Ein Hobby auf Profiniveau

Der Schreiner und Holzbildhauer Maurus Fässler (46) betreibt das Handwerk «einfach aus Freude». Bild: Franziska Hidber

Schindeln an der Hausfront, im Eingang ein Boden aus Natursteinen. Niedrige Räume, liebevoll gestaltet bis ins Detail. In weissen Vasen stecken Margeriten, Holzkühe zieren die Balken an der Wand, in der Stube steht ein grüner Kachelofen, durch das kleine Fenster huscht der Kater hinein, setzt sich auf den Stuhl in der Ecke. Man wähnt sich im Freilichtmuseum Ballenberg, aber dieses Haus hier steht erstens in Appenzell und wird zweitens bewohnt – von Menschen, die offensichtlich ein Flair fürs Schöne haben.

Maurus Fässler heisst der Hausherr, und das hier ist sein Elternhaus. Er hat es umsichtig ausgebaut, hinter der stimmigen Dekoration steht seine Frau Barbara, die beiden Kinder Mara und Remo füllen es tagsüber mit Leben und schlafen nachts in ihren weissen Himmelbetten, vom Vater eigenhändig hergestellt.

Das Holzhandwerk ist Fässlers Leidenschaft, seit jeher schon. Das Talent dafür wurde ihm vermutlich in die Wiege gelegt: Der Grossvater gründete eine Antik-Schreinerei, der Vater führte sie weiter, der Sohn absolvierte dort seine Lehre zum Möbelschreiner. Nicht etwa, weil er der Familientradition verpflichtet gewesen wäre. «Schreiner war schon immer mein Wunschberuf», erinnert sich der Appenzeller und erzählt von den Stabellen, die er während der Lehre gefertigt hat, den Ornamenten. Er ging in diesem Tun auf und wusste bereits damals, dass er sich irgendwann in die Holzbildhauerei vertiefen würde, «und zwar richtig».

Der 46-Jährige hält nichts davon, «aus einem Stück Holz schnell, schnell ein paar Sterne zu hauen und damit an den Weihnachtsmarkt zu gehen». Seine Motivation reicht tiefer: Er will das alte Handwerk pflegen, dafür sorgen, dass es weiterlebt.

Mit 25 verliess er seine «Heemet» in Richtung Brienz im Berner Oberland und besuchte drei Jahre lang die Holzbildhauerschule. Er befasste sich mit Anatomie, lernte zu zeichnen, Modelle in Gips zu giessen, das richtige Werkzeug auszuwählen, das Holz zu bearbeiten. Er lacht, wenn er daran denkt, wie er wieder büffeln musste, Anatomie vor allem. «Wenn du aus Holz eine Menschenfigur schaffen willst, musst du schon wissen, wo welche Muskeln und Knochen hingehören.» Als er zurückkehrte, hatte er den Abschluss als Holzbildhauer in der Tasche, aber keinerlei Ambitionen, sich nun damit die Brötchen zu verdienen. Nicht einmal als Nebenerwerb zog er die Holzbildhauerei in Betracht: «Ich wollte frei sein, handwerken aus Freude, ohne Zeitdruck. Und dann, wenn es gerade passt.» Er müsse den richtigen Moment erwischen. «Wenn ich aufgeladen bin, gehe ich lieber Holz hacken», sagt er. Doch wenn er sich entspannt fühlt, nimmt er die Treppe ins Untergeschoss und betritt sein Atelier, seine Welt.

Unter seinen geschickten Händen entsteht dort gerade eine Teilfigur in Tracht, fast in Lebensgrösse. «Das Schwierigste ist immer der Start: Bis der Knopf sich löst, bis der Anfang gefunden ist.» Hat er das geschafft, arbeitet und arbeitet er – «bis zum nächsten Knopf!».

Ein bisschen ist die Holzbildhauerei allerdings doch noch zum Beruf geworden: Dann, wenn Maurus Fässler für seinen Arbeitgeber Ornamente fertigt oder Schriftzüge gestaltet. Als Arbeitsvorbereiter und Planer in einer Appenzeller Schreinerei sitzt er oft am Computer, da ist die Arbeit in der Werkstatt eine willkommene Abwechslung. Ehrensache, dass er für die Skizze Papier und Bleistift zückt: «Es gibt nichts Schöneres, als mit den Händen tätig zu sein.»

«Wenn ich aufgeladen bin, gehe ich lieber Holz hacken.»

HID

Veröffentlichung: 07. Juni 2018 / Ausgabe 23/2018

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