die Stunde des Zusammentreffens zum Glück meist ungewiss ist. Erich Jakob «Köbi» Graf ist Schreiner und nebenamtlich Bestatter. Im malerischen Städtchen Eglisau ZH, direkt am Rhein, führt er in fünfter Generation die Graf Gebrüder Schreinerei AG. Zur Zeit der Firmengründung vor 125 Jahren war es selbstverständlich, dass der Schreiner die Särge nicht nur machte, sondern auch lieferte und den Hinterbliebenen bei der leidvollen Aufgabe des Einsargens behilflich war. Unterstützt von seiner Schwester Esther Eltschinger, führt der 46-Jährige diese Tradition in den Gemeinden Buchberg, Eglisau, Hüntwangen, Rafz, Wasterkingen und Wil fort. Angefangen hat der Kontakt mit dem Tod für ihn schon früh. Bereits als kleiner Junge hat er miterlebt, wie sein Vater, unterstützt von seiner Frau, von Zeit zu Zeit wortlos einen Sarg aus einem Kämmerchen holte, auf den offenen Lieferwagen stemmte, ab- fuhr und ohne Sarg wiederkehrte. Später, als Erich Jakob Graf 18 Jahre alt war, hat ihn sein Vater zum ersten Mal zu einer dieser Fahrten mitgenommen. Es ist wohl klar, dass den jungen Mann gewisse Eindrücke belastet haben müssen – und dennoch, für ihn und seine Familie hat der Tod immer dazugehört. Und weil er genau weiss, wie wertvoll seine Arbeit für die trauernden Menschen ist, macht er sie auch heute noch aus voller Überzeugung.

«Ich will in unserer schnelllebigen Zeit menschliche Grundwerte erhalten», sagt er und fügt hinzu: «Das Wichtigste ist, dass man über das Erlebte redet, um es zu verarbeiten. Dies tue ich bei Gesprächen mit meiner Schwester.» Bei all dem Leid und der Trauer – Graf sieht seine Tätigkeit auch als Lebensschule an.

«Durch den Kontakt mit dem Tod sieht man manche Dinge ganz anders. Man schätzt es, wenn es einem gut geht, und regt sich nicht wegen jeder Kleinigkeit auf.» Bis zu 90 Mal im Jahr erhält er das Aufgebot der Gemeinde oder der Polizei. Manchmal schrillt das Telefon mitten in der Arbeit, manchmal weckt es ihn auch nachts aus dem Tiefschlaf. Für diese Fälle warten drei Särge zur Reserve in der Schreinerei. Ein vierter steht zugedeckt in einer Ecke. «Es ist der letzte Sarg, den mein Grossvater noch selbst gemacht hat. Von dem werde ich mich nie trennen», sagt Graf.

Die Särge macht der Schreiner mittlerweile nicht mehr selbst, sondern bezieht sie von der Sargfabrik Hans Gerber AG im zürcherischen Lindau, deren 30 Mitarbeitende etwa 16 000 Särge pro Jahr produzieren. Das Unternehmen stellt auch die Vertretung, wenn Graf oder seine Schwester mal in den Ferien sind.

Zu den Dienstleistungen des Bestatters gehört das Einsargen, das Herrichten und letzte Einkleiden des Toten sowie die Überführung zum Friedhof oder Krematorium. Graf legt Wert darauf, dass die Verstorbenen korrekt gekleidet sind und in Würde aufgebahrt werden können. «Ganz wichtig ist für mich das Gespräch mit den Hinterbliebenen und ein bewusster Abschied», sagt er. Mit Gesprächen über den Toten und das Geschehene könne für die Hinterbliebenen der eigentliche Trauerprozess beginnen.

Dem eigenen Tod sieht der Bestatter gelassen entgegen. Er sagt: «Es wird irgendwann passieren, doch der Tod ist nicht schlimm. Schlimm wäre es, nicht richtig gelebt zu haben.»

«Durch den Kontakt mit dem Tod sieht man manche Dinge ganz anders. Man schätzt es, wenn es einem gut geht, und regt sich nicht wegen jeder Kleinigkeit auf.»

beb

Veröffentlichung: 15. Juni 2017 / Ausgabe 24/2017

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