Die Tierliebe des Herrn Metzger

Bei seinen Langohren kann Urs Metzger (52) sich erholen und vom Alltag abschalten. Bild: Beatrix Bächtold

Für seine Kaninchen macht Urs Metzger alles. Er baut ihnen eine Luxusunterkunft und verbringt fast jede freie Minute mit ihnen. Angefangen hat sein Hobby vor sechs Jahren mit zwei gedeckten Weibchen. Reichlich Nachwuchs stand ins Haus. Um die lieben Kleinen artgerecht unterzubringen, informierte sich Metzger genaustens über die Vorschriften des Tierschutzes. Dann baute er den ehemaligen Kuhstall seines Anwesens zur komfortablen Hasenresidenz um. Mittlerweile leben hier an die 50 Langohren. Immer samstags macht Metzger die grossräumigen Freilaufboxen aus Vollkernplatten sauber. «Die Tiere logieren wie in einem Viersternhotel», sagt er. «Zum Glück bin ich Schreiner. Jemand anderes könnte sich den handwerklichen Luxus gar nicht leisten.» Seine Lehre machte der Schreiner in eine Mischbetrieb in Stein am Rhein SH. Als der Besitzer in den Ruhestand trat, übernahm er den Betrieb. Er beschäftigt rund ein Dutzend Mitarbeiter. Als Metzger Platz für die Erweiterung des Holzlagers suchte, stiess er 2014 auf ein riesiges Anwesen mit drei uralten renovierungsbedürftigen Gebäuden, einem Bach und Grasland im nahe gelegenen Wagenhausen. Und da Metzger auch gerne Bauer geworden wäre, kam ihm die Idee, Holzlager und Tierhaltung unter einen Hut zu bringen.

Vor der Arbeit und nach Feierabend gibt Metzger seinen Kaninchen Wasser und Futter. Das ist eine echte Herausforderung, denn im Laufe seines sechsmonatigen Lebens vertilgt ein Kaninchen neben Heu und Stroh rund 25 Kilo Körnerfutter. Zur Abwechslung wird den Mümmelmännern einmal pro Woche trockenes Brot oder ein Rüebli zum Knabbern serviert.

Bei Unpässlichkeiten erhalten die Tiere homöopathische Medizin. Dass sie gut umsorgt werden, zeigt sich, wenn sich die Stalltür öffnet und die braunen Burgunderkaninchen und die schwarz-weissen Schweizer Schecken sofort herbeihoppeln. Empfindliche Gemüter sollten an dieser Stelle umblättern, denn Metzger hegt und pflegt seine Tierchen nicht nur, er hat sie auch «zum Fressen» gern. Deshalb macht er seinem Namen Ehre und schlachtet. «So ist es nun einmal. Wer Fleisch isst, muss das akzeptieren», erklärt er. Bei ihm geht das schnell und schmerzlos. «Früher gab es in jedem Dorf ein Schlachthüsli. Heute hat man den Bezug zur Fleischgewinnung verloren. Das trägt zur Verunsicherung bei», erklärt er. Rund 2,5 Kilogramm schmackhaftes Fleisch gewinnt er pro Tier. Einen Teil verbraucht er mit seiner fünfköpfigen Familie, sodass seine Frau Ruth mittlerweile wohl über tausend Zubereitungsarten kennt. Nierli und Leberli brät sich Metzger selber. «Mit gehackten Zwiebeln und in Butter gebraten – eine Delikatesse.» Das restliche Fleisch nehmen ihm Bekannte gerne ab, und der Hund eines Kollegen freut sich über die Innereien.

Doch nicht alle Kaninchen landen im Kochtopf. Es gibt auch solche die lebenslang begnadigt werden. So wie «Mäxli», der unter dem persönlichen Schutz der 12-jährigen Tochter Noemi steht. Auch Metzgers Söhne Nico und Timo lieben die Tiere. Sie helfen im Stall und bekommen beim Schlachten eine eindrückliche Lektion Anatomie mit auf ihren Lebensweg. Reich wird Metzger durch seine Tiere nicht. «Rechne ich Aufwand und Ertrag, so komme ich auf einen Stundenlohn von einem Franken. Aber mir geht es ja nicht ums Geld. Es ist mein Hobby. Nirgends kann ich so gut abschalten.» Da sei kein «Muh» und kein «Mäh». «Hasen sind geduldige und liebe Tiere. An ihnen könnte sich mancher Mensch ein Beispiel nehmen.»

«Hasen sind geduldige und liebe Tiere. An ihnen könnte sich mancher Mensch ein Beispiel nehmen.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 20. August 2020 / Ausgabe 34/2020

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