Downhiller dopt mit Speckknödel

Jonas Eberhart (31) ist happy, wenn er, wie hier in der Nähe der Südtiroler Reschner Alm, auf seinem Downhill-Bike durch Wildwasser prescht. Bild: PD

Um das Sommerloch zu füllen, haben sich viele Skigebiete auf Downhill-Biker spezialisiert. An den Sesselliften finden sie spezielle Haken für ihre Sportgeräte. Sehr zur Freude von Jonas Eberhart. Der Südtiroler rast nämlich gerne den Berg hinunter, fährt durch Bäche oder überwindet Hindernisse mit bis zu zwei Meter hohen Sprüngen. Unten angekommen, ist er happy, wenn er und sein Bike die halsbrecherische Aktion wieder einmal wohlbehalten überstanden haben. Schon als Kind fuhr Eberhart mit dem Fahrrad jede Treppe hinunter. Über so viel Übermut schüttelten damals viele den Kopf. Mittlerweile trägt der Nervenkitzel den Namen Downhill-Biken und ist eine anerkannte Sportart. Dem modernen Equipment ist es zu verdanken, dass der waghalsige Schreiner bisher von grösserem Ungemach verschont geblieben ist, denn er hatte bereits mehrere heftige Stürze. «Nach einem Sprung hatte ich mein Gewicht zu weit nach vorne verlagert. Bei der Landung wurde daraus ein Salto», er- zählt er. Da muss der Helm schon stark sein, um später darüber lachen zu können. Ein Downhill-Bike ist von der Konstruktion her völlig anders als ein normales Fahrrad. Vorder- und Hinterrad sind voll gefedert, um Sprünge für die Bandscheiben erträglicher zu machen.

Schliesslich ist dieses Sportgerät dazu gedacht, ruppige Trails mit Hindernissen und starkem Gefälle in möglichst rasantem Tempo zu bewältigen. Für einen optimalen Schwerpunkt sorgt der komplett versenkte Sattel und für Wendigkeit ein geringer Lenkwinkel.

«Mein Bike ist unglaublich stabil. Knapp 20 Kilo bringt es auf die Waage. Bergauf-Fahrten sind unmöglich», sagt Eberhart und berichtet dann von seinen extra dicken und griffigen Reifen, die mit wenig Luft im Schlauch die Traktion auf die Spitze treiben. «Ich habe zwei Downhill-Räder, wovon das eine Modell etwa so teuer ist wie ein Kleinwagen. Dafür benötigt es kein Benzin», scherzt er. Dass das rasante Vergnügen auf extra präparierten Trails stattfindet und nicht etwa auf Wanderwegen, versteht sich von selbst. «Wir erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometern pro Stunde. Ausweichen, zögern oder bremsen liegt da nicht drin», sagt er. Eberhart sucht beim kalkulierten Spiel mit der Gefahr weder Pokale noch Triumphe. An seinem Helm trägt er keine Kamera. «Ich geniesse lieber den Moment, an- statt später damit zu prahlen und zu zeigen, was für ein Teufelskerl ich doch bin. Das ist nicht meine Art», sagt er. Während er in seiner Freizeit das Schicksal herausfordert, ist er beruflich recht bodenständig unterwegs. Seine Lehre machte er in einem Drei-Mann-Betrieb in Südtirol. Seit sieben Jahren arbeitet er bei der Falegnamaria Curdin Müller in Strada GR. Die 20 Kilometer zwischen Engadiner Arbeitsort und seinem Zuhause in Graun am Reschensee legt er mit dem Auto zurück.

Der Biker ist auch Jogger und nimmt gern an Läufen teil, wie etwa am Reschenseelauf vor seiner Haustür. «Gute Zeit, aber zum Sieg hat noch ein grosses Stück gefehlt», sagt er. Aber eben – der Schreiner sucht im Sport nicht die Erfolge, sondern die Erholung. Deshalb setzt er nebst dem Training auf artgerechtes Doping. Für einen Südtiroler bedeutet das gute Kollegen, Spass an der Freude und Speckknödel.

«Ich geniesse lieber den Moment, anstatt später damit zu prahlen und zu zeigen, was für ein Teufelskerl ich doch bin.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 08. Oktober 2020 / Ausgabe 41/2020

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