Ein Leben voller Projekte

David Waterhouse (67) hat einen kleinen Stall zum schmucken Wohnhaus für seine Familie ausgebaut. Bild: Tobias Kilchör

Blauer Himmel, Sonnenschein und Wiesen mit Frühlingsblumen: Friedlich und ruhig ist es im kleinen Bergdorf Gimmelwald im Berner Oberland. Zu ruhig für David Waterhouse, der hier auf 1350 Metern über Meer mit seiner Familie die Pension Gimmelwald betreibt. Jetzt würde die Saison beginnen. Aber wegen der Coronakrise bleiben die Gäste aus und der charmante Biergarten verwaist. Das Kreischen einer Handfräse zerreisst die Stille: Der 67-Jährige schneidet ein Stück altes Täfer. Seit Wochen renoviert er Zimmer um Zimmer – unter anderem mit altem Holz des ehemaligen Schulhauses, in dem gerade neue Familienwohnungen entstehen. Im Berner Oberland lebt der gebürtige Brite bereits seit zwölf Jahren. Keine Selbstverständlichkeit. Denn in seinem Leben ist er viel herumgekommen. Nach dem Politologie-Studium und einem schweren Unfall bei einem Autorennen eröffnete er mit einem Freund eine Schreinerei. «Wir hatten keine Ausbildung. Aber wir haben viel gelesen, herumgefragt, ausprobiert und kopiert», erzählt der Autodidakt. Bereits zwei Jahre später suchte er eine neue Herausforderung und setzte seine erworbenen Fähigkeiten als Schreiner bei einer Filmproduktionsfirma ein. Mit anderen Handwerkern restaurierte er in einer spanischen Werft zwei grosse, historische Rahsegler. Eine grobe Arbeit mit schweren Schiffsplanken, «aber technisch sehr interessant», wie er erklärt. Als die historischen Segelschiffe wieder seetüchtig waren, blieb er. Er lernte segeln, wirkte als Statist bei Filmproduktionen mit und begann dann, Militärkadetten auf den Schiffen zu unterrichten.

1984 verliess er die Firma. Zum Glück, denn kurz danach ging die «Marques» bei einer Langstrecken-Segelregatta im Nordatlantik unter. In Cornwall, im Südwesten Englands, arbeitete Waterhouse dann auf einer Farm. Bald schon übernahm er einen eigenen Hof. Die Arbeit gefiel ihm. «Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe Tiere immer schon geliebt. Ich befürchte, dass ich mit ihnen besser zurechtkomme als mit Menschen», sagt er und lacht. Als er später einen Bauernhof übernahm, baute er kurzerhand einen grossen Stall zum Wohnhaus um. Es war das erste von vielen Projekten. Noch während er in Cornwall Tiere hielt, produzierte er Kassetten mit Frage- und Antwortspielen, die er über einen Spielwarenhändler vertrieb, und flog regelmässig nach Mallorca, um dort mit einem Freund ein altes Hotel umzubauen. Es folgten ein weiteres Hotel und ein Restaurant auf Mallorca und dann Hausboote in London. Vor zwölf Jahren wanderte Waterhouse auf der Suche nach einem Berghotel durch die Schweizer Alpen. Er fand es in Gimmelwald. «Hier gefiel es mir, und ich sah touristisches Potenzial in diesem Ort, der bei US-Amerikanern so beliebt ist», sagt er. Er baute die Pension um und eröffnete sie wieder. Es folgte ein Auf und Ab. «Ich bin kein Hotelier. Als mich meine Geschäftsführerin sitzen liess, war ich aufgeschmissen.»

Seine Rettung war eine junge Frau, die er im Nachbarsdorf kennengelernt hatte. Sie übernahm den Betrieb des Hotels – und blieb bei ihm. Heute sind die beiden verheiratet, haben zwei kleine Kinder und wohnen in einem selbst ausgebauten Stall. Waterhouse fliegt immer noch regelmässig nach London oder Mallorca, um nach den Geschäften zu sehen. Doch er ist auch irgendwie angekommen in seinem Berghotel, wo er selbst gebrautes Schwarzbier verkauft. «Ideen für Projekte hätte ich noch viele. Aber hier gibt es noch einiges zu tun», sagt er und blickt zufrieden auf die Berge.

«In Gimmelwald gefiel es mir, und ich sah touristisches Potenzial in dem Ort, der bei Amerikanern so beliebt ist.»

fg

Veröffentlichung: 21. Mai 2020 / Ausgabe 21/2020

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