Er lässt alte Stühle auferstehen

Guido Huber (62) hat seine wahre Passion erst spät entdeckt. Heute beflügelt die Arbeit mit Holz seine Fantasie. Bild: Caroline Mohnke

Holzspäne, Zuglampen, Messingbeschläge, Kastanienpigmente und Barocktüren hat es genauso in der Werkstatt des Luzerner Möbelrestaurators Guido Huber wie hungrige Holzwürmer. Nach 20 Jahren als Informatiker lebt der gelernte Zahntechniker heute in Meggen seine Passion. «Früher war alles sehr schnelllebig, hektisch und alles andere als ich mir unter einem glücklichen und zufriedenen Berufsleben vorstellte. Die Lebensqualität blieb auf der Strecke, ich kam nicht mehr zur Ruhe und war ständig unter Strom.» Schliesslich führte ihn eine Hobelbank mit einem eingebetteten Kochfeld zu seinem heutigen Beruf. Als er diese im Internet sah, blühte seine Fantasie regelrecht auf. «Ich entdeckte meine wahren Fähigkeiten und Talente.» Mit Mitte fünfzig gelang ihm der Quereinstieg in die Holzbranche.

Er machte erst den Lehrgang «Handwerker in der Denkmalpflege», arbeitete dann in einer Schreinerei und absolvierte berufsbegleitend die Ausbildung zum Möbelrestaurator. Sein Diplom erlangte er mit 60 Jahren. Seit bald einem Jahr hat er seine eigene Werkstatt mit Laden in Meggen. In seiner Ideenwelt gibt es nichts, was es nicht gibt. Aus einer Bettstatt wird ein Tisch, Möbel verleiht er gerne Farbe, aus alten Velolampen fertigt er LED-Beleuchtungen. «Vor nicht allzu langer Zeit holte ich im Tessin zwei alte Barocktüren aus Kastanienholz, um sie wieder in den Urzustand zurückzusetzen.» Auch einen fast zerstörten Biedermeier-Stuhl hat er auferstehen lassen.

«Heutige Nägel in einem Barockschrank sind eine Todsünde», sagt der Luzerner, der aus alten Sockelleisten oder sonstigem Resten Holznägel anfertigt. Fein säuberlich liegen sie auf der Hobelbank, und Huber erwähnt, dass zu früherer Zeit der Dorfschmied die Nägel machte, diese aber sehr kostspielig waren.

Historismus, Biedermeier, Jugendstil, Barock. Er kennt sich aus in den verschiedenen Epochen. «Alte Möbel wirken besonders faszinierend auf mich. Es tut mir im Herzen weh, wie viele davon vernichtet werden. Ich möchte die Leute dazu aufrufen, sie nicht einfach wegzuwerfen. Denn aus jedem alten Möbelstück kann man etwas Schönes machen, und oft sind doch so viele Erinnerungen damit verwoben.» Seine Augen strah- len, wenn er vom Sekretär erzählt, den er gerade in stundenlanger Arbeit aufmöbelt. Nicht ohne Stolz hält er die selbst gemachten Messingbeschläge in den Händen und zeigt die verschiedenen Furniere, in denen unzählige Formen zu erkennen sind: Tierköpfe und viele andere Gestalten und Muster.

Stöbern auf Flohmärkten und in Brockenhäusern gehört genauso zum Arbeitsalltag von Huber wie stundenlanges Tüfteln nach dem richtigen Farbton oder der perfekten Ölmischung. Mit viel Liebe zum Detail entstehen nebst Möbeln auch kleinere Objekte wie Schneidbretter oder Eierbecher. «Jedes Stück aus meiner Werkstatt ist einzigartig. Ich liebe das Upcycling von bestehenden Möbeln und Objekten. Arbeiten mit Holz macht mich glücklich», sagt der 62-Jährige mit den grauen Locken, während Led Zeppelin aus den Boxen tönt und er an Stuhlbeinen schleift.

Vierzig Jahre lang spielte der grossgewachsene Handwerker Eishockey. Heute macht er Yoga. Die Handwerkskunst aber vergleicht er mit dem Kochen: «Am liebsten koche ich, wenn ich nicht eingekauft habe», lacht der Holzkünstler. «Dann ist mein Erfindergeist gefragt. Ich liebe Herausforderungen», sagts und begutachtet zufrieden den Sekretär-Aufsatz, der zum Trocknen im Hinterraum liegt.

«Ich liebe das Upcycling von bestehenden Möbeln und Objekten. Arbeiten mit Holz macht mich glücklich.»

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 24. September 2020 / Ausgabe 39/2020

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