Geht nicht, gibts nicht

Diese Bank ist auch ein Tisch: Schreiner Hansueli Keller (47) hat so lange getüftelt, bis sein Prototyp funktioniert hat. Bild: Franziska Hidber

Er fällt sofort ins Auge. Schön schaut er aus, massiv. Man möchte am liebsten viel Zeit mit ihm verbringen, und das, obwohl seine inneren Werte nicht auf Anhieb ersichtlich sind. Von seinen Verwandlungskünsten ganz zu schweigen. Die Rede ist vom «PrakTISCH». Auf den ersten Blick steht in der Schreinerei von Hansueli Keller in Bauma ZH einfach eine schön gefertigte Bank aus nordischem Lärchenholz. Doch dann genügt ein einziger Griff – und zack! wird aus der Bank ein Tisch mit zwei befestigten Bänken. Man sieht staunend zu und wähnt sich im Märchen «Tischlein deck dich». Hansueli Keller, der Erfinder und Hersteller von «PrakTISCH», schmunzelt. Er kennt die Reaktion, die sein Prototyp auslöst: Der Film über die wundersame Verwandlung wird auf Facebook über 3000 Mal angeklickt. «Das ist eine schöne Bestätigung und zeigt, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat.» Typisch für Keller: Wenn der Tösstaler eine Idee im Kopf hat, zieht er sie durch. «Geht nicht, gibts nicht», heisst die Devise des leidenschaftlichen Tüftlers. Und wie so vieles hat auch «PrakTISCH» mit einem Zufall begonnen. Keller sieht irgendwo eine solche Bank und denkt sofort an seine Hauswand in Hittnau. Dort würde sie perfekt hinpassen. Er könnte die Sonne geniessen und bei Lust und Laune oder spontanem Besuch ganz schnell einen Esstisch daraus machen.

Die Idee gefällt ihm. Wie er im Internet surft, findet er tatsächlich fixfertige Anleitungen. Sie haben nur einen Fehler: Der Tisch ist viel zu schmal, und man muss das Brett auf die Bank stecken. Das kommt für den 47-Jährigen nicht in Frage. «Ich wollte einen Tisch, an dem man richtig essen kann. Und, mindestens so wichtig: Alle Teile sollen in der Bank versorgt werden.»

Statt also ein bestehendes Modell nachzubauen, setzt sich der selbstständige Schreiner hin und überlegt, wie das Ausklappen des Tisches mit einer breiteren Fläche funktionieren könnte. Denn dadurch haben sich die Drehpunkte des Konstrukts verschoben. Er beginnt mit einem Bauplan, gibt aber schnell auf. Nimmt stattdessen Holz in die Hand, fertigt die ersten Rohteile an und rollt damit das Feld von hinten auf. Wieder lacht er, und seine Augen hinter den Brillengläsern blitzen: «Ich habe alles andersrum gemacht: Erst gebaut, dann gezeichnet und dann die Werkliste zusammengestellt.» Immer, wenn er zwischen drängenden Aufträgen ein wenig Zeit findet, treibt er sein Projekt voran. Nach rund 40 Stunden ist es vollbracht: Der Prototyp steht, und dann kommt er, der ersehnte und gleichzeitig bang erwartete Moment – die Verwandlung. Als diese klappt, fällt Keller ein Stein vom Herzen. Den Prototyp wird er bald bei sich zu Hause an die sonnige Aussenwand stellen. Und mit acht weiteren Bänken wäre er für erste Bestellungen gewappnet.

Wobei es dem Einzelunternehmer nicht etwa an Aufträgen mangelt. Auch bei seinen Kundenwünschen gilt: Alles, was nach «geht nicht» klingt, spornt ihn erst recht an. Und an Feierabend ist mit der Tüftlerei noch lange nicht Schluss: Als zum Beispiel die von ihm gefertigte Galerie im Blumengeschäft seines Bruders nicht mehr gebraucht wurde, zimmerte er aus den Stämmen kurzerhand sein Bett.

Den Ausgleich zur Holzarbeit findet er in der Musik. Gleich in drei Formationen spielt er Kornett, drei Mal wöchentlich wird geprobt. Seine «Ämtli» im Vorstand und als Notenchef hingegen hat er abgegeben – Zeit, die er nun in sein Projekt investieren will. Denn nach dem Erfolg auf Facebook soll die wandlungsfähige Bank nun die reale Welt erobern.

«Ich habe alles andersrum gemacht: Erst gebaut, dann gezeichnet und dann die Werkliste zusammengestellt.»

hid

Veröffentlichung: 06. April 2017 / Ausgabe 14/2017

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